74 2. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Völkerrecht.
ferenzen das Mißtrauen durch gegenseitiges Vertrauen ersetzt
wird.
Das Erfordernis einer Kriegserklärung helfe sodann die
Möglichkeit vermeiden, daß man zwischen Friedens= und Kriegs-
zustand ein Drittes zuläßt. Gerade die Ereignisse aus jüngster
Zeit zeigen, daß ein Staat Truppen ins Feld schickt und Kriegs-
schiffe entsendet und dennoch behauptet, er befände sich nicht im
Kriegszustand mit seinem Gegner.#)
Ein weiterer Grund für die Nützlichkeit der Kriegserklärung
sei der, dass durch dieselbe noch die Möglichkeit der Vermeidung
des Krieges gegeben wird, was ohne Erklärung nicht der Fall
sei. : Doch dürfte dieser Grund kaum von praktischer Be-
deutung sein. „Wo der Wille des kriegbeginnenden Staates
eine solche Möglichlteit noch zuläßt, wird er von selbst die
Form eines Ultimatums, d. h. einer bedingten Kriegserklärung
wählen.“s)
Ueber die Nützlichkeitsgründe, so schwer sie auch wiegen
mögen, mus; man die Rechtsgründe stellen, die gebieterisch die
Kriegserklärung fordern.
Die Notwendigkeit einer solchen ergibt sich aus den Rechten
und Pflichten, die der Kriegszustand schafft:
1 für die Kriegführenden selbst,
2. für ihre Untertanen und
3. für die neutralen Staaten.
1. Es ist nicht zulässig, daß eine Macht plötzlich ohne Ueber-
gang vom Friedenszustand, der das gemeinsame internationale
Leben beherrscht, zum Kriegszustand übergeht. Sowohl in dem
Falle, w# mant) von einem unvermuteten Angriff, einem
wirklichen Ueberfall reden kann, als auch dann, wenn Ver-
1) Diese Frage ist sehr wichtig mit Rücksicht auf die Verpflichtung der
anderen Staaten zur Reutralität. Entweder führt der Staat Krieg, wodurch die
anderen neutral bleibenden Staaten zur Erfüllung der an die Neutralität geknüpften
Pflichten gezwungen werden, oder er führt keinen Krieg und kann infolgedessen auch
nicht die Rechte eines kriegführenden Staates gegenüber den neutralen für sich in
Anspruch nehmen Val. hierzu die Stellungnahme Englands im sfranzösisch-chinesischen
Kriege 1884/85.
2) Feraud-Giraud, a. a. O. S. 35. Agl. auch Boidin S. 118.
3) Lueder in Holtzend. Handb. IV S. 314; Bellat, S. 74 ff.
4) Mit Hauteseuille von einem Angriff . à lmproviste“.