136 Der sächsische Verfassungsstaat.
land ohne Einheit der Vertretung nach außen und des Heer—
wesens, ohne Kriegsflotte und ohne starke Zentralgewalt ließ,
also die unentbehrlichsten Forderungen jedes großen Volkes
nicht erfüllte. Der unversöhnliche Widerspruch zwischen
dem Kulturzustande der Nation und ihrer unbrauchbaren
Gesamtverfassung wurde allgemein und bitter empfunden,
aber über die Art der Neugestaltung gingen die Anschauungen
weit auseinander. Die führenden Minister der Mittelstaaten,
Beust in Dresden, von der Pfordten in München, Dalwigk
in Darmstadt, wollten die deutschen Mittel- und Kleinstaaten
in eine in sich enger verbundene und nach außen möglichst
selbständige Gruppe neben den beiden Großmächten zu—
sammenfassen; doch bot dieser Gedanke, die „Triasidee“,
wenig Aussicht, weil der notwendige Verzicht auf wichtige
Hoheitsrechte den einzelnen Staaten zwar zugunsten einer
mächtigen, wirklich Schutz gewährenden Gemeinschaft, aber
nicht einer doch nur schwachen Verbindung zugemutet werden
konnte. Preußen arbeitete, besonders seitdem sein Bundes—
gesandter, Otto von Bismarck-Schönhausen (1851—59),
immer stärkeren Einfluß gewann, zunächst auf Gleichberechti-
gung mit Osterreich hin, weiter auf die Gründung des schon
1849 geplanten Bundesstaats unter preußischer Führung,
hatte deshalb alle die für sich, die sich für dieses Ideal be-
geisterten. Nur Osterreich wirkte, da es an einem deutschen
Bundesstaate nicht teilnehmen und seine führende Stellung
nur in dem bisherigen lockern Staatenbunde behaupten
konnte, für dessen Erhaltung, trat also den Lebensinteressen
der Nation feindlich in den Weg, fand aber bei den Mittel-
staaten insofern Unterstützung, als auch diese dem preußischen
Bundesstaate widerstrebten.
Die Notwendigkeit, den deutschen Gesamtorganismus
leistungsfähiger zu machen, trat besonders deutlich hervor,
als die Wiederherstellung des bonapartischen Kaisertums