1896
152 Der sächsische Verfassungsstaat.
tretern der Höchstbesteuerten und der Gemeinden, 5 Kreis-
hauptmannschasten mit Kreisausschüssen aus Abgeordneten der
Bezirksversammlungen). Einen ähnlichen Erfolg hatte das
Landtagswahlgesetz vom 28. März 1896, insofern es das all-
gemeine Wahlrecht einführte; aber es machte auch das Maß
der politischen Rechte von dem Maße der Stenerleistung dadurch
abhängig, daß es darnach die Wähler in drei Klassen teilte,
von denen jede ein Drittel der Abgeordneten (zur zweiten
Kammer) wählt, und die indirekte Wahl (Urwähler und Wahl-
männer) einführte. Damit gewann im Widerspruch zu dem
städtisch-industriellen Charakter des Landes die konservativ-
agrarische Partei in der 2. Kammer das Ubergewicht, und die
handarbeitenden Klassen wurden tatsächlich von der Volks-
vertretung ausgeschlossen.
Unter so vielgestaltiger Fürsorge wurde Sachsen das
Land des Deutschen Reichs, das die modernen Entwicklungs-
züge am stärksten zum Ausdruck bringt. Vor allem bildete
sich der städtisch-industrielle Charakter, die Dichtigkeit der
Bevölkerung und das Wachstum des Wohlstandes immer
mehr aus.
Von 1871—95 wuchs die Bevölkerung auf 3787000 Ein-
wohner, die Zahl der Großstädte (über 100000 Einwohner) teil-
weise auch durch „Eingemeindung“ der bisher selbständigen „Vor-
orte“ von 2 auf 3, die der Mittelstädte (über 20000 Einwohner)
von 5 auf 9, der Kleinstädte (über 5000 Einwohner) von 50
auf 91, der Landstädte (unter 300 Einwohner) von 142 auf 185,
die der städtischen Bevölkerung im ganzen von 1263000 auf
2477000 Menschen, während die Bevölkerung der Landgemeinden
fast gar nicht zunahm (1871—96 von 1292000 auf 1310000).
Daher stieg die Dichtigkeit der Bevölkerung auf 252 Menschen
für 1 qkm, und große Teile des Landes gewannen das Ansehen
einer zusammenhängenden, nur etwas weitläufig gebauten Stadt,
was durch Ausbildung der Straßenbahnen noch beschleunigt
wurde. In noch höherem Maße verschob sich das Verhältnis
der in Industrie und Handel beschäftigten und von ihnen er-