60 Die Bildung des meißnisch-sächsischen Staatswesens.
stand als Vertreter des Landesherrn der Landvogt (erst
seit 1526 dauernd) in Lübben, der mit dem Kanzler neben
der eigentlichen Verwaltung auch das Landgericht (Ober-
amt) als Aufsichtsbehörde über die Stadt= und Patrimonial-
gerichte und als erste Instanz über deren Inhaber leitete.
Die höchste geistliche Autorität übte erst der Archidiakonus,
seit 1361 der Probst von Lübben als Offizial des Bischofs
von Meißen.
In sozialer Beziehung zerfiel die Bevölkerung überall
in scharf geschiedene Stände, in Geistliche und Laien, Stadt
und Land, Herrschende und Dienende, Edelleute und Bauern,
Bürger und Handwerker. Wie jeder Stand sein besonderes
Recht hatte, so auch seine besonderen wirtschaftlichen Inter-
essen. Grundsätzlich durfte nur der Adel Rittergüter be-
sitzen, weil daran der Lehnskriegsdienst hing. Stadtbürger
bedurften zur Erwerbung solcher einer allgemeinen oder
besonderen Erlaubnis des Landesherrn. Umgekehrt war der
Gewerbe= und Handelsbetrieb den Stadtbürgern vorbehalten,
dem platten Lande versagt, mit Ausnahme etwa der schon
altwendischen Leinweberei, die bis 1456 nicht für „ehrlich"
galt, und der unentbehrlichsten Handwerke (Schmiede). Das
städtische Recht der „Bannmeile“ dehnte die Herrschaft der
städtischen Produktion für manche Zweige (wie die Bier-
brauerei) noch über die Grenzen der Stadtflur aus.
Der alles beherrschende, auch von den Städten noch stark
betriebene Erwerbszweig war die Landwirtschaft, verbunden mit
ansgedehnter Viehzucht, namentlich Schafzucht, und zwar in
der Form der Rrtergutswirtschast, die den größten Teil des
Besitzes vom Herrenhofe aus mit „Häuslern"“, „Gärtnern“,
landlosen Lohnarbeitern und vermittelst der Hand= und Spann-
dienste der gutsuntertänigen Bauern bestellte, nur einen kleinen
Teil an solche austat. Um es mit dem steigenden Wohlstande
der Städte aufnehmen zu können, begann der Adel gegen Ende
des Mittelalters die Zinse und Leistungen der Bauern zu
steigern und die Güter der gewöhnlichen Zinsbauern, die er im