Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Wie ich schon meldete, war das Weidefeld bei 
Kubub besser als weiter nach Osten im Lande, doch 
ging auch ich mit einiger Bangigkeit in die Schur- 
und Lammzeit. Erstere fiel zu meiner vollen Be- 
friedigung aus und die Wolle war frei von allen Ver- 
unreinigungen, welche sie entwerthen konnten. Nicht 
überall in Südafrika ist dies der Fall, in einigen 
Gegenden, wie z. B. in den am Orangeflusse belegenen 
Bezirken des Kaplandes, klagen die Farmer über eine 
Grasart, deren Samen die Wolle so verunreinigt, 
daß sie fast werthlos wird. Die Farmer haben in 
diesen Gegenden die Zucht des Merinoschafes auf- 
gegeben und sind auf die des einheimischen Fett- 
schwanzschafes zurückgegangen. Ich kann nicht be- 
houpten, daß das ganze deutsche Schußgebiet frei 
von dieser Grasart oder gleich schädlichen Gewächsen 
ist, glaube aber, daß dies in Groß-Namaland der 
all ist. 
Wenn die Lammzeit meinen Wünschen nicht ganz 
entsprach, so lag dies theils an der rauhen Witterung, 
der geringeren Beschaffenheit des Weideseldes, zum 
größten Theil aber an der Nachlässigkeit eines Schäfers, 
den ich mitten in der Lammzeit zu entlassen gezwungen 
war. Dies sind Störungen, die überall eintreten 
können. 
Meine bisherigen Erfahrungen über Bodenkultur 
sind zu gering, als daß ich darüber schon ein Urtheil 
abgeben könnte. Freien Ackerbau in Kubub zu 
treiben, der hier recht gut möglich ist, hat es mir 
bisher an Zeit und den nöthigen Mitteln gefehlt. 
Der Garten in Bethanien liegt so #entfernt von hier, 
daß es mir nicht möglich ist, ihn genügend unter 
Augen zu haben. Der Weizen, den ich dort bestellt 
habe, verspricht trotz Nachtfrost eine recht gute Ernte, 
die Luzerne kümmerte lange Zeit, soll sich jet aber 
erholen. Einzelne ausländische Holzarten sind durch 
Frost vernichtet, Wein= und Obstbäume sind noch zu 
jung, um ihre Lebens= und Ertragsfähigkeit zu be- 
weisen. Gartenerbsen, Bohnen und Zwiebeln gingen 
gut auf, als ich im August dort war. Ein Anbau- 
versuch mit Kartoffeln schlug fehl wegen der un- 
passenden Jahreszeit, die ich dazu wählte. Mehr 
durch die Erfolge des Missionsgartens in Bethanien 
und anderer Missionsstationen als durch eigene Er- 
fahrungen bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß 
der Ansiedler hier seinen Bedarf an Bodenfrüchten 
leicht decken kann, besonders wenn er sich dazu ver- 
steht, Erzeugnisse anzubauen, die für ein südliches 
Klima passend sind, z. B. statt vieler Kartoffeln: 
Fruchtbäume und Wein, statt Weißkohl: Blumenkohl 
und Zwiebeln, statt Gurken: Melonen u. s. w. 
Die schwierigen Trausportverhältnisse im Lande, der 
geringe Verkehr, das Fehlen einer städtischen Be- 
völkerung werden es wohl bis auf Weiteres un- 
möglich machen, Bodenkultur zu einem Erwerbszweig 
zu erheben. Bessern sich diese Faktoren, so erblüht 
dieser Erwerbszweig von selber. 
Ich habe es versucht, Butter und Käse zu bereiten. 
Erstere wurde tadellos im Winter, ließ sich schwer 
  
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herstellen und verdarb schnell im Sommer wegen 
Mangels passender Räumlichkeiten, welche auch zu einer 
umfangreichen Käsebereitung fehlten. Die gewonnene 
Butter wurde selber verbraucht oder verschenkt, da 
es an jeder Gelegenheit zum Absatz fehlt. Die Ver- 
bindung mit Kapstadt ist zu selten und unregelmäßig, 
um eine Ausfuhr von Butter dorthin zu ermöglichen. 
Solange noch, wie heute, ungemessene Weidefelder 
unbenußt daliegen, welche zur Vergrößerung der 
Herdenbestände einladen, so lange wird es auch der 
Viehzüchter vorzichen, die Milch zur Aufzucht des 
Kalbes anstatt zur Butler= und Käsebereitung zu be- 
nutzen. Der Ueberschuß an Milch wird den eigenen 
Bedarf und den der nicht viehzuchttreibenden Be- 
völkerung au Butter und Käse leicht decken. 
Die Pferdezucht ist hier zwar fast kostenlos, doch 
fehlt es an Absatz. 
Nach Schlachtochsen und Schlachtkühen ist immer 
noch genügend Nachfrage in Südafrika, es schwanken 
aber die Preise außerordentlich. Die Schlächter an 
den wenigen Marktplätzen haben es zu sehr in der 
Hand, den Preis einseitig zu bestimmen. So läuft 
der Händler, welcher es wagt, Schlachtherden nach 
Kapstadt, Kimberley oder Johannesburg zu treiben, 
die Gefahr großer Verluste. Baar bezahlt wurden 
hier für gute- Schlachtochsen im vergangenen Jahre 
bis 10, in diesem Jahre nur ## 5, Kühe 
2 entsprechend billiger. Händler, welche nach 
Kimberley zogen, kehrten theilweise wieder um, theils 
ließen sie ihre Thiere dort in der Nähe auf ge- 
pachteten Weideplätzen unverkauft stehen. Die Aus- 
stellung in Kimberley hatte wohl einen zu starken 
Auftrieb veranlaßt. Wie ich höre, entwickelt sich 
von Walfischbai aus eine Schlachtochsen-Ausfuhr nach 
dem Kongo, deren weiteres Gedeihen wäre ein Segen 
für das deutsche Schutzgebiet. 
Ich habe von den Schafen durchschnitklich 5 /2 Pfd. 
Wolle vom Stück geschoren und dafür in Kapstadt 
4 Pence für 1 Pfd. erhalten, ½ Penny muß ich auf 
die Transportkosten abrechnen, so daß mit 3½ Pence 
für die Wolle mir ein Ertrag von 19 Pence vom 
Schaf verbleibt. Die Wollpreise sind im letzten Jahre 
bedeutend gesunken und da Wolle seit einer langen 
Neihe von Jahren eine fallende Preisbewegung hatte, 
so lästt es sich gar nicht voraussehen, wie sich die 
Wollpreise in der Zukunft gestalten werden. Sollte 
der heutige Preis derselben bleiben, so kann der 
Wollzüchter hierbei immer noch seine Rechnung finden, 
solange er im Stande ist, billig zu produziren, so- 
lange er also eine geringe oder gar keine Bodenrente 
zu zahlen hat und die Löhnec auf bescheidener Höhe 
bleiben. Verbesserte Verkehrseinrichtungen und eine 
vergrößerte Produktion, welche die direkte Ver- 
schiffung nach Europa, bei Vermeidung des kost- 
spieligen Umweges über Kapstadt, ermöglicht, würden 
eine nicht unerhebliche Steigerung des Ertrages be- 
dingen. Ganz abgesehen von dem Gewinn, ist Wolle 
der einzige leicht verwerthbare Artikel, der sich heute 
hier in großen Mengen erzeugen läßt.
	        
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