Wie ich schon meldete, war das Weidefeld bei
Kubub besser als weiter nach Osten im Lande, doch
ging auch ich mit einiger Bangigkeit in die Schur-
und Lammzeit. Erstere fiel zu meiner vollen Be-
friedigung aus und die Wolle war frei von allen Ver-
unreinigungen, welche sie entwerthen konnten. Nicht
überall in Südafrika ist dies der Fall, in einigen
Gegenden, wie z. B. in den am Orangeflusse belegenen
Bezirken des Kaplandes, klagen die Farmer über eine
Grasart, deren Samen die Wolle so verunreinigt,
daß sie fast werthlos wird. Die Farmer haben in
diesen Gegenden die Zucht des Merinoschafes auf-
gegeben und sind auf die des einheimischen Fett-
schwanzschafes zurückgegangen. Ich kann nicht be-
houpten, daß das ganze deutsche Schußgebiet frei
von dieser Grasart oder gleich schädlichen Gewächsen
ist, glaube aber, daß dies in Groß-Namaland der
all ist.
Wenn die Lammzeit meinen Wünschen nicht ganz
entsprach, so lag dies theils an der rauhen Witterung,
der geringeren Beschaffenheit des Weideseldes, zum
größten Theil aber an der Nachlässigkeit eines Schäfers,
den ich mitten in der Lammzeit zu entlassen gezwungen
war. Dies sind Störungen, die überall eintreten
können.
Meine bisherigen Erfahrungen über Bodenkultur
sind zu gering, als daß ich darüber schon ein Urtheil
abgeben könnte. Freien Ackerbau in Kubub zu
treiben, der hier recht gut möglich ist, hat es mir
bisher an Zeit und den nöthigen Mitteln gefehlt.
Der Garten in Bethanien liegt so #entfernt von hier,
daß es mir nicht möglich ist, ihn genügend unter
Augen zu haben. Der Weizen, den ich dort bestellt
habe, verspricht trotz Nachtfrost eine recht gute Ernte,
die Luzerne kümmerte lange Zeit, soll sich jet aber
erholen. Einzelne ausländische Holzarten sind durch
Frost vernichtet, Wein= und Obstbäume sind noch zu
jung, um ihre Lebens= und Ertragsfähigkeit zu be-
weisen. Gartenerbsen, Bohnen und Zwiebeln gingen
gut auf, als ich im August dort war. Ein Anbau-
versuch mit Kartoffeln schlug fehl wegen der un-
passenden Jahreszeit, die ich dazu wählte. Mehr
durch die Erfolge des Missionsgartens in Bethanien
und anderer Missionsstationen als durch eigene Er-
fahrungen bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß
der Ansiedler hier seinen Bedarf an Bodenfrüchten
leicht decken kann, besonders wenn er sich dazu ver-
steht, Erzeugnisse anzubauen, die für ein südliches
Klima passend sind, z. B. statt vieler Kartoffeln:
Fruchtbäume und Wein, statt Weißkohl: Blumenkohl
und Zwiebeln, statt Gurken: Melonen u. s. w.
Die schwierigen Trausportverhältnisse im Lande, der
geringe Verkehr, das Fehlen einer städtischen Be-
völkerung werden es wohl bis auf Weiteres un-
möglich machen, Bodenkultur zu einem Erwerbszweig
zu erheben. Bessern sich diese Faktoren, so erblüht
dieser Erwerbszweig von selber.
Ich habe es versucht, Butter und Käse zu bereiten.
Erstere wurde tadellos im Winter, ließ sich schwer
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herstellen und verdarb schnell im Sommer wegen
Mangels passender Räumlichkeiten, welche auch zu einer
umfangreichen Käsebereitung fehlten. Die gewonnene
Butter wurde selber verbraucht oder verschenkt, da
es an jeder Gelegenheit zum Absatz fehlt. Die Ver-
bindung mit Kapstadt ist zu selten und unregelmäßig,
um eine Ausfuhr von Butter dorthin zu ermöglichen.
Solange noch, wie heute, ungemessene Weidefelder
unbenußt daliegen, welche zur Vergrößerung der
Herdenbestände einladen, so lange wird es auch der
Viehzüchter vorzichen, die Milch zur Aufzucht des
Kalbes anstatt zur Butler= und Käsebereitung zu be-
nutzen. Der Ueberschuß an Milch wird den eigenen
Bedarf und den der nicht viehzuchttreibenden Be-
völkerung au Butter und Käse leicht decken.
Die Pferdezucht ist hier zwar fast kostenlos, doch
fehlt es an Absatz.
Nach Schlachtochsen und Schlachtkühen ist immer
noch genügend Nachfrage in Südafrika, es schwanken
aber die Preise außerordentlich. Die Schlächter an
den wenigen Marktplätzen haben es zu sehr in der
Hand, den Preis einseitig zu bestimmen. So läuft
der Händler, welcher es wagt, Schlachtherden nach
Kapstadt, Kimberley oder Johannesburg zu treiben,
die Gefahr großer Verluste. Baar bezahlt wurden
hier für gute- Schlachtochsen im vergangenen Jahre
bis 10, in diesem Jahre nur ## 5, Kühe
2 entsprechend billiger. Händler, welche nach
Kimberley zogen, kehrten theilweise wieder um, theils
ließen sie ihre Thiere dort in der Nähe auf ge-
pachteten Weideplätzen unverkauft stehen. Die Aus-
stellung in Kimberley hatte wohl einen zu starken
Auftrieb veranlaßt. Wie ich höre, entwickelt sich
von Walfischbai aus eine Schlachtochsen-Ausfuhr nach
dem Kongo, deren weiteres Gedeihen wäre ein Segen
für das deutsche Schutzgebiet.
Ich habe von den Schafen durchschnitklich 5 /2 Pfd.
Wolle vom Stück geschoren und dafür in Kapstadt
4 Pence für 1 Pfd. erhalten, ½ Penny muß ich auf
die Transportkosten abrechnen, so daß mit 3½ Pence
für die Wolle mir ein Ertrag von 19 Pence vom
Schaf verbleibt. Die Wollpreise sind im letzten Jahre
bedeutend gesunken und da Wolle seit einer langen
Neihe von Jahren eine fallende Preisbewegung hatte,
so lästt es sich gar nicht voraussehen, wie sich die
Wollpreise in der Zukunft gestalten werden. Sollte
der heutige Preis derselben bleiben, so kann der
Wollzüchter hierbei immer noch seine Rechnung finden,
solange er im Stande ist, billig zu produziren, so-
lange er also eine geringe oder gar keine Bodenrente
zu zahlen hat und die Löhnec auf bescheidener Höhe
bleiben. Verbesserte Verkehrseinrichtungen und eine
vergrößerte Produktion, welche die direkte Ver-
schiffung nach Europa, bei Vermeidung des kost-
spieligen Umweges über Kapstadt, ermöglicht, würden
eine nicht unerhebliche Steigerung des Ertrages be-
dingen. Ganz abgesehen von dem Gewinn, ist Wolle
der einzige leicht verwerthbare Artikel, der sich heute
hier in großen Mengen erzeugen läßt.