— 124 —
Die Cowpagnie des Produits du Congo
beschäftigt sich vorzugsweise mit Viehzucht. Sie
besitt gegenwärtig auf der Insel Mateba am unteren
Kongo etwa 1600 Stück Rindvieh, von denen ein großer
Theil schon auf der Insel geboren ist. Die von
Mossamedes und Sierra Leone zur Zucht einge-
führten Stiere und Kühe haben sich schnell akkli-
matisirt. In leßter Zeit hat die Gesellschaft auch
aus Deutsch-Südwestafrika zwei Viehtransporte be-
zogen. Boma, Banana und Matadi bieten ein
bequemes Absatzgebiet für Schlachtvieh; monatlich
kommen durchschnittlich 50 bis 70 Stück zum Verkauf.
Auch das Pferd scheint sich am unteren Kongo zu
akklimatisiren. Auf Mateba sind 19 Stück vor-
handen, darunter 6 auf der Jusel geboren; zu der
ursprünglich allein vertretbaren kleinen, flinken Tene-
riffa-Rasse hat man zur Kreuzung 3 Ardenner, 1 Hengst
und 2 Stuten eingeführt, die sich bis jetzt gut
gehalten haben. Neuerdings sind auch Teneriffa-Esel
eingeführt, und man will Versuche mit der Maul-
thierzucht machen; Ziegen gedeihen, wie überall am
Kongo, gut, dagegen scheinen Schafe sich nicht zu
halten. «
Die fünfte der von der Compagnie du Congo
pour le Commerce et l'Industrie ins Leben ge-
rufenen Gesellschaften ist die Compagnie du Katanga,
welcher die Ausbentung des Quellgebiets des Kongo
mit weitgehenden Konzessionen überlassen ist. Das
Bestreben der Gesellschaft ging dahin, so schnell als
möglich von dem ihr zugesprochenen, ungeheuren
Gebiet thatsächlich Besitz zu ergreifen. Zu diesem
Zwecke entsandte sic die Expeditionen Stairs, Bia
und Hodister auf verschiedenen Wegen nach Katanga.
Bereits im Inni 1890 hatte die Compagnie du
Congo pour le Commerce et IIndustric eine große
Forschungsexpedition unter den Befehl des bewährten
Alexandre Delcommune nach dem Ouellgebiete des
Lomami und Lualaba entsendt, um das Katanga-
Gebiet, von dessen Mineralschätzen Cameron, Paul
Reichard, Capello, Jvens und Arnot berichtet
hatten, fachmännisch zu durchforschen und die Frage der
Schiffbarkeit jener Ströme in ihrem Oberlaufe zu
lösen. Die Expedition war bei Gründung der Com-
pagnie du Katanga schon in dem dieser Gesellschaft
zugewiesenen Gebiete angelangt. Letztere übernahm
daher die Expedition auf ihre Rechnung, nachdem sie
die Auftraggeberin durch Zahlung von 2500000 Frcs.
und 1080 Katanga-Aklien abgefunden hatte.
Das Gesammttapital aller dieser Gesellschaften
mit dem der Muttergesellschaft beträgt gegen
37 Millionen Frcs., von dem 21 Millionen Fres.
thatsächlich eingezahlt sind. Direktor sämmtlicher
Gesellschaften ist Major Thys, bisheriger Ordonnanz=
offizier des Königs; Generalsekretär derselben der
bekannte Geograph A. J. Wanters.
Die geographische und ethnographische Erforschung.
des oberen Kongo-Beckens hat dank dem energischen
Vorgehen der Kongo-Regierung und der privaten
Gesellschaften in den lebten zwei Jahren eine mächtige
Förderung erfahren. Der erste belgische Forscher,
welcher in das vollkommen unbekannte Quellgebiet
des Kongo entsandt wurde, war Paul le Marinel,
dessen Reise zu den interessantesten und erfolgreichsten
der letzten Jahre gehört. Er brach am 23. De-
zember 1890, begleitet von 4 Europäern, 180 Sol-
daten und 144 Trägern, von Lusambo am Sankurn
auf und marschirte, in südlicher Richtung dem Lauf
des Lubi folgend, durch das Gebiet der Bambue und
Kalveh. Le Marinel schildert dies Gebiet als
überaus fruchtbar und viehreich. Die Eingeborenen
gehen fast ganz nackt, bemalen Gesicht und Körper
in den verschiedensten Farben und tragen das
Haar in eigenartigen, hochaufgethürmten Frisuren,
welche wie ein Helm den Kopf schmücken. Ihre
Wohnungen sind äußerst primiliv, als einzige Waffe
führen sie nur kleine Wurfspeere. Dieses Volk be-
findet sich noch ganz im Urzustande; niemals hat
eine Karawane oder irgend ein Neisender das Land
besucht, die europäischen Handelsartikel, welche durch
ganz Afrika verbreitet sind und selbst bei den Zwerg-
völkern im Urwald gefunden wurden, sind ihm ganz
unbekannt. Troßdem das Land ungewöhnlich dicht
bevölkert ist und sich längs des Weges Dorf an
Dorf reiht, leben sie in glücklichster Eintracht und
kennen den Krieg nicht einmal dem Namen nach.
Von Tshikunga auf 6° 20“ 40“ schlug Le Mari-
nel eine südwestliche Richtung ein und durchwanderte
den Kanioka-Distrikt, welcher von den Balunga be-
wohnt ist. Das Land ist nicht so stark bevölkert wie
das Ufer des Lubi-Flusses; zwischen einzelnen dicht
bewohnten Distrikten dehnen sich weite Steppen-
gebiete aus. Die Balunga stehen auf einer viel
höheren Kultur als ihre Nachbarn; die meisten
europäischen Handelsartikel sind ihnen bekannt, und
Ackerbau und Industrie stehen bei ihnen in hoher
Blüthe.
Am 26. Januar erreichte die Expedition die
Haupistadt des Oberhäuptlings Musemba, welcher
der Expedition jedoch wenig freundlich begegnete.
Am 17. Februar überschritt Le Marinel den
Sankuru nahe der Hauptstadt Mutambo-Munkulus
des Häuptlings des Kalunde-Distrikt#. Die Kalunde
verwenden eine große Sorgfalt auf die Herstellung
von Wegen. Die Ortschaften sind nicht wie im
größten Theile Afrikas durch schmale JFußpfade,
sondern durch breite, sorgfältig unterhaltene Straßen
verbunden. Am Eingang der Dörfer sieht man rechts
und links vom Wege eine lange Reihe von Grab-
hügeln, die sorgsam von jedem Grashalm gereinigt
werden. Eine kleine, sehr reinlich gehaltene Allee
führt von der Straße zu den Gräbern, auf denen
zahllose, meist werthlose Gegenstände wie Töpfer-
waaren, Kalabassen, Thierhörner aufgehäuft sind.
Der Lomami, einer der bedeutendsten Nebenflüsse
des Kongo, dessen Quellen Le Marinel entdeckte,
entspringt auf einem 1150 m hohen Plateanzwischen
8° und 9° südl. Breite. Das Plateau ist durch
zahllose Bäche und kleine Seen reichlich bewässert.