Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Während der Zeit seiner Anwesenheit hat der 
Gonverneur verschiedentlich die Gelegenheit gefunden, 
in alten Stammesfehden das entscheidende Wort zu 
sprechen, und ist sein Richterspruch unweigerlich von 
den Parteien anerkannt worden. 
Da er verschiedene Gebirgsdörfer besucht, von 
Morgen bis zum Abend das Leben und Treiben 
der Bewohner mitangesehen und die Nächte in ihrer 
Mitte zugebracht hat, so hat er Beobachtungen über 
den Charakter und die Anschauungen der Eingebo- 
renen anstellen können. In dieser Beziehung äußert 
sich sein Bericht, wie folgt: 
In ihrer ungeheuchelten Freude über den ab- 
geschlossenen Frieden und den nicht sicher erwarteten 
Besuch des Gouverneurs suchten sich die Busaleute 
offenbar von ihrer liebenswürdigsten Seite zu zeigen: 
das aber steht fest und das kann man bei Gelegen- 
heit von Palavern bald herausfinden, daß die Berg- 
völker ungleich wilderen Charakters sind als die 
umwohnenden Stämme der Ebene und Blutvergießen 
etwas Alltägliches ist. Die sogenannten Palaver sind 
nicht bloß Rechtsstreitigkeiten, sondern Friedensver- 
handlungen, bei denen neben zerstörten Hütten und 
geraubtem Vieh immer noch eine größere oder geringere 
Zahl getödteter oder verletzter Menschen in Frage 
kommen. Den Rechtsanschauungen dieser Bergvölker 
entspricht der Saßz, daß Blut nur durch Blut gefühnt 
werden kann; hieraus ergiebt sich von selbst die 
Schwierigkeit, zu einem Friedensschluß zu kommen; 
denn der Theil, der Unrecht bekommt, muß seine 
Schuld mit Blut bezahlen, und dazu versteht sich 
kein Stamm so leicht; auch ist es sehr schwer, die 
feindlichen Parteien zusammenzubringen, denn das 
kann bloß in einem neutralen Dorse geschehen, zu 
welchem jede Partei gelangen kann, ohne feindliches 
Gebiet zu betreten. Es gelang mir auf diese Weise, 
einige alte Fehden beizulegen, und ich glaube, es 
wird im Allgemeinen nicht schwer sein für einen 
mit den Eingeborenen bekannten und bei ihnen be- 
liebten Weißen, Streitigkeiten zu schlichten, weil beide 
Parteien froh sind, ohne Todesangst ihren Geschäften 
nachgehen zu können. Um die Geringfügigkeit der 
Anlässe zum Blutvergießen zu kennzeichnen, will ich 
hier bloß die Fehde zwischen den Voana= und 
Busumbuleuten erwähnen. Letzere hatten ein Fest 
mit Ringkämpfen veranstaltet, zu welchem sich Boana- 
leute ebenfalls einfanden, jedoch meist im Ningkampfe 
geworfen wurden. Dies gab Anlaß zu einer Schlä- 
gerei ohne bedeutende Folgen, die damit ihr Ende 
erreichte, daß die Boanaleute Busumbu verließen; 
einige von ihnen jedoch lauerten in Verstecken und 
hieben, als es schon dunkel war, zwei damals unge- 
fähr vier bis fünf Jahre alte Kinder von Busumbn mit 
Haumessern, ohne sie jedoch zu tödten, nieder. Infolge 
dessen zogen die Busumbuleute gegen die Boana, 
um sie zu züchtigen, mehrere Todte und Verwundete 
auf beiden Seiten waren das Ergebniß dieser Feind- 
seligkeiten, welche sich noch zwei Jahre fortsetzten 
und wodurch die Zahl der gegenseitigen Gewaltthaten 
289 
  
stetig wuchs. Ich hielt das Palaver im neutralen 
Buca ab. Nachdem beide Parteien ihre Sache mit 
großem Nachdruck verfochten hatten, gab ich den 
Boanalenten Unrecht, weil sie durch Mißhandlung 
kleiner Kinder den Grund zu den Feindseligkeiten 
gelegt hatten. Diese Entscheidung nahmen sie sofort 
an und es handelte sich nunmehr um die Festsetzung 
der Strafc bezw. Entschädigung. Die Busumbn- 
leute verlangten natürlich sofort, daß einige Boana- 
leute getödlet werden sollten; als ich ihnen jedoch 
erklärte, daß schon genug Leute auf beiden Seiten 
todt seien und sie bloß Zahlung verlangen könnten, 
waren die Parteien in kürzester Zeit über die Zah- 
lung, welche in der Hauptsache in einer bestimmten 
Stückzahl Vieh, als Ochsen, Ziegen, Schweinen, be- 
stand, einig. 
Einen Hauptanlaß zu Friedensstörungen und zu 
Blutvergießen geben die überall im Gebirge vor- 
handenen Zauberer ab, die um ein paar Groschen 
bereit sind, die Schuld am Eintritt von Nakur- 
ereignissen oder für natürliche Todesfällc unschuldigen 
Personen beizumessen, die dann mit dem Tode und 
Einziehung ihres Vermögens bestraft werden. Der 
Aberglaube und die Furcht vor diesen Schwindlern 
sind so groß, daß z. B. die Busalente sich nicht ge- 
traulen, einen solchen am Tage meines Eintreffens 
verstorbenen Zauberer zu beerdigen, und der Häupt- 
ling Kuba fünf Kru-Ziegen zahlte, damit meine Dol- 
metscher mit Hülfe meiner Träger die Leiche zwei 
Stunden von Bué6a entfernt begruben. 
Diese Uebelstände mit Gewalt jetzt schon aus- 
rotten zu wollen, ist unmöglich und könnten dadurch 
der Negierung nur Verwickelungen bereitet werden, 
welche die Erschließung des Gebirges verzögern 
würden. 
So weit der Bericht des Gounverneurs. 
Um die Einwirkung der Regierung zu erhöhen 
und die weitere Befestigung der friedlichen Zustände 
im Gebirge zu erreichen, ist die häufige Berührung 
des Verwaltungsbeamten in Victoria mit den Be- 
wohnern des Gebirges erforderlich. Zu diesem 
Zwecke ist die Anlage eines Weges von Victoria 
nach Buca, als einem der bedentendsten Dörfer, ge- 
plant und in Angriff genommen worden. Da Ar- 
beitskräfte in genügender Zahl zur Verfügung gestellt 
werden können, so hofft der Gouverneur, daß die 
Fertigstellung des Weges in nicht zu ferner Zeit 
erreicht werden könne. 
Aus Südwestafrika. 
Den Berichten des Premierlientenants v. Bülow 
über seine in Gemeinschaft mit einer Expedition der 
South-West-Africa Company im November und De- 
zember v. Is. in das Otavigebiet ausgeführte Reise 
entnehmen wir Folgendes:
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.