Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

— 314 
Ueber einige Aufgaben der medizinischen Forschung 
in den Tropen. 
Von Dr. Friedrich Plehn, 
Kaiserlichem Regierungsarzt in Kamernn. 
(Sonderabdruck aus der Berliner klin. Wochenschrist 1893, Nr. 25.) 
Durch die Verbindung des neu eröffneten Kran- 
kenhauses in Kamerm mit einer meteorologischen 
Station und einem bakteriologischen Laboratorium 
ist seitens der Kolonial -Abtheilung des Koaiserlichen 
Answärligen Amtes der erste Schritt gethan zur 
Ermöglichung wissenschaftlicher Forschung auf dem 
Gebiele der Pathologie unserer tropischen Kolonien. 
In liberalster Weise ist gleichzeitig die Bereithaltung 
der Mittel vorgesehen worden, welche die Fortfüh= 
rung der beginnenden Arbeit auch für die fernere 
Zukunft gewährleistet. Mit der Wahrnehmmg der 
Funktionen des Regierungsarztes in Kamerun betraut, 
erscheint es mir gerechtfertigt, einigen kurzen Be- 
trachtungen über die dem Arzt in den Kolonien er- 
wachsenden Ausgaben Ausdruck zu geben und damit 
zunächst mir selbst eine Art von Richtschnur zu be- 
zeichnen, deren stetes Im-Auge-behalten noch am 
ehesten eine Förderung der Wissenschaft innerhalb 
der gesleckten Grenzen erhoffen läßt bei dem Miß- 
verhältniß zwischen der Fülle des der Bearbeitung 
harrenden Stoffes und der Leistungsfähigkeit des 
Einzelnen unter so mannigsach die Arbeit erschweren- 
den Umständen, wie sie die ärztliche Thätigkeit in 
einer tropischen Ficbergegend mit sich bringt. Bisher 
mußte sich bei dem Mangel geeigncler Institute in 
den Tropen selbst die wissenschaftliche Erforschung 
der Pathologie der Tropen, soweit dabei die Thätig- 
keit dentscher Aerzte in Betracht kam, auf die Ver- 
werthung vereinzelter Patienten beschränken, welche, 
mit Leiden behaftet, die sie in den Tropen erworben, 
in die enropäische Heimath zurückgekehrt waren. So 
handelte es sich denn fast stets um veraltete, aus der 
natürlichen Umgebung ihres Entstehens herausgerissene 
Krankheilsbilder, sehr häufig um bereits vorgerückte 
Krankheitsstadien, welche lediglich an sich beurtheilt 
werden mußten. Von stlatislischen Erhebungen zur 
Beurtheilung der in Betracht kommenden Tropen- 
gegend konnie unter diesen Umständen ebenso wenig 
die Rede sein wie von einer Heranziehung der 
klimakologischen oder sonstigen speziellen hygienischen 
Verhältnisse in ihrer Beziehung zu den beobachteten 
Krankheitsprozessen. Die Thätigkeit des Arztes in 
den Kolonien selbst war nothwendigerweise ausschließ- 
lich praltischer Art, halte häufig genug mit eigentlich 
ärztlicher Thätigkeit überhaupt nicht allzu viel zu 
schaffen, Expeditionen, Märsche und kriegerische Unter- 
nehmungen ließen denselben nur vorübergehend an 
einer Stelle, und auch da, wo die Stationirung 
länger dauerte und die Muße vorhanden war, fehlte 
in den äußeren Verhältnissen fast jede Möglichkeit 
zu wissenschaftlicher Ausbeutung des vorhandenen 
pathologischen Materials nach den in den Klinilen 
der Heimath geltenden Grundsätzen. Mangelte es 
  
doch in den allermeisten Fällen schon an der ersten 
und unerläßlichsten Vorbedingung, einem Krankenhaus 
zu klinischer Beobachtung und Ueberwachung der 
mannigsachen Krankheitsbilder. Unter solchen Um- 
ständen war eine Bereicherung unserer Kenntnisse 
auf dem Gebiete der Tropenpathologie nur innerhalb 
der Grenzen der Empirie möglich, und daß innerhalb 
dieser in der That seit dem Beginn der kolonialen 
Aera Erkleckliches von deutscher Seite geleistet worden, 
verdanken wir dem opferfreudigen rastlosen Fleiße 
einer Reihe von Tropenärzten, von denen hier nur 
Einzelne, wie Schellong, Kohlstock, Falkenstein, 
Fisch, angeführt seien. Freilich bringt die Art des 
empirischen Vorgehens an sich wie auf jedem Ge- 
biete, so auch auf dem der tropischen Pathologie 
als nothwendige Folge mit sich, daß die Resultate 
der Beobachtungen sowohl, als der auf sie gegrün- 
deten Schlußfolgerungen im Einzelnen erheblich von- 
einander abweichen, und das um so mehr, als mit 
demselben häufig das Bestreben sich verbindet, diese 
Schlußfolgerungen über den Bereich des eigenen 
Beobachtungskreises hinaus zu verallgemeinern. Und 
so ist denn in der That die Pathologie der Tropen 
immer noch eines der dunkelsten Gebiete der Medizin. 
Auch sernerhin, wo die äußeren Verhältnisse sich für 
eine mehr wissenschaftliche Forschung in unseren Ko- 
lonien an verschiedenen Punkten wesentlich günstiger 
gestaltet haben, wird der Schwerpunkt der ärzklichen 
Thätigkeit daselbst in der Ausübung der Praxis 
liegen, solange an eine Arbeitstheilung nicht gedacht 
werden kann, und nirgends wird bei der außer- 
ordenklich großen Zahl der auf rein ärztlichem Ge- 
biete an ihn gestellten praktischen Ausgaben der ledig- 
lich im Laboratorium theoretisch für seine Thätigkeit 
vorbereitete Arzt größere Enttäunschungen zu erwarten 
haben als gerade in den Tropen. Den nächstliegen- 
den mannigsachen praktischen Bedürfnissen der seiner 
Sorge anvertrauten Kolonialbevölkerung Genüge zu 
thun, wird auch fernerhin in erster Linie seine Auf- 
gabe sein, erst in zweiter Linie kommt für ihn die 
mehr theoretische Arbeit im Laboratorium in Betracht. 
Und auch diese hat in erster Linie an Dinge anzu- 
knüpfen, deren wissenschaftliche Verfolgung in möglichst 
direkter Weise Verwerthbarkeit in der Praxis zum 
Nutzen der Kranken erwarten läßt. Insofern ist ein 
möglichst inniges Ineinandergreifen der praktisch ärzt- 
lichen und der wissenschaftlichen Thätigkeit anzustreben. 
In der That ist die Zahl der Aufgaben nicht ge- 
ring, welche durch Vereinigung beider unmittelbaren 
Nuben für beide erhoffen läßt. Beherrscht wird die 
Pathologie der Tropen durch die unter mannigfachen 
Bildern auftretenden Klimafieber, welche wir einst- 
weilen als Malaria zusammenfassen. Die Kenntniß 
der eine Anzahl dieser Fiebersormen hervorrufenden 
Parasiten giebt uns reichliche Anhaltspunkte zur 
direkten Bekämpfung der Krankheit. Ein werthvoller 
Anhalt ist schon für die Diagnose gewonnen, welche 
bei der großen Mannigfaltigkeit der klinischen Er- 
scheinungen früher nicht in jedem Falle mit völliger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.