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Ueber einige Aufgaben der medizinischen Forschung
in den Tropen.
Von Dr. Friedrich Plehn,
Kaiserlichem Regierungsarzt in Kamernn.
(Sonderabdruck aus der Berliner klin. Wochenschrist 1893, Nr. 25.)
Durch die Verbindung des neu eröffneten Kran-
kenhauses in Kamerm mit einer meteorologischen
Station und einem bakteriologischen Laboratorium
ist seitens der Kolonial -Abtheilung des Koaiserlichen
Answärligen Amtes der erste Schritt gethan zur
Ermöglichung wissenschaftlicher Forschung auf dem
Gebiele der Pathologie unserer tropischen Kolonien.
In liberalster Weise ist gleichzeitig die Bereithaltung
der Mittel vorgesehen worden, welche die Fortfüh=
rung der beginnenden Arbeit auch für die fernere
Zukunft gewährleistet. Mit der Wahrnehmmg der
Funktionen des Regierungsarztes in Kamerun betraut,
erscheint es mir gerechtfertigt, einigen kurzen Be-
trachtungen über die dem Arzt in den Kolonien er-
wachsenden Ausgaben Ausdruck zu geben und damit
zunächst mir selbst eine Art von Richtschnur zu be-
zeichnen, deren stetes Im-Auge-behalten noch am
ehesten eine Förderung der Wissenschaft innerhalb
der gesleckten Grenzen erhoffen läßt bei dem Miß-
verhältniß zwischen der Fülle des der Bearbeitung
harrenden Stoffes und der Leistungsfähigkeit des
Einzelnen unter so mannigsach die Arbeit erschweren-
den Umständen, wie sie die ärztliche Thätigkeit in
einer tropischen Ficbergegend mit sich bringt. Bisher
mußte sich bei dem Mangel geeigncler Institute in
den Tropen selbst die wissenschaftliche Erforschung
der Pathologie der Tropen, soweit dabei die Thätig-
keit dentscher Aerzte in Betracht kam, auf die Ver-
werthung vereinzelter Patienten beschränken, welche,
mit Leiden behaftet, die sie in den Tropen erworben,
in die enropäische Heimath zurückgekehrt waren. So
handelte es sich denn fast stets um veraltete, aus der
natürlichen Umgebung ihres Entstehens herausgerissene
Krankheilsbilder, sehr häufig um bereits vorgerückte
Krankheitsstadien, welche lediglich an sich beurtheilt
werden mußten. Von stlatislischen Erhebungen zur
Beurtheilung der in Betracht kommenden Tropen-
gegend konnie unter diesen Umständen ebenso wenig
die Rede sein wie von einer Heranziehung der
klimakologischen oder sonstigen speziellen hygienischen
Verhältnisse in ihrer Beziehung zu den beobachteten
Krankheitsprozessen. Die Thätigkeit des Arztes in
den Kolonien selbst war nothwendigerweise ausschließ-
lich praltischer Art, halte häufig genug mit eigentlich
ärztlicher Thätigkeit überhaupt nicht allzu viel zu
schaffen, Expeditionen, Märsche und kriegerische Unter-
nehmungen ließen denselben nur vorübergehend an
einer Stelle, und auch da, wo die Stationirung
länger dauerte und die Muße vorhanden war, fehlte
in den äußeren Verhältnissen fast jede Möglichkeit
zu wissenschaftlicher Ausbeutung des vorhandenen
pathologischen Materials nach den in den Klinilen
der Heimath geltenden Grundsätzen. Mangelte es
doch in den allermeisten Fällen schon an der ersten
und unerläßlichsten Vorbedingung, einem Krankenhaus
zu klinischer Beobachtung und Ueberwachung der
mannigsachen Krankheitsbilder. Unter solchen Um-
ständen war eine Bereicherung unserer Kenntnisse
auf dem Gebiete der Tropenpathologie nur innerhalb
der Grenzen der Empirie möglich, und daß innerhalb
dieser in der That seit dem Beginn der kolonialen
Aera Erkleckliches von deutscher Seite geleistet worden,
verdanken wir dem opferfreudigen rastlosen Fleiße
einer Reihe von Tropenärzten, von denen hier nur
Einzelne, wie Schellong, Kohlstock, Falkenstein,
Fisch, angeführt seien. Freilich bringt die Art des
empirischen Vorgehens an sich wie auf jedem Ge-
biete, so auch auf dem der tropischen Pathologie
als nothwendige Folge mit sich, daß die Resultate
der Beobachtungen sowohl, als der auf sie gegrün-
deten Schlußfolgerungen im Einzelnen erheblich von-
einander abweichen, und das um so mehr, als mit
demselben häufig das Bestreben sich verbindet, diese
Schlußfolgerungen über den Bereich des eigenen
Beobachtungskreises hinaus zu verallgemeinern. Und
so ist denn in der That die Pathologie der Tropen
immer noch eines der dunkelsten Gebiete der Medizin.
Auch sernerhin, wo die äußeren Verhältnisse sich für
eine mehr wissenschaftliche Forschung in unseren Ko-
lonien an verschiedenen Punkten wesentlich günstiger
gestaltet haben, wird der Schwerpunkt der ärzklichen
Thätigkeit daselbst in der Ausübung der Praxis
liegen, solange an eine Arbeitstheilung nicht gedacht
werden kann, und nirgends wird bei der außer-
ordenklich großen Zahl der auf rein ärztlichem Ge-
biete an ihn gestellten praktischen Ausgaben der ledig-
lich im Laboratorium theoretisch für seine Thätigkeit
vorbereitete Arzt größere Enttäunschungen zu erwarten
haben als gerade in den Tropen. Den nächstliegen-
den mannigsachen praktischen Bedürfnissen der seiner
Sorge anvertrauten Kolonialbevölkerung Genüge zu
thun, wird auch fernerhin in erster Linie seine Auf-
gabe sein, erst in zweiter Linie kommt für ihn die
mehr theoretische Arbeit im Laboratorium in Betracht.
Und auch diese hat in erster Linie an Dinge anzu-
knüpfen, deren wissenschaftliche Verfolgung in möglichst
direkter Weise Verwerthbarkeit in der Praxis zum
Nutzen der Kranken erwarten läßt. Insofern ist ein
möglichst inniges Ineinandergreifen der praktisch ärzt-
lichen und der wissenschaftlichen Thätigkeit anzustreben.
In der That ist die Zahl der Aufgaben nicht ge-
ring, welche durch Vereinigung beider unmittelbaren
Nuben für beide erhoffen läßt. Beherrscht wird die
Pathologie der Tropen durch die unter mannigfachen
Bildern auftretenden Klimafieber, welche wir einst-
weilen als Malaria zusammenfassen. Die Kenntniß
der eine Anzahl dieser Fiebersormen hervorrufenden
Parasiten giebt uns reichliche Anhaltspunkte zur
direkten Bekämpfung der Krankheit. Ein werthvoller
Anhalt ist schon für die Diagnose gewonnen, welche
bei der großen Mannigfaltigkeit der klinischen Er-
scheinungen früher nicht in jedem Falle mit völliger