Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

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Zu A. 
Bei den Eingeborenen in Afrika, und wahrscheinlich auch in Anstralien, haften die eigentlichen 
geographischen Namen in den allermeisten Fällen nicht an den jeweiligen menschlichen Niederlassungen 
(Hof, Dorf, Stadt), noch an Flüssen und Bergen, sondern vielmehr an den einzelnen, meist nicht sehr großen 
Gemarkungen (Wasser-, Weide-, Acker-, Fischerei-, Jagdplätzen), gleichviel ob sie augenblicklich bewohnt 
oder unbewohnt sind. · s 
Für die Anschauungsweise der Eingeborenen zerfällt das ganze Land in solche einzelne Gemarkungen, 
die mehr oder weniger durch allerlei Unterschiede des Geländes voneinander abgetrennt sind. Dorf, 
Fluß, Berg, Wald, Feld wird dann nach der einzelnen Gemarkung, die berührt wird. benannt: Dorf von 
N. N., Berg von N. N., Fluß von N. N. 2c. 
Daneben werden einzelne leicht erkenntliche Malstätten: Gräber, große, alte Bäume, Zauber= und 
Opferstätten, besonders benannt, gewöhnlich nimmt dann aber die betreffende Gemarkung ihren Namen nach 
einer solchen Malstätte an. 
" DiessinddieeigentlichengeogtaphischenNamen,hiesichimLaufederZeitvorausfichtlichnnr 
wenig veründern. Es ist alle Mühe auf Erkundung dieser Namen zu verwenden. 
, Allerdings ist vorauszusetzen, daß diese Namen wesentlich nur der ortsangesessenen oder in der 
betreffenden Gegend beständig herumwandernden oder jagenden Bevölkerung im Einzelnen mit allen Details 
genau bekannt sind. 
Es ist wahrscheinlich, daß gerade diese eigentlichen Namen für gewöhnlich nur wenig und am aller- 
wenigsten dem Fremden gegenüber gebraucht werden. 
Beim gewöhnlichen Gebrauch treten andere (freilich oft rasch wechselnde) Bezeichnungen ein. 
Man bezeichnet den Ort nach einem im Augenblick gerade zufällig hervortretenden Merkmal, nach einem 
zur Zeit gerade viel besprochenen Vorfall, nach einem augenblicklich dort wohnenden Menschen, dem 
Fürsten, dessen Vater, Großvater 2c. 2c. 
Die Namen dieser zweiten Art find zwar im gegebenen Augenblick häufig gebraucht und deshalb 
für den augenblicklichen Verkehr wichtig. Der Reisende darf also nicht unterlassen, sie anzugeben. 
Aber es ist nie zu vergessen, daß diese Art Namen der Mode unterworfen sind und unter Um- 
ständen rasch wechseln. Wenn ein Fürst stirbt, so kommt mit dem Nachfolger auch ein anderer moderner 
Name für die Oertlichkeit; verzieht der Fürst, so zieht der Name der Stadt mit ihm an einen anderen 
Ort. Neue Ereignisse bringen neue Namen, und dem Reisenden, der nach einigen Jahren die Route eines 
Vorgängers zu verfolgen sucht, wird es schwer, dieselben zu finden, wenn dieser nur die im Augenblick 
gerade modernen Namen verzeichnet hat. 
Sind dagegen die oben erwähnten alten, wirklichen Namen der Gemarkungen ausgezeichnet, so wird 
der Nachfolger auch nach 50 und 100 Jahren leicht feststellen können, wo sein Vorgänger durchgezogen ist 
und gelagert hat. 
Außerdem mag daran erinnert werden, daß in Gegenden, wo Leute verschiedener Nationen und 
Sprachen viel verkehren, wenigslens die Hauptorte von jeder Nation anders benannt werden. Manchmal 
mag das eine nur die Uebersetzung des anderen sein. In vielen Fällen sind die Namen durchaus ver- 
schieden. Es wird gut sein, wenn der Reisende sich nicht damit begnügt, nur einen Namen außzuschreiben, 
etwa den, den ihm sein Dolmetscher zunächst angiebt. Es wird dies in vielen Fällen gerade nicht der 
Name sein, den die ortsangesessene Bevölkerung dem Orte dauernd oder zeitweilig beilegt. Sondem 
der Reisende möge erkunden, wie jedes der einzelnen Völker, die an der Stelle wohnen oder dort häufiger 
verkehren, den Ort benennt. Dabei ist aber immer wieder auf den Unterschied der dauernden und der 
augenblicklich modernen Namen zu achten. 
Es ist deshalb wichtig, zu verzeichnen, von wem man den betreffenden Namen gehört hat und was 
für eine Art Mensch dieser Gewährsmann ist. Wenn der Reisende auch im Anfange nicht sogleich ermitteln 
könnte, von welcher Art der Name ist, den er zuerst hört, so wird sich doch später, wenn er oder ein 
Anderer einen anderen Namen für denselben Ort hört, aus der Art der betreffenden Gewährsmänner allmählich 
ergeben, welcher Werth den einzelnen Benennungen beizulegen ist. 
Flüsse, Bäche, Seen u. dergl. haben meist keine eigentlichen Namen. Die Eingeborenen antworten, 
wenn sie nach dem Namen von Gewässern gefragt werden, entweder 1. mit ganz allgemeinen Ausdrücken: 
Wasser, Strom, Teich, See, Rauschen, Wellen, Wasserspiegel, naß, tief, kalt u. dergl.; je weniger der Reisende 
der Sprache, in welcher gefragt wird, mächtig ist, desto kurioser ist die Auskunft, die er erhält; 
oder 2. mit dem Namen der Gemarkung am Wasser, auf der der Reisende sich befindet oder 
auf die er hinweist. 
" Will man Genaueres über die Flußläufe erfahren, so muß man fragen, aus welchen Gemarkungen 
sie kommen und in welche sie weiter hineinfließen. Man wird dann meist richtige und ausführliche Aus- 
kunft erhalten.
	        
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