Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

ziemlich trocken und daher die günstigsten waren. 
Weil wir nun leider hier alles mit Waaren kaufen 
müssen, die immer von dem Verkäuser ausgelesen 
werden, so ging manche Stunde mit Einkaufen und 
Auszahlen hin. Es galt vor Allem, die Landespreise 
für Lebensmittel, Dachmatten u. s. w. herauszufinden, 
denn verrathen thut die kein Neger. Er lügt, wenn 
man ihn darüber fragt, so dreist, daß man es mit 
Händen greisen kann, und schwört dazu mit solch 
ernster Miene, daß der Unkundige sich leicht täuschen 
läßt. So fragte ich einmal nach dem Preis von 
Jams; da sagten mehrere einstimmig und verschworen 
sich dabei: „Jeder Jamsknollen ½ Kru (6 Mark)“, 
obwohl der wirkliche Preis für 15 Stück ein Bar 
(etwa 50 Pfg.) ist. Hat man zufällig von ihnen 
selbst oder auch von fremden Händlern die richtigen 
Preise erfahren und zahlt fortan nicht mehr als 
jeder Schwarze, dann giebt es oft einen kleinen 
Streik, wo keiner mehr etwas bringt, und wer etwas 
bringen will, abgehalten wird. Sehen sie aber, daß 
man es ohne sie machen kann, indem man sich seine 
Sachen von weiter her holen läßt, dann ist alles 
bald wieder gut. Es heißt dann höchstens beim 
Einkaufen: „Du bist kein Europäer, du bist ein 
Schwarzer.“ „Du hast einen argen Hals“ (bist 
geizig). Freilich einen kleinen Handel giebt es immer 
noch, selbst beim Einkausen jedes Huhnes und jedes 
Eies. Es versucht Jeder seine Kunst, ob er nicht 
den Weißen dran kriegen und „den Europäerpreis 
essen“ kann. Der Europäer ist ja nach seiner An- 
sicht reich, und wer wäre ein solcher Thor und 
würde den nicht aussangen! 
Am 4. Juni, Samstag vor dem Pfingstfest, 
konnten wir das Haus — obwohl noch nicht ganz 
sertig — beziehen. Ich werde jenen Tag nicht so 
schnell wieder vergessen und die Gefühle, mit denen 
wir das neue Haus betraten. Es war mir zu 
Muthe wie einem Vogel, dem man nach langer Ge- 
sangenschaft die Freiheit wieder schenkt. Die vier 
Monate in der Buschhütte waren Tage der Ent- 
chehrung in besonderem Sinne. Alles ging vor 
Staub und Schmuß zu Grunde, denn beständig fiel 
allerlei Unrath vom Mattendach, i in dem Mäuse u. s. w. 
nisteten, herunter. Kam ein Gevwitter, so nahm der 
Sturm die Matten in die Höhe, ja trieb welche 
sort, und mehr als einmal konnte man eine unfrei- 
willige Douche bekommen. Dabei hatten wir nichts 
Verschließbares als zwei kleine Zimmer, in denen 
alle unsere Habseligleiten, sowie die Waaren zum 
Einkaufen und Zahlen, Reis und Salzfische für die 
Arbeiter waren. Ueber Kisten hinweg mußte man 
ins Bekt steigen. Im neuen Hause nun war das 
alles anders; große, schöne, saubere Zimmer, eine 
schöne Veranda ums Haus herum; statt wie früher 
rings um die Hütte Busch, der schöne Fluß zu 
unseren Füßen, der so ruhig und doch so gewaltig 
daherströmt. Man kann die Blicke stundenweit fluf- 
auf und abwärts schweifen lassen und sich an der 
großartigen Vegetation zu beiden Seiten des Flusses 
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— 
nicht satt sehen. Vor uns, mitten im Fluß, liegt 
eine schöne, große, mit Palmen übersäete Insel, in 
deren Bäumen Schaaren von Papageien kreischen. 
Nachmittags weht eine angenehme Seebrise. Wie 
war das Alles nach viermonatlicher Einschränkung 
und Entbehrung so köstlich: „Pfingsten, das liebliche 
Fest, war gekommen“, so durften wir auch in äußerer 
Hinsicht sagen. 
Die Lage unseres Hauses ist eine sehr schöne und 
äußerst günstige und wird von Weiß und Schwarz 
als solche gerühmt. Unser Platz ist nach Ost und 
West von dichtem Busch begrenzt, was allerdings 
weniger angenehm ist, da wir dadurch beständig von 
unglaublich vielen Schlangen aller Art und Größe 
heimgesucht sind, die namentlich unserm Geflügel sehr 
zusetzen. Fast jede Woche einige Mal giebt es ein 
Halloh; alles springt mit Buschmessern und Stecken: 
„Ein langes Thier, ein langes Thier!“ (so nennen 
sie die Schlangen), und bald schleifen sie dos todte 
Thier daher. Jeder will ihr natürlich zuerst eins 
versetzt haben, und so giebt es gewöhnlich einen 
ordentlichen Lärm. Ist nun das Opfer eine Riesen- 
schlange, dann giebt es vielleicht beim Vertheilen der 
Beute noch einen größeren Lärm, denn Jeder will, 
da es ein Leckerbissen sein soll, das größte Stück haben. 
Obwohl das Bauen, besonders im Aufang, 
namentlich auch durch die zeitraubenden Einkäufe 
und die Auszahlung mit Waaren, mehr als einen 
Mann in Anspruch nahm, und die Sorge ums täg- 
liche Brot und manches Andere ihre Forderung 
stellte, so dursten wir die Missionsarbeit doch nicht 
liegen lassen, denn das Feld war reif zur Ernte, 
ganz besonders in Mulimba, auf das zunächst 
unser Hauptangenmerk gerichtet war. Die Leute 
kamen selbst wicderholt und balen, man möchte doch 
zu ihnen kommen und ihnen Lehrer geben. Ueber- 
sprang ich einmal auf der Reise ein Dorf, weil die 
Zeit nicht mehr reichle, oder kam ich an den einen 
Plaß öfter als an den andern, oder fand gar die 
Bitte der einen Stadt um einen Lehrer eher Ge- 
hör als die einer andern, so mußte ich oft Vorwürfe 
hören, wie namentlich den: „Du liebst jene, uns 
aber liebst Du nicht;“ „Wir haben doch mehr Leute 
als jene; unsere Stadt ist auch schöner als jene; 
unser Verlangen nach der Mission ist größer als das 
jener; warum komunst Du nicht zu uns? Wem ge- 
hören denn wir? Gehören wir nicht Dir, wie jene 
auchy Sind wir nicht Deine Kinder?“ u. s. w. 
„Wenn Du uns heute sagst, wir bekommen einen 
Lehrer, dann bauen wir sofort ein Haus und eine 
Kapelle. Du wirst sehen, daß wir Kraft haben und 
die Anderen übertreffen.“ Freilich, wenn es dann 
wirklich an den Bau ging, konnte man nur in 
den ersien Tagen den Baueifer sehen. Wie alle 
Mulimbaleute waren eben auch sie saul und saum- 
selig im Bauen, und es bedurfte mancher Standrede 
und mancher Appellation an ihr Schamgefühl, bis 
endlich das schon lange angesangene Haus seiner 
Vollendung entgegenschaute.
	        
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