Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

anzuschließen. Allmählich sehen auch manche Eltern 
ein, wie glücklich unsere Kinder sind nach jeder Rich- 
tung hin; daß sie, statt zu sterben, zusehends gedeihen; 
daß ihre Wunden und Krankheiten bald heilen u. s. w. 
Da übergeben sie uns ihre Söhne, damit wir sie 
zum christlichen Leben erziehen möchten. Wir haben 
jetzt nahezu hunderk dieser Kinder; die meisten waren 
ohne Familie, ohne Stütze, dem Elend und dem Ver- 
derben preisgegeben. Unsere Aufgabe ihnen gegen- 
über ist eine ziemlich tröstliche und fruchtbringende; 
denn bei ihnen stößt man nicht auf jene unerhörten 
Schwierigkeiten, welche sich uns bei den Erwachsenen 
hierselbst in Allem, was sich auf Religon und Er- 
ziehung im Allgemeinen bezieht, entgegenstellen. Gänz= 
lich gekrennt von den anderen Eingeborenen und ihren 
Familien, stehen sie unter unserer vollen Botmäßig- 
keit, die uns erlaubt, alle nöthigen Mittel zu ge- 
brauchen, deren man bedarf, um sie in wahrhaft 
christlicher Weise heranzubilden. Uebrigens fühlen 
sich diese Kinder bei uns auch selbst ganz glücklich; 
sie leben unter milden Regeln, die ihren Bedürfnissen 
angemessen sind. Die Zeit ist eingetheilt zwischen 
Religions= und sonstigem Unterricht, Handarbeiten 
und Erholungen. Darum kennen unsere Kleinen auch 
kaum die böse Langweile. Einige fühlten anfänglich 
eine Art Heimweh und sehnten sich seufzend nach 
dem Walde zurück; nach einigen Monaten ist aber 
Alles überstanden, und sie sind dann gründlich ein- 
gewöhnt. Bei mehreren genügt es, um ihr Betragen 
zu bessern, daß man ihnen droht, man werde sie 
wieder in ihre Wälder zurückschicken. Ueberhaupt 
legen sie eine für Kanachen bemerkenswerthe Will- 
fährigkeit an den Tag, sie, die bis dahin keine Zügel 
kannten. Sie lernen rasch lesen, schreiben und singen; 
besonders gerne aber wohnen sie dem chrsstlichen 
Unterricht bei. Hierin besteht in Bezug auf diese 
Kinder unser Trost für die Gegenwart und unsere 
Hoffnung für die Zukunft. Wir freuen uns selber 
recht innig, wenn wir sie sich vorbereiten sehen auf 
die heilige Taufe und ihre erste heilige Kommunion. 
Das sind dann auch für uns schöne Feste, welche 
uns das Leben versüßen und uns inmitten der Ent- 
behrungen und Schwierigkeiten aller Art, in denen 
wir leben müssen, mit neuem Muthe erfüllen. 
Auf der Station werden auch Familienfeste ge- 
feiert. Ueber den Namenstag des Direktors wird 
heschrieben: 
Lange vorher hatten sie sich darauf vorbereitet 
und, eine Abwesenheit des Paters benutend, ihr 
Haus mit Blumen, Zweigen und Standarten ge- 
schmückt, ganz nach ihrem Geschmack. Am Morgen 
des Tages kündele ein Minialur-Kleingewehrseuer das 
Fest des heiligen Philibert an: ta Philiberto 
atakocoo. Dann trat einer unter ihnen vor, um in 
bilderreicher Sprache die Gefühle der Dankbarkeit 
und die Wünsche der braven Truppe zum Ausdruck 
zu bringen. Ihm zur Seite stellte sich ein reizender 
Pag#e dar, mit Goldverbrämungen auf allen Nähten, 
und übergab einen Blumenstrauß; ein dritter als 
  
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himmlischer Sendbote gekleidet, reichte auf einer 
Silberplatte Papierrollen dar, auf welche unsere 
„Litteraten“ ihre eigenen stillen Wünsche geschrieben 
atten. . . .« 
Der Pater Direltor war nicht wenig überrascht 
über diese kindlichen offenherzigen Worte all dieser 
theuren Kleinen. Einer bat ihn, er möge ihm so 
gut sein wie bisher. Ein anderer flehte ihn an, er 
möge ihn in den Wald schicken, um — für sein Fest 
eine große Fledermaus zu tödten; derselbe wünschte 
ihm auch, daß er noch tausend und abermals tausend 
Jahre leben möge. 
Schön sind die Worte, mit denen die getauften 
Heidenkinder ihrem Lehrer danken: „Wir lebten wie 
wilde Thiere, Du hast uns umgewandelt; Du gabst 
uns ein Herz und unserer Seele das Leben.“ 
  
Aus fremden Kolonien. 
Der deutsche Pandel in Madagaskar. 
Wie die belgische Zeilschrift „Le Mouvement 
géographique“ mittheilt, hat der Generalresident 
von Frankreich in Tananarivo jüngst die Aufmerk- 
samkeit seiner Landsleute auf die Entwickelung des 
deutschen Handels in Madagaskar hingelenkt. Be- 
sonders eine Hamburger Firma — vermuthlich W. 
O'Swald & Co. — sei, wie der Generalresident 
hervorhebt, in der glücklichen Lage, ihre Handels- 
beziehungen von Tag zu Tag weiter ausdehnen zu 
können und besonders die Produltenausfuhr aus der 
großen Insel immer mehr au sich zu ziehen. Wäh- 
rend eines Jahres habe sie den Handel mit Kaut- 
schuk, aus den neuentdeckten Kautschukwäldern im 
Südwesten der Insel, fast ganz monopolisirt und 
hierdurch einen reichen Gewinn erzielt. Es sei dies 
auf den Umstand zurückzuführen, daß die vorerwähnte 
Firma don vornherein die Bedeutung dieses Pro- 
dukles für den Welthandel erkannt und den aus- 
gesprengten Gerlüchten über den geringen Werth 
dieser Waare keinen Glauben geschenkt habe 
  
Die italienische Rolonie Massaua. « 
Wie der „Corriero di Napoli“ meldet, hat 
sich der bekannte italienische Kolonialpolitiker Baron 
Franchetti am 25.Oktober d. Is. im Hafen von Neapel 
auf dem Dampfer „Po“ nach der Kolonie Massaua 
eingeschifft, um neun italienische Bauernfamilien, im 
Ganzen 60 Seelen umfassend, als Ansiedler nach 
Godofelassi zu geleiten. 
Eine jede Familie, von denen sieben aus der 
Lombardei und zwei aus Sizilien stammen sollen, 
erhält nach dem „Corriere“ 20 Hektar Ackerboden. 
Die Regierung trägt die entstehenden Reisekosten und 
liefert den Ansiedlern die nöthigen Sämereien, sowie 
auch den Lebensunterhalt während des ersten Jahres.
	        
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