Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Im Januar und Februar d. Js. hat der Gouver- 
neur Freiherr v. Schele eine Informationsreise nach 
Mpwapwa und Kilossa unternommen. In dem über 
diese Expedition erstatteten Bericht äußert Herr 
v. Schele die Ansicht, daß die Stationskette 
Mpwapwa— Kisaki das allein richtige und noch auf 
längere Zeit hinaus nöthige Schutzmittel gegen die 
Einfälle der Wahehe sei. Sobald hierzu verfügbare 
Mittel vorhanden sind, beabsichtigt der Gouverneur, 
auch das Einfallsthor in das zwischen Kikondo und 
dem Rlugura-Gebirge gelegene Thal durch Anlage 
einer Station zu schließen. Ueber die Haltung der 
Truppen und die militärische Organisation auf den 
Stationen spricht sich Herr v. Schele in sehr aner- 
kennender Weise aus. Er hebt jedoch in seinem 
Bericht hervor, daß für das im Interesse einer ge- 
deihlichen Wirksamkeit unumgängliche Wohlbefinden 
der an der Grenze von Uhehe stationirten weißen 
HOffiziere und Unteroffiziere und die Unterkunft der 
Soldaten bisher, selbst bei bescheidensten Ansprüchen, 
in ganz unzureichender Weise gesorgt gewesen sei. 
So fehlt z. B. in dem Stationshaufe zu Kisaki 
jeglicher Schutz für Thür= und Fensteröffnungen, was 
bei den starken Bergwinden schwere Gefährdungen 
der Gesundheit mit sich bringt. Die Unteroffiziere 
wohnen in einer Hütte im Stationshof, die Soldaten 
in Hütten außerhalb der Umfassungsmaner. Der 
von der Expedition durchzogene Theil von Usaramo 
machte auf den Oberst v. Schele den Eindruck eines 
wenig fruchtbaren Landes, welches noch besonders in 
diesem Jahre durch Wassermangel und Nahrungs- 
noth zu leiden hatte. In Ukami beginnt, wie Herr 
v. Schele berichtet, die Gegend etwas bevölkerter zu 
werden, wirklich fruchibar und reich wird sie erst, 
nachdem man über den Nordrand der Rluguraberge 
das Thal von Kikundi erreicht hat. Dieses Thal ist 
im Osten, Süden und Westen von mehr oder minder 
bedeutenden Bergen begrenzt, nach Norden zu ziemlich 
offen. Die Bevölkerung wird auf etwa 4000 Seelen 
geschätzt. Von Kikundi gelangt man über einen Ge- 
birgspaß in das Thal von Morogoro, welches eben- 
falls von großer Fruchtbarkeit ist und eine zahlreiche 
Bevölkerung ernährt. In diesem Thal liegt eine 
Station der algerischen Mission. Die weißen Väter 
widmen sich in ihren Mußestunden wie in ihren 
meisten ostafrikanischen Stationen so auch hier mit 
Eifer und Geschick dem Anbau tropischer Nutzpflanzen. 
Der Gouverneur berichtet, daß die 300 bis 400 
Bäume umfassende Kaffeepflanzung der Missionare 
vorzüglich gedeiht und in der ersten Ernte bereits 
ein sehr wohlschmeckendes Produkt geliefert hat. Auch 
die Versuche mit der Anpflanzung von Vanille, 
HOrangen, Zimmetbäumen und Kokospalmen könnten 
als vollkommen gelungen betrachtet werden. Herr 
v. Schele berichtet dann weiter, daß die außer- 
ordentlich fruchtbare Gegend um Kondoa bei dem 
letzten erfolgreichen Einfall der Wahehe, welcher dem 
Lieutenant Brüning das Leben kostete, vollkommen 
verwüstet worden ist. Den Ort Kondoa selbst, 
  
welcher, nach den Trümmern zu urtheilen, auf eine 
frühere Einwohnerzahl von 2000 bis 3000 Seelen 
zu schätzen war, und alle Dörfer in weitem Um- 
kreise hat Freiherr v. Schele gänzlich zerstört vor- 
gefunden. Nur einige wenige kleine Kolonien hatten 
sich inzwischen in der Nähe wieder angesiedelt. Die 
größte Mehrzahl der ehemaligen Einwohner scheint nach 
der Küste oder in andere Gegenden ausgewandert zu 
sein, und viele Tausend Morgen ehemaliger Pflanzungen 
von größter Fruchtbarkeit sind jetzt verwildert. Auch 
die über Kondoa zur Küste führende Karawanen- 
straße ist wegen der Unsicherheit zeitweise ausgegeben 
worden. Alle Karawanen wählen jetzt die nördliche 
Route über Mpwapwa und Mlali. 
Wenn es auch, abgesehen von dem Vorfalle bei 
Kondoa, durch Anlage der oben genannten militä- 
rischen Stationen seither gelungen ist, den Einfällen 
der Wahehe einen Damm entgegenzusetzen, so wird 
doch zum Schutze der für die Kolonie so wichtigen 
Handelsstraße nach dem Seengebiet, und um einer 
weiteren Verwüstung und Entvölkerung der frucht- 
baren Landschaften Usagara und Ukami vorzubengen, 
eine nachdrückliche Züchtigung der räuberischen Masiti- 
stämme über kurz oder lang zur zwingenden Noth-- 
wendigkeit werden. Doch wird man an die Aus- 
führung dieser Aufgabe erst dann denken können, 
wenn in anderen Theilen der deutschen Interessen- 
sphäre wieder vollkommen geordnete Verhältnisse ein- 
getreten sind, die es ermöglichen, ihnen ihre Be- 
satzungen theilweise zu entziehen und eine größere 
Truppenmacht zusammenzuziehen. 
Tabora. 
In Tabora, dem wichtigsten Handelsplatz im 
Innern Deutsch-Ostafrikas und Knotenpunkt der 
Karawanenstraßen nach dem Viktoria= und Tan- 
ganyika. See hatten sich die politischen Verhältnisse 
im Laufe des vorigen Jahres immer ungünstiger 
gestaltet. Der Sultan Sikke von Unianjembe, 
dessen Machtgebiet im Westen bis zum Tanganyika 
und im Norden bis zum Nyassa-See sich erstreckt, 
hatte schon seit der Besetzung von Tabora sich den 
Deutschen gegenüber feindlich gezeigt und, im Ge- 
heimen unterstützt von den in Tabora anfässigen 
Arabern, dem Stationschef fortwährende Schwierig- 
keiten bereitet. War es auch dem Stationschef 
Siegel durch sein außerordentlich nachgiebiges Auf- 
treten noch gelungen, die Streitigkeiten auf friedlichem 
Wege beizulegen, so sah sich doch fein Nachfolger 
Dr. Schwesinger im Juni und August vorigen 
Jahres gezwungen, Sikke zu bekricgen. Die An- 
hriffe auf die unfern von Tabora belegene Festung 
(Boma) Sikkes, an denen sich auch eine Expedition 
der Antifklaverei= Gesellschaft unter Führung des 
Lieutenants Grafen v. Schweinitz betheiligte, hatten 
keinen durchschlagenden Erfolg erzielt, da Dr. Schwe- 
singer nur über eine sehr geringe Truppenmacht 
verfügte und die gänzliche Zerstörung der stark be- 
festigten Boma Sikkes nicht bewerkstelligt werden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.