Im Januar und Februar d. Js. hat der Gouver-
neur Freiherr v. Schele eine Informationsreise nach
Mpwapwa und Kilossa unternommen. In dem über
diese Expedition erstatteten Bericht äußert Herr
v. Schele die Ansicht, daß die Stationskette
Mpwapwa— Kisaki das allein richtige und noch auf
längere Zeit hinaus nöthige Schutzmittel gegen die
Einfälle der Wahehe sei. Sobald hierzu verfügbare
Mittel vorhanden sind, beabsichtigt der Gouverneur,
auch das Einfallsthor in das zwischen Kikondo und
dem Rlugura-Gebirge gelegene Thal durch Anlage
einer Station zu schließen. Ueber die Haltung der
Truppen und die militärische Organisation auf den
Stationen spricht sich Herr v. Schele in sehr aner-
kennender Weise aus. Er hebt jedoch in seinem
Bericht hervor, daß für das im Interesse einer ge-
deihlichen Wirksamkeit unumgängliche Wohlbefinden
der an der Grenze von Uhehe stationirten weißen
HOffiziere und Unteroffiziere und die Unterkunft der
Soldaten bisher, selbst bei bescheidensten Ansprüchen,
in ganz unzureichender Weise gesorgt gewesen sei.
So fehlt z. B. in dem Stationshaufe zu Kisaki
jeglicher Schutz für Thür= und Fensteröffnungen, was
bei den starken Bergwinden schwere Gefährdungen
der Gesundheit mit sich bringt. Die Unteroffiziere
wohnen in einer Hütte im Stationshof, die Soldaten
in Hütten außerhalb der Umfassungsmaner. Der
von der Expedition durchzogene Theil von Usaramo
machte auf den Oberst v. Schele den Eindruck eines
wenig fruchtbaren Landes, welches noch besonders in
diesem Jahre durch Wassermangel und Nahrungs-
noth zu leiden hatte. In Ukami beginnt, wie Herr
v. Schele berichtet, die Gegend etwas bevölkerter zu
werden, wirklich fruchibar und reich wird sie erst,
nachdem man über den Nordrand der Rluguraberge
das Thal von Kikundi erreicht hat. Dieses Thal ist
im Osten, Süden und Westen von mehr oder minder
bedeutenden Bergen begrenzt, nach Norden zu ziemlich
offen. Die Bevölkerung wird auf etwa 4000 Seelen
geschätzt. Von Kikundi gelangt man über einen Ge-
birgspaß in das Thal von Morogoro, welches eben-
falls von großer Fruchtbarkeit ist und eine zahlreiche
Bevölkerung ernährt. In diesem Thal liegt eine
Station der algerischen Mission. Die weißen Väter
widmen sich in ihren Mußestunden wie in ihren
meisten ostafrikanischen Stationen so auch hier mit
Eifer und Geschick dem Anbau tropischer Nutzpflanzen.
Der Gouverneur berichtet, daß die 300 bis 400
Bäume umfassende Kaffeepflanzung der Missionare
vorzüglich gedeiht und in der ersten Ernte bereits
ein sehr wohlschmeckendes Produkt geliefert hat. Auch
die Versuche mit der Anpflanzung von Vanille,
HOrangen, Zimmetbäumen und Kokospalmen könnten
als vollkommen gelungen betrachtet werden. Herr
v. Schele berichtet dann weiter, daß die außer-
ordentlich fruchtbare Gegend um Kondoa bei dem
letzten erfolgreichen Einfall der Wahehe, welcher dem
Lieutenant Brüning das Leben kostete, vollkommen
verwüstet worden ist. Den Ort Kondoa selbst,
welcher, nach den Trümmern zu urtheilen, auf eine
frühere Einwohnerzahl von 2000 bis 3000 Seelen
zu schätzen war, und alle Dörfer in weitem Um-
kreise hat Freiherr v. Schele gänzlich zerstört vor-
gefunden. Nur einige wenige kleine Kolonien hatten
sich inzwischen in der Nähe wieder angesiedelt. Die
größte Mehrzahl der ehemaligen Einwohner scheint nach
der Küste oder in andere Gegenden ausgewandert zu
sein, und viele Tausend Morgen ehemaliger Pflanzungen
von größter Fruchtbarkeit sind jetzt verwildert. Auch
die über Kondoa zur Küste führende Karawanen-
straße ist wegen der Unsicherheit zeitweise ausgegeben
worden. Alle Karawanen wählen jetzt die nördliche
Route über Mpwapwa und Mlali.
Wenn es auch, abgesehen von dem Vorfalle bei
Kondoa, durch Anlage der oben genannten militä-
rischen Stationen seither gelungen ist, den Einfällen
der Wahehe einen Damm entgegenzusetzen, so wird
doch zum Schutze der für die Kolonie so wichtigen
Handelsstraße nach dem Seengebiet, und um einer
weiteren Verwüstung und Entvölkerung der frucht-
baren Landschaften Usagara und Ukami vorzubengen,
eine nachdrückliche Züchtigung der räuberischen Masiti-
stämme über kurz oder lang zur zwingenden Noth--
wendigkeit werden. Doch wird man an die Aus-
führung dieser Aufgabe erst dann denken können,
wenn in anderen Theilen der deutschen Interessen-
sphäre wieder vollkommen geordnete Verhältnisse ein-
getreten sind, die es ermöglichen, ihnen ihre Be-
satzungen theilweise zu entziehen und eine größere
Truppenmacht zusammenzuziehen.
Tabora.
In Tabora, dem wichtigsten Handelsplatz im
Innern Deutsch-Ostafrikas und Knotenpunkt der
Karawanenstraßen nach dem Viktoria= und Tan-
ganyika. See hatten sich die politischen Verhältnisse
im Laufe des vorigen Jahres immer ungünstiger
gestaltet. Der Sultan Sikke von Unianjembe,
dessen Machtgebiet im Westen bis zum Tanganyika
und im Norden bis zum Nyassa-See sich erstreckt,
hatte schon seit der Besetzung von Tabora sich den
Deutschen gegenüber feindlich gezeigt und, im Ge-
heimen unterstützt von den in Tabora anfässigen
Arabern, dem Stationschef fortwährende Schwierig-
keiten bereitet. War es auch dem Stationschef
Siegel durch sein außerordentlich nachgiebiges Auf-
treten noch gelungen, die Streitigkeiten auf friedlichem
Wege beizulegen, so sah sich doch fein Nachfolger
Dr. Schwesinger im Juni und August vorigen
Jahres gezwungen, Sikke zu bekricgen. Die An-
hriffe auf die unfern von Tabora belegene Festung
(Boma) Sikkes, an denen sich auch eine Expedition
der Antifklaverei= Gesellschaft unter Führung des
Lieutenants Grafen v. Schweinitz betheiligte, hatten
keinen durchschlagenden Erfolg erzielt, da Dr. Schwe-
singer nur über eine sehr geringe Truppenmacht
verfügte und die gänzliche Zerstörung der stark be-
festigten Boma Sikkes nicht bewerkstelligt werden