Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Rechtspflege. 
Ueber die durch Ausübung der Gerichtsbarkeit 
gegenüber Europäern bedingten gerichtlichen Geschäfte 
in dem Schutzgebiete von Deutsch-Ostafrika während 
des Kalenderjahres 1892 giebt die in der Anlage 
beigefügte Uebersicht Auskunft. 
Sklavenwesen. 
Gegen den noch immer in vereinzelten Fällen, 
besonders im südlichen Theil des Schutzgebietes vor- 
kommenden Sklavenschmuggel ist von Seiten der Be- 
hörden auch im letzten Jahre mit aller Energie und 
bestem Erfolge angekimpft worden. Aus den Be- 
richten über die Thätigkeit des internationalen mari- 
timen Büreaus in Sansibar, welches durch die 
Brüsseler Konferenz im Jahre 1889/90 zum Zweck 
wirksamer Bekämpfung des Sklavenhandels zur See 
ins Leben gerufen worden ist, geht hervor, daß sich 
unter den im letzten Jahre beschlagnahmten Sklaven- 
dhaus nur eine befand, welche Sklaven aus dem 
deutschen Schutzgebiet und zwar aus Kilwa aus- 
geführt hatte. Bei dem Verhör der betreffenden 
Sklavenhändler stellte es sich heraus, daß noch ein 
zweiter Transport von Sklaven in dem Orte Kikunia, 
unweit der Rufijimündung, zurückgeblieben war. 
Durch rechtzeitige Benachrichtigung des Gouverneurs 
in Dar-es-Saläm und das Eingreifen S. M. Kreuzer 
„Schwalbe" gelang es, auch diese Sklaven zu be- 
freien und die Schuldigen zur Verantwortung zu 
ziehen. 
Mit besonderem Erfolge hat der Kaiserliche 
Kommissar, Major v. Wissmann, welcher zur 
Leitung des Dampfertrausportes für die Antisklaverei- 
Gesellschaft nach dem Nyassa-See abkommandirt ist, 
gegen den Menschenraub und Sklavenhandel in diesem 
Gebiete gewirkt. Mehrmals gelang es ihm, größere 
Sklaventransporte der dort an der Grenze unseres 
Gebietes anfässigen Araber abzufangen und die Sklaven 
zu befreien. Mit Hülfe des vom Major v. Wiss- 
mann nach dem Nyassa-See gebrachten Dampfers, 
wegen dessen Uebernahme seitens des Reiches bereits 
die erforderliche Einleitung getroffen ist, wird es ge- 
lingen, auch in diesem Gebiete den Sklavenhandel 
wirksam zu bekämpfen. Daß die Sklavenverhältnisse 
im Innern des Schutzgebietes sich in den letzten 
Zahren wesentlich gebessert haben, geht auch aus 
einem Bericht des Kompagnieführers Herrmann 
aus Bukoba am Victoria-See hervor, welcher aus- 
führt, daß der Sklavenraub im nördlichen Seengebiet 
nicht existire, und daß die durch die letzte Expedition 
Emin Paschas erfolgte Zerstörung der Araber-= 
kolonie Masanfa, die Anlage deutscher Stationen in 
Mwansa und Bukoba sowie die Besetzung Ugandas 
durch die Engländer zusammengewirkt haben, um das 
Umwesen des Sklavenhandels auch im Süden des 
Sees auszurotten. 
Gegen die Sklavenhändler am Tanganyika-See, 
welche, aus den deutschen Territorien und dem Kongo- 
staate vertrieben, in diesem von der Küste weit- 
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entlegenen Gebiete eine Zufluchtsstätte gefunden 
hatten, hat Major v. Wissmann, während seiner 
Expedition nach dem Tanganyika-See, Anfang Juli 
d. Is. einen Entscheidungsschlag geführt. 
Wie aus dem Bericht des Kaiserlichen Kommissars 
hervorgeht (vergl. D. K.-Bl. Nr. 21 S. 492), sind 
die Wawemba, welche in der Stärke von 5000 Mann 
unter ihrem Oberhäuptling Kitimkuru die Gebiete 
zwischen dem Tanganyika= und Nyassa-See verwüsteten 
und die Missionsstation der Weißen VBäter in Kala 
bedrohten, am Kalambafluß im Süden des Tan- 
ganyika-Sees vollständig geschlagen und in die Flucht 
getrieben worden. Mehr als hundert von den Wa- 
wemba auf ihrem Zuge geraubte Sklaven, meist 
Weiber und Kinder, wurden von der Expedition be- 
freit und in ihre Heimath zurückgesandt. 
Wie Major v. Wissmann in seinem Bericht 
hervorhebt, ist zwar durch die Vernichtung der Wa- 
wemba der rücksichtslosen Raubsucht der mächtigen. 
Negerhäuptlinge und Sklavenhändler für die nächste 
Zeit ein Ziel gesetzt, die gänzliche Ausrottung des 
Sklavenhandels in diesem Gebiet aber noch lange 
nicht erreicht. Es seien vielmehr nachhaltige Sicher- 
heitsmaßregeln dringend geboten, wenn nicht das 
ganze deutsche Gebiet zwischen dem Nikwa= und 
Tanganyika-See, ein Gebiet, welches durch seine 
zahlreiche Bevölkerung mit weit vorgeschrittener Kultur 
sowohl in industrieller wic wirthschaftlicher Beziehung 
gerade zu den werthvollsten Theilen unferes deutsch- 
ostafrikanischen Besitzes gerechnet werden kann, all- 
mählich entvölkert, schließlich zur wildesten Einöde 
verwandelt werden follte. 
Um den Sklavenhandel auch in den änßersten 
Grenzgebieten der deutschen Interessensphäre energisch 
zu bekämpfen, beabsichtigt die Regierung, mit der 
Anlage von befestigten Stationen am Nyassa- 
und Tanganyika-See vorzugehen. Allein durch diese 
Maßnahme und das gemeinsame Vorgehen der im 
ostafrikanischen Seengebiet interessirten Mächte wird 
die allmähliche Ausrottung des Menschenhandels in 
Afrika möglich sein. 
Wie schon in einer früheren Denkschrift erwähnt 
ist, werden die befreiten Sklavenkinder den im Schutz- 
gebiete thätigen christlichen Missionen überwiesen, da 
die Kaiserliche Regierung die Ueberzeugung hat, daß 
die Missionsstationen als die gegebenen Erziehungs- 
stätten der verwaisten Sklavenkinder anzusehen sind. 
Da die Missionen jedoch bei aller Opferfreudigkeit 
die Mehrausgaben, die ihren Anstalten in Deutsch- 
Ostafrika durch Aufnahme dieser schwarzen Pflege- 
befohlenen erwuchsen, schwer empfanden, so wird 
den betreffenden Missionsanstalten von Seiten der 
Regierung für jedes ihnen überwiesene Sklavenkind 
unter 8 Jahren eine Erziehungsbeihülfe von 25 Mk. 
gewährt. Die Unterbringung und Versorgung der 
befreiten erwachsenen Sklaven ist ungleich schwieriger, 
da die Missionsgesellschaften nicht geneigt sind, diese 
für eine christliche Erziehung wenig geeigneten Ele- 
mente aufzunehmen, der Regierung aber bei der un-
	        
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