Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

vieh, sowie an Wolle und Angorahaar wird sich in 
dem Maße steigern, in dem die jetzt unbenutzt da- 
liegenden Weidegründe mit europäischen Viehzüchtern 
besiedelt werden. 
Verwerthung des Viehs. 
Die wichtigste Frage für den Erfolg einer europäi- 
schen Ansiedlung ist die, wie eine regelmäßige Ver- 
werthung der Erzengnisse einer ausgedehnteren Vieh- 
zucht im Schutzgebiete möglich sein wird. 
Ausfuhr von lebendem Vieh über Land. 
Die sicherste Verwerthungsart besteht, von dem 
Verkaufe an die immer zahlreicher werdenden Kon- 
sumenten des Schutzgebietes abgesehen, in der Aus- 
fuhr von lebendem Vieh über Land nach den Märkten 
der Kapkolonie und Transvaals. Hier ist eine be- 
ständige Nachfrage nach Rindern und Kleinvieh zu 
Schlachtzwecken vorhanden. Der Damaraochs ist 
außerdem als Zugochs in Südafrika sehr beliebt. 
Die Zahl des unter den jetzigen Verhältnissen bereits 
jährlich auf diesem Wege ausgeführten Viehs beläuft 
sich auf annähernd 6000 Stück Rindvieh und 
10 000 Stück Kleinvieh. Ein Ochs, der im Schutz- 
gebiete 40 bis 60 Mark kostet, wird auf den ge- 
nannten Märkten zu 80 bis 120 Mark verkauft, 
ein Fettschwanzschaf, das beispielsweise in Groß 
Namaqualand zu 6 Mark eingehandelt wird, ist in 
Kimberley zu 12 Mark verkäuflich. Der Bedarf der 
Kapkolonie und Transvaals, vor Allem der in- 
dustriellen Centren Kimberley und Johannesburg, 
wird eher steigen als abnehmen, so daß ein Sinken 
der Preise nicht zu befürchten ist, allerdings ist 
dieser Transport großer Herden bisher bei den noch 
wenig geordneten Verhältnissen des Landes mit so 
großen Kosten und Wagnissen verbunden gewesen, 
daß sich die Exporteure manchmal enttäuscht sahen. 
Im Hinblick auf die Wichtigkeit dieser Ausfuhr wird 
es aber eine der Hauptaufgaben der Verwaltung 
sein, diesen Transport mit allen Mitteln zu er- 
leichtern. Insbesondere würden die erforderlichen 
Maßnahmen zu treffen sein, um bessere Wege herzu- 
stellen und die Transportführer vor den Belästigungen 
und gelegentlichen Erpressungen der eingeborenen 
Häuptlinge, deren Gebiete sic passiren müssen, wirk- 
sam zu schützen. Es könnte ferner dafür gesorgt 
werden, daß den Exporteuren an der Hauptausfuhr= 
straße Weideplätze gegen ein geringes Entgelt zur 
zeitweiligen Benutzung überlassen werden, damit das 
Vieh sich unterwegs in gutem Zustande erhält. 
Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß unter 
solchen günstigeren Bedingungen die Händler, die zur 
Zeit hauptsächlich Vieh von Eingeborenen gegen 
Waaren eintauschen und über Land bringen, das Ge- 
schäft in größerem Maßstabe betreiben und stets 
bereit sein werden, auch das von europäischen An- 
siedlern angebotene Vieh nöthigenfalls gegen Baar- 
zahlung aufzukaufen. Denjenigen Züchtern, die 
größere Herden besitzen und mit den lokalen Ver- 
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hältnissen vertraut sind, wird es freistehen, derartige 
Viehtrausporte für eigene Rechnung ausführen zu 
lassen. Hiernach dürfen die südafrikanischen Märkte 
als ein unter gewöhnlichen Verhältnissen sicheres 
Absatzgebiet für lebendes Vieh angesehen werden. 
Ausfuhr von Vieh auf dem Seewege. 
Dagegen läßt es sich zur Zeit nicht übersehen, 
ob die Ausfuhr von lebendem Vieh auf dem See- 
wege, sei es nach Kapstadt, sei es nach den Häfen 
der afrikanischen Westküste, insbesondere nach dem 
Kongo, einen größeren Umfang annehmen wird. 
Die Compagnie des produits du Congo hat 
bereits mehrere Hundert Schlacht= und Zugochsen 
von Südwestafrika nach dem Kongo verschiffen lassen, 
  
ohne daß jedoch diese Ausfuhr eine größere Aus- 
dehnung erreicht hat. Wenn eine regelmäßige Ver- 
bindung zwischen dem Mutterlande und dem Schutz- 
gebiete längs der Westküste Afrikas hergestellt sein 
wird — wozu die Anfinge bereits vorhanden sind —, 
so werden die Versuche, lebendes Vieh nach den- 
jenigen Häfen dieser Küste auszuführen, in denen sich 
ein Mangel an frischem Fleisch fühlbar macht, mit 
mehr Aussicht auf Erfolg wierer aufgenommen 
werden. 
Export von Fleischfabrikaten. 
Ebensowenig läßt es sich gegenwärtig voraus- 
sagen, ob sich die Errichtung von Schlachthäusern 
im Schutzgebiete und die Ausfuhr von Fleisch- 
fabrikaten gewinnbringend gestalten wird, insbesondere 
ob unsere Kolonie in dieser Beziehung mit Amerika 
und Australien wird einen Wettbewerb aufnehmen 
können. Weitere Versuche mit der billigen Her- 
stellung von Fleischfabrikaten, die von Sachkundigen 
an der Swakopmündung geplant werden, müssen ab- 
gewartet werden, bevor ein abschließendes Urtheil 
über diesen Gegenstand möglich ist. 
  
Ausfuhr von Wolle und Angorahaar. 
Eine Ausfuhr von Wolle und Angorahaar würde, 
so lange keine Bahn von der Küste nach dem Innern 
führt, in der Weise stattfinden, dah diese Produkte 
mit dem Ochsenwagen nach den Häfen des Schutz- 
gebiets gebracht und von hier nach Europa verschifft 
würden. Der Transport der Wolle mit Ochsenwagen 
wird insofern nicht besonders kostspielig sein, als 
diese Wagen größtentheils leer nach der Küste fahren 
um hier Bedarfsgegenstände?! und Handelsgüter für 
das Innere zu laden. 
Viehkrankheiten. 
Angesichts, der= Bedeutung der Viehzucht für das 
Gedeihen der Kolonie ist die Verwaltung bestrebt, die 
dort vorkommenden ansteckenden Viehkrankheiten, vor 
Allem die Lungenseuche unter dem Rindvieh, mit 
allen Mitteln zu unterdrücken. Eine entsprechende 
Verordnung ist erlassen worden, zu deren Durch- 
führung sogar die Eingeborenen nach Kräften bei-
	        
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