Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

tragen. Sobald der Grenzverkehr wirksamer kon- 
trolirt werden kann, wird die Einschleppung der 
Lungenseuche leichter verhindert werden. Der Weiter- 
verbreitung über große Gebiete läßt sich mit Erfolg 
vorbeugen, weil in Südwestafrika eine Absperrung 
der verseuchten Herden auf entlegenen Weideplätzen 
ohne Schwierigkeit durchgeführt werden kann. Ein 
in der Thierarzneikunde ausgebildeter Arzt ist vor 
Kurzem von der Deutschen Kolonialgesellschaft nach 
dem Schutzgebiet entsandt worden, um die Natur der 
dortigen Viehkrankheiten und insbesondere der eigen- 
thümlichen periodisch auftretenden Pferdeseuche zu 
studiren, sowie geeignete Mittel zu ihrer Bekämpfung 
ausfindig zu machen. 
Ackerbau. 
Südlicher und mittlerer Theil des Schutzgebiets. 
Da die Regenmenge, die im südlichen und mitt- 
leren Theile des Schutzgebiets fällt, sich nicht über 
das ganze Jahr vertheilt, sondern sich auf verhältniß- 
mäßig kurze Zeiträume beschränkt, so ist dort nach 
den bisherigen Erfahrungen ein ausgedehnter 
Feldbau kaum möglich. Acker= und Gartenbau 
wird nur an den Stellen betrieben werden können, 
die entweder nahe an der Oberfläche liegendes 
Untergrundwasser haben, oder sich künstlich beriefeln 
lassen. Hier, wo der Boden die nöthige Feuchtig- 
keit hat, können Getreide, Mais, Tabak und die 
meisten unserer europäischen Gartenbauprodukte ge- 
zogen werden, die Ernten sind im Verhältniß zu 
der angebauten Fläche höchst ergiebig. Auch die 
verschiedensten Obstbäume, darunter der Feigenbaum 
und in gewissen Landstrichen auch die Dattelpalme, 
gedeihen. Ueber die Aussichten des Weinbaues schreibt 
Dr. Karl Dove: „Keine Pflanze in diesem Klima 
hat größere Erfolge zu erwarten, als der Wein. So 
gut wie das Kap wird auch das füdwestafrikanische 
Schutzgebiet einen trinkbaren Wein keltern, voraus- 
gLesetzt, daß es nicht an sachverständiger Leitung fehlt. 
Ebenso veruag auch unser Land so gut wie das 
Kapland gute Rosinen zu liefern, denn die klima- 
tischen Verhältnisse sind denen des Kap in der Höhe 
ihrer Temperaturen sehr ähnlich. 
Daß der Wein gut gedeiht und reiche Erträge 
liefert, zeigen der Regierungsgarten von Otyimbingue 
und die Erfahrungen, welche man im ehemaligen 
Garten der Rheinischen Mission in Klein-Windhoek 
gemacht hat.“ 
Die aubaufähigen Stellen sind zwar nicht sehr 
zahlreich, aber sie werden sich durch Bewässerungs- 
anlagen erheblich vermehren lassen. Die Regenmenge 
ist in jedem Jahr so stark, daß an vielen Nlätzen 
durch den Bau von Dämmen oder die Absperrung 
kleiner Thäler Wasserbehälter angelegt werden können, 
in denen das zum Tränken des Viehes und zur Be- 
rieselung des umliegenden Bodens nöthige Wasser 
aufgefangen wird. Solche Stellen sowie diejenigen, 
die in der Nähe von Ouellen und an den Ufern der 
größeren periodischen Flüsse liegen, werden den Mittel- 
  
19 — 
punkt von Farmen bilden. Hier wird es dem euro- 
päischen Kolonisten fast immer möglich sein, mit 
geringen Kosten ein Stück Land urbar zu machen 
und wenigstens den Eigenbedarf an Getreide und 
Gartenprodukten zu decken. An günstig gelegenen 
Nätzen wird er so viel ernten, daß er einen Theil 
seiner Erzeugnisse an die nicht ackerbautreibenden 
Europäer des Schutzgebietes verkaufen kann. Da 
hiernach Getreide zur Ausfuhr nicht gebaut werden 
kann, wird der Ansiedler im Allgemeinen seinen 
Hauptverdienst nicht im Ackerbau sondern in der 
Viehzucht suchen müssen. 
Nördlicher Theil des Schutzgebiets. 
Da die Regenzeit im nördlichen Theile des Schutz= 
gebiets, insbesondere im Ovamboland, länger ist, so 
liegen hier die Aussichten für den Ackerbau günstiger. 
Größere Flächen sind anbaufähig, voraussichtlich 
lassen sich auch Plantagen von Zuckerrohr, Tabak 
und Baumwolle anlegen. Die Verbindung dieser 
Gebietstheile mit der Küste ist indessen so schwierig, 
daß nur unter. günstigeren Transportverhältnissen, 
als sie zur Zeit bestehen, auf eine Rentabilität 
solcher Pantagen zu rechnen ist. 
Zur Begründung und Erläuterung der vorstehen- 
den Angaben über den wirthschaftlichen Werth des 
Schutzgebietes seien die Aeußerungen einiger Sach- 
verständigen wiedergegeben, die unfere Kolonie in 
letzter Zeit bereist haben. 
Urtheile von Sachverstän digen über den 
landwirthschaftlichen Werth des 
Schutzgebietes. 
Graf Joachim Pfeil. 
Graf Joachim Pfeil, der im Auftrage des 
Syndikats für die Siedelung in Südwestafrika das 
Land vom Oranjefluß bis Windhoek bereist hat, 
schreibt: 
„Viehzucht kann in diesen Gebietstheilen in um- 
fassendem Stil betrieben werden. Acker= und Garten- 
bau wird nur nebensächlich durchführbar sein. 
Anders sollen die Verhältnisse weiter im Norden 
liegen, wo ein vorzügliches Agrikulturland zu finden 
ist. Die südliche Hälfte des von mir bereisten Ge- 
bietes ist, abgesehen von dem unfruchtbaren Küsten- 
striche, gutes Weideland, welches an großer Trocken- 
heit zu leiden hat und daher keine Möglichkeit zu 
Agrikulturanlagen bietet. Die nördliche Hälfte dürfte 
stellemweise günstigere Aussichten für kleinere Agrl- 
kulturarbeiten eröffnen, ist aber in seinem weitaus 
größten Theile das beste Weideland, welches ich in 
irgend einem Theile der Erde gesehen habe, und 
harrt nur des Augenblicks, in dem menschliche Hände 
das in seinem Innern verborgene reichliche Grund- 
wasser heben und für das Land nutzbar machen. 
Bezüglich der mitunter ausgesprochenen Befürchtung, 
es werde sich kein Absatz für die Produkte der 
Herden finden, möchte ich bemerken, daß erstens 
schon zahlreiche Händler im Lande sind, welche den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.