Schutztruppe.
Die Schutztruppe besteht außer dem Führer, als
dessen Vertreter der Premierlieutenant v. Frangois
fungirt, aus 6 Offjzieren, 1 Sanitätsoffizier und
etwa 340 Mann. Die Unteroffiziere und Mann-
schaften sind auf Grund freiwilliger Meldungen dem
aktiven Dienststande der Armee, die Gemeinen durch-
weg dem dritten Jahrgange entnommen. Bei der
Auswahl ist vollkommene Felddienstfähigkeit, Zu-
verlässigkeit, gute Führung und gute militärische Aus-
bildung, vor Allem im Schießen und im Felddienst,
als unerläßliche Vorbedingung gestellt worden. Ferner
ist darauf geachtet worden, daß die einberufenen
Leute bei einem der kleineren südafrikanischen Pferde-
rasse angemessenen Körpergewicht Geschick zum Reiten
sowie Kenntnisse in der Behandlung und Wartung
von Pferden haben. Die starke Vermehrung der
früher nur 50 Köpfe starken Truppe hat eintreten
müssen infolge der Nothwendigkeit eines bewaffneten
Einschreitens gegen Hendrik Witbooi. Ueber die
Veranlassung und den Erfolg dieses Vorgehens ist
Folgendes hervorzuheben:
Militärisches Einschreiten gegen Hendrik
itbooi.
In den seit länger als 10 Jahren andauernden
Fehden zwischen dem Stamme der Hereros und den
Witbooischen Hottentotten hatte Hend rik Witbooi,
seitdem er seinen Stammsitz Gibeon verlassen hatte
und, nach Norden vordringend, sich in dem Jan
Jonkerschen Gebiete festgesetzt hatte, allmählich ein
entschiedenes Uebergewicht über seine Gegner erlangt.
In Hornkranz hatte er einen gut befestigten Platz
angelegt, der ihm bei seinen Raub= und Mordzügen
gegen die Hereros einen sicheren Stützpunkt bot.
Hatte er es bei seinen zahlreichen Streifzügen auch
vornehmlich auf den Raub der werthvollen Rinder-
herden seiner Gegner abgesehen, so schreckte Hendrik
doch vor meuchlerischen Angriffen gegen das Leben
der im Allgemeinen friedlich gesinnten Hereros und
der gleichfalls unter deutschem Schutze stehenden
Bastards nicht zurück, und noch im Jahre 1892
war bekannt geworden, daß er gefangene Hereros
grausam ermorden ließ.
Mit allen Schmugglern und anderen der deutschen
Schutzherrschaft feindlich gesinnten Elementen in enger
Verbindung stehend, hatte er seine Feste Hornkranz
mit Waffen, Munition und sonstigem Kriegsmaterial
reich versorgt. Sein Fanatismus und die krankhafte
Vorstellung, daß er zum Alleinherrscher eines mächtigen
südafrikanischen Reiches berufen sei, sowie das Ver-
trauen in seine Unbesiegbarkeit, das er seiner Ge-
folgschaft einzuflößen verstand, führten ihm fortgesetzt
zahlreiche neue Anhänger zu und verschafften ihm
schlieslich eine Machtstellung im Schutzgebiete, die
für die politische und wirthschaftliche Entwickelung
verhängnißvoll zu werden drohte. Die frühere kaum
50 Mann starke Schutztruppe mußte sich noth-
Ledrungen jeder Einmischung in diese Zustände ent-
33
halten, weil sie der aus ungefähr 600 wohlbewaffneten
und vortrefflich eingeübten Kriegern bestehenden Macht
Witboois schon ihrer Zahl nach nicht gewachsen war.
Sie beschränkte sich daher darauf, Leben und Eigen-
thum der Weißen gegen Uebergriffe zu schützen, lehnte
aber in den Kämpfen der Eingeborenen jede Partei-
nahme ab. Diese Haltung der Truppe trug nicht
zum Mindesten dazu bei, das deutsche Ansehen in
den Augen der Eingeborenen, namentlich der Re-
hobother Bastards und der Hereros, herabzusetzen
und sie der Schutzherrschaft zu entfremden, da sie in
der Unthätigkeit der Truppe eine Nichterfüllung der
mit ihnen geschlossenen Schutzverträge erblicken
mochten. Andererseits machte sich Witbooi die
Zurückhaltung der Truppe zu Nutze, indem er, un-
bekümmert um das nur wenige Tagereisen von seinem
befestigten Lager entfernte Hauptquartier der Schutz-
truppe, seine Räubereien fortsetzte. Selbst den Weißen
gegenüber, mit denen er früher jeden Zusammenstoh
sorgfältig vermieden hatte, trat er herausfordernd
auf. So wagte er es, dem Landwirth Hermann,
als dieser das in Gemeinschaft mit der deutschen
Kolonial-Gesellschaft für Südwestafrika betriebene
Schäfereiunternehmen nach Nomtsas verlegen wollte,
das Betreten dieses Platzes unter nicht mißzuver-
stehenden Drohungen zu untersagen. Daß Handel
und Verkehr sowohl, wie die segensreiche Thätigkeit
der Missionare unter diesen Zuständen schwer zu leiden
hatten, liegt auf der Hand. Immer dringender
wurde aus der Mitte der im Schutzgebiet thätigen
Händler, aus Missionskreisen und von Seiten der
Forschungsreisenden die Aufforderung an die Re-
gierung gerichtet, durch eine größere Machtentfaltung
das erschütterte Ansehen der deutschen Schutzmacht
wieker zu befestigen. Die in dieser Beziehung laut
gewordenen Wünsche begegneten sich mit den An-
trägen des Kaiserlichen Kommissars, der in seinen
Berichten darauf hinwies, daß eine gedeihliche wirth-
schaftliche Entwickelung des Schutzgebietes so lange
ausgeschlossen sei, als es nicht gelänge, die Macht-
stellung Hendrik Witboois zu brechen. Auch die
beiden Brüder des Kaiserlichen . Kommissars, der
Premierlieutenant in der Schutztruppe v. Frangois
und der Major v. Frangois, der kurz zuvor
eine Informationsreise nach dem Schutzgebiet unter-
nommen hatte, machten bei ihrem Eintreffen in
Berlin im Frühjahr 1892 an amtlicher Stelle ein-
dringlich auf die Gefahren aufmerksam, die unaus-
bleiblich sein würden, falls nicht dem weiteren Um-
sichgreifen des verderblichen Einflusses der Wit-
booischen durch eine erhebliche Verstärkung der
Schutztruppe rechtzeitig vorgebeugt würde. Nach den
auf das Eingehendste begründeten Anträgen des
Kommissars bedurfte es zur Niederwerfung Hendrik
Witboois einer Verstärkung der Truppe bis auf
ungefähr 300 Mann.
Nach alledem konnte die Regierung sich der
Ueberzeugung nicht länger verschließen, daß die Zu-
stände im Schutzgebiet eine Gestalt angenomme'