Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

eine ganze Anzahl von Artikeln anstatt direkt von 
Deutschland erst durch zweite Hand über Bombay 
zu beziehen. Die großartigsten Hafenanlagen und 
Eisenbahnbauten hat die britisch-indische Regierung 
in Kurrachee anlegen lassen. Außerhalb der Stadt 
liegt ein in europöischem Stil geschaffener zoologischer 
Garten, in dem einige vorzügliche Exemplare des 
Königstigers und das freie Entree als Hauptan- 
ziehungspunkte hervorzuheben sind. Interessant waren 
mir die Mittheilungen des Kapitäns der „Oriental"“ 
in Bezug auf die früher mit indischer Besatzung an 
der ostafrikanischen Küste von ihm gemachten Beob- 
achtungen. Die Inder, sagte er mir, seien in jeder 
Beziehung dem Neger als Seeleute vorzuziehen. 
Die Leßteren hätten keine Disziplin, die Ersleren 
seien zuverlässiger und billiger. 
Am 17. März kamen wir in Gwadur an. 
Dieser Ort liegt Maskat gegenüber an der Küste 
von Belutschistan und gehört dem Sultan von 
Maskat. Ein Wali verwaltet den einst fieberfreien 
und bedeutenden, jetzt aber völlig verkommenen, un- 
gesunden Platz. 
Außer dem Telegraphenhaus besitzt Gwadur 
nichts, worauf das Auge mit Wohlgefallen ruhen 
lönnte. Die etwa 4000 Einwohner wohnen in 
elenden, aus Palmenblättern gemachten und mit 
einigen allen Lappen überdeckten Hütten. Alles 
starrt vor Schmutz. Man sieht es den Leuten 
ordentlich an, daß sie einzig und allein von Fischen 
leben, so schuppig und ruppig sehen sie aus. Was Arrian 
und Diodorus Siculus über diese „Ichthyophagen“ 
berichten, deckt sich merkwürdigerweise noch mit den 
heuligen Verhältnissen. Der Reichthum an Fischen 
ist enorm und der Umstand auffallend, daß der 
Strand mit todten Fischen, welche das Meer aus- 
geworfen, bedeckt ist. Eine Moschee habe ich nicht 
gesehen, bebantes Land ebenso wenig.- 
Wir hatten zwei Stunden bis zur „Oriental“ 
zurückzurudern, so weit lag dieselbe wegen der Un- 
tiesen von Gwadur entfernt. Die Weiterfahrt war 
von hier aus keine angenehme. Abgesehen von der 
großen Hite ging das Meer, wie immer in diesen 
Breiten, sehr hoch. Der Kapitän hatte uns mitge- 
theilt, daß sein altes Schisf nach Vollendung dieser 
Reise abgebrochen werden sollte; es fragte sich nur, 
ob es sich so lange gedulden und nicht lieber ein 
selbstgesuchtes heroischeres Ende nehmen wollte. 
„L'’hamdu lilläh“, „Gott sei Dank“, sagten wir 
am Morgen des 19. März, als wir in den Hafen 
von Maskat einliefen. Da lag es vor uns, das 
alte Felsennest in seiner wilden Majestät. Die 
wenigen Europäer, welche es gesehen, sind einig, es 
in Bezug auf malerischen Reiz jedem berühmten 
anderen Ort an die Seite zu stellen. Die dunklen 
vulkanischen Felsmassen, welche sich steil und halb- 
mondförmig um die dicht am Strande liegende Stadt 
schließen und derselben als eine prächtige natürliche 
Mauer dienen, haben zwar den Charakter von Aden, 
übertreffen denselben aber durch die Farbentöne, denen 
570 
  
die wild zerklüfteten Felsen tiefere „Tinten“ geben. 
Kein Baum, kein Strauch gedeiht auf diesem Gestein, 
aber stolze Burgen bedecken eine ganze Reihe der 
Bergesspitzen, deren Höhe sich im Durchschnitt auf 
400 Fuß belaufen mag. Maskat gegenüber liegt eine 
aus einem vegetationslosen Berg bestehende Insel, 
auf deren schwarzen Felsen in großen weißen Lettern 
die Namen einiger englischer Kriegsschiffe geschrieben 
stehen. Andere kleinere Felsmassen ragen hier und 
da in kühnen zackigen Formationen aus dem tiefblauen 
Meere hervor. 
Ueberraschend schön ist die Einfahrt in den Hafen, 
durch welche dem ahnungslosen Reisenden ganz 
plöplich das Bild von Maskat enthüllt wird. Der 
kleine Hafen hat kaum eine Stunde im Umfang und 
liegt nur nach Norden hin offen. Im NW.-Monsun 
bietet er insofern Schwierigkeiten, als das Meer in 
großen Fluthen hereinzuströmen pflegt. Im 
Uebrigen ist er gut, aber wenig belebt. Nur einige 
Dampfer und etwa fünfzig Barken erblickte ich. 
Die Stadt ist verhältnißmäßig klein und von 
geringer Ausdehnung am Strande. Links und rechts 
begrenzen sie zwei Festungen; im Westen das 1580 
vollendete Fort „Merani“, im Osten das 1687 
vollendete Fort „Dielali“. 
Dicht vor uns liegt der Palast des Sultans, 
ein viereckiges kastenarliges Gebäude mit Flachdach 
und Balkon. Ebenso schmucklos sind die übrigen 
Gebäude der Stadt, mit Ausnahme des britischen 
Generalkonsulaks. Einige Angestellte des Sultans 
waren an Bord gekommen, und ich beeilte mich, den- 
selben einen Brief für ihn mitzugeben, worin ich 
meine Pläne und den Wunsch kundgab, in Audienz 
empfangen zu werden. Um keine Zeit zu verlieren 
und den glühenden Sonnenstrahlen nicht unnütz aus- 
geseht zu sein, ging ich mit den Booten an Land. 
Der Fremde ist hier auf die Gastfreundschaft des 
Herrschers oder auf diejenige seines Konsuls ange- 
wiesen. Gasthäuser, Restaurants, Cafés, ja selbst 
eine Karawanserai fehlen dieser Stadt. Die Antwort 
des Sultans war sehr höflich. Sie eröffneie mir, 
daß die Audienz am folgenden Tage stattfinden 
würde, ohne mir indeß ein Haus oder dergl. zur 
Verfügung zu siellen. 
In dem Hause des amerikanischen Konsuls fand 
ich, was ich suchte. Mr. Maguire schien glücklich, 
einen Europäer begrüßen zu können, und beeilte sich, 
mich seiner Gemahlin vorzustellen und mich zum 
Frühstück da zu behalten. Er gab Befehl zur Ab- 
holung meines Gepäcks und zur Instandseßung einiger 
Zimmer. 
Ich dankte der Vorsehung, die mich in dieses 
gastliche Haus geführt, zumal Mr. Maguire durch 
seinen 25 jährigen Aufenthalt in Maskat zu einem 
Kenner ersten Nanges über die Verhältmisse von 
Oman geworden war und als solcher höchst be- 
lehrend auf mich wirkte. 25 Jahre in Maskat! 
Man glaubt es kaum, wenn man bedenkt, daß dieser 
Ort nichts, aber auch nichts bietet und die Hitze
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.