Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Todte wird in ein enganliegendes, die Körperformen 
zeigendes Tuch eingenäht und auf einen Holzstoß 
gelegt, der 2 Meter lang, 1 Meter breit und 1 Meler 
tief ist. Nachdem man Feuer angelegt, setzen sich 
die Leidtragenden — Frauen habe ich nie dabei ge- 
sehen — um den Todten, indem von Zeit zu Zeit 
einer von ihnen aufsteht, um eine fettartige Masse 
zur besseren Verbrennung dem Todten aufzugießen. 
Gebete oder dergleichen habe ich nicht bemerkt. Ist 
der Leichnam verbrannt, so wird die Asche dem 
Meere übergeben und nur ein Theil davon für die 
Einsenkung in dem heiligen Benares aufbewahrt. 
Außer dieser Religionssekte sind noch einige Hundert 
indische Mohammedauer in Maskat. Für sie kennt 
der Kaufmann bloß das Epitheton „Chikaneur“. 
Neben dem Handel betreiben sie Wuchergeschäfte. 
Gerade die orthodoxen Mohammedaner sind es, welche 
diese Schiiten am meisten hassen. In derselben Ge- 
ringschätzung stehen sie in Indien bei der britischen 
Regierung, welche sie nur ungern im Staatsdienst 
verwendet und die Anhänger der brahmanischen 
Religion vorzieht. 
Araber giebt es in Maskat wenig, denn das 
aus einem Gemisch von Persern, Belutschen, Negern, 
Arabern u. f. w. bestehende Element verdient diesen 
Namen nicht, besitzt auch keine der Tugenden, welche 
dem Araber eigen sind. In Europa und Ostafrika 
macht man allgemein den Fehler, Araber und Mo- 
hammedaner als gleichbedentende Wörter zu gebrauchen, 
obwohl es doch beispielsweise keinen gröseren Unter- 
schied geben kann als Türken und Araber oder 
indische Mohammedaner und Araber oder Snahelis 
und Araber. Alle diese sind von ganz anderer 
Nationalität und vor Allem gar keine Semiten. 
Es ist geradezu lächerlich, z. B. Buschiri oder Tippo 
Tipp als Araber zu bezeichnen, da dieselben völlig 
Neger sind und kein Wort Arabisch verstehen. Wer 
den Araber verstehen will, muß seine Religion ver- 
stehen. Beide sind untrennbar. In ihr lebt und 
webt er, in ihr findet er seine Stärke. 
Am sympathischsten bei den Oman-Arabern hat 
mich stets die ihnen eingewurzelte, zur anderen Nakur 
gewordene Liebe zu den Waffen berührt, welche sich 
am schönsten in der Beharrlichkeit offenbart, womit 
der Einzelne seine Ersparnisse darin anzulegen pflegt. 
Seine Waffen sind sein Stolz, das Fehlen derselben 
sein größter Kummer. Mit den Waffen legt er sich 
schlasen, mit ihnen steht er auf. Er ist das Gegen- 
theil einer „Krämerseele“, und in Sansibar sowohl 
als in Oman sind es diese Eigenschaften, welche die 
Wohlhabenden ruiniren und ihre im Karawanenhandel 
erworbenen Güter dem Inder in die Hände spielen. 
Höchst interessant sind auch die so lebhaft an das 
Mittelalter erinnernden Gebräuche der siets unter- 
einander in Fehde lebenden arabischen Großen. Das 
Land ist mit Burgen besät — Burg ist selbst ein 
arabisches Wort — das Ganze ein Stück Mittel- 
alter, wo Kämpfe, Wegelagerei, Minnc= und Schlacht- 
gesänge noch heute in Flor stehen. 
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Der Zufall wollte, daß ich am Vorabend des 
Fastenmonaks in Maskat ankam, und ich fuhr, um 
den Beginn desselben besser zu sehen, nach Matrah, 
einer eine halbe Stunde von Maskak liegenden 
Handelsstadt. 
Die hier gebrauchten Boote (böri Pl. hewäri) 
zur Ueberfahrt dorthin sind von äußerst leichter Bau- 
art, 3 Meter lang, ohne Ruder= und Sitzbänke und 
von außen mit bunten Farben, gewöhnlich grün, roth, 
weiß, bemalt. Man hat sich auf recht unbequeme 
Art auf den Boden desselben zu seben und während 
der Fahrt jede Bewegung zu vermeiden. Die zwei 
Bootsleute sitzen je an einem Ende. Wo immer die 
Felsen nicht ganz an das Meer reichen, sieht man 
Ortschaften am Strande. Matrah bietet zu dieser 
Jahreszeit wenig Sehenswerthes, soll aber zur Zeit 
der Dattelzufuhren aus dem Innern sehr belebt und 
der Schauplatz eines ganz eigenartigen Beduinen- 
lebens sein. Der Handel hat sich von Maskat nach hier 
verzogen, da Matrah im Gegensaß zu Maskat dem 
Hinterlande offen sicht und seine Rhede besser und 
bequemer für den Barkenverkehr ist. 
Als ich wieder in meinem Boote saß, fuhr die 
„Oriental“ an uns vorüber, ihrem Endziele Bosra 
zu. Ich winkte ihr, der zum Abbruch bestimmten, 
Lebewohl zu und es war mir dabei, als ob ich 
einem lieben Bekannten das letzte Geleite gäbe. Aus 
dieser etwas melancholischen Stimmung weckten mich 
plötzlich die zu Ehren des Ramadans von allen Forts 
ertönenden Kanonen= und Flintenschüsse, welche das 
Echo in nie enden wollender, einem Donner ähnlicher 
Weise fortrollte. Man halte den Neumond gesehen 
und gab seinen frendigen Gesühlen durch Schießen 
überall Ausdruck. Was so einc Flinte bei solchen 
Anlässen Alles aushalken muß, ist unglaublich. Der 
lange Bedninen-Gewehrlauf wird bis zur Hälfte mit 
Pulver, Lumpen und dergleichen voll gestopft und 
das Gewehr zur Erhöhung des Knalles beim Ab- 
feuern zur Erde gehalten. Es war eines der wir- 
kungsvollsten Schauspiele, die ich erlebt. Die glühende 
Sonne war eben untergegangen, ihre goldenen Reflexe 
lagen noch auf den schwarzen Felsmassen, welche 
mich fast völlig umgaben, unter mir das tiefblaue 
ruhige Meer, vor mir die Burgen von Maskat und 
über dem Ganzen die weihevolle Feststimmung. Im 
Grunde genommen, kam mir der Fastenmonat sehr 
ungelegen, denn der Araber ist in dieser Zeit nur 
schwer zu irgend einer geschäftlichen Abmachung, 
gheschweige denn zur Theilnahme an einer Reise in 
das Innere zu bewegen. Achtunggebietend ist die 
Energie, welche er an diesem Feste und bei solcher 
Hitze durch Enthaltung von Speise und Trank des 
Tags über bekundet. 
Man praßt dafür allerdings von Sonnenunter- 
gang an um so mehr, muß aber von dem Momente, 
wo ein schwarzer Faden von einem weißen zu unter- 
scheiden ist, das Tagesfasten wieder beobachten. Das 
Wunderbare an der ganzen Institution ist, daß sie 
von allen Mohammedanern, ja selbst von notorischen
	        
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