Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

und zwar mit Handelsartikeln aus Deutschland. Nach 
längerer Ueberlegung gelangten wir denn auch zu 
dem Entschluß; es war das Einzige, was gethan 
werden konnte, wenn wir überhaupt nicht gezwungen 
sein sollten, vielleicht auf Jahre hinaus aus unserer 
eigenen Tasche, ohne Verdienst, zu existiren. Nun 
erwachte auch gleich die Lust zum Schaffen und zur 
Arbeit wieder in uns. Wir packten wieder ein, 
suchten uns ein passendes Grundstück aus und siedelten 
nach Groß-Windhoek über. Mein Mann bekam von 
der Truppe ein Zelt zur Verfügung, und nun ging 
es daran, ein Häuschen aus Wellblechplatten mit 
Holzwerk zu errichten, das uns Obdach gewähren 
soll, bis unser Steinhaus, mit dessen Bau wir jetßzt 
bald nach der Regenzeit, also Anfang Mai, anfangen, 
fertig werden kann. 
Nach vier Wochen war unser Häuschen fertig; 
nun ging es aus Möbelmachen, und nach weiteren 
vier Wochen war es wirklich ganz behaglich und 
nett. Wir haben das Haus in mehrere Räume ab- 
getheilt, und zwar Alles mit Wellblechplatten; Lettere 
sollen nachher zur Bedachung unseres Steinhauses 
dienen, ebenso wie das Holzwerk gleich so vermessen 
ist, daß es den späteren Dachstuhl abgeben kann. 
Wir haben in unserem Häuschen ein Wohnzimmer, 
ein Schlafzimmer für uns selbst, ein kleines Schlaf- 
zimmer für unser Töchterchen, eine kleine niedliche 
Küche und einen Raum als Verkaufsladen, in wel- 
chem auch unser Sohn schläft. Ich habe ein Sofa 
aus einer großen Kiste, hübsch mit dunklem Möbel- 
kattun drapirt, einen großen Schrank für Leinen und 
Silberzeug und einen hübschen Schreibtisch, Alles 
schwarz lackirt und mit Büchern, Photographien, 
Nippsachen verziert; ein kleiner Servirtisch ist auch 
noch da für Tassen u. s. w. Vor dem Fenster sind 
weiße und Möbelkattungardinen. Stühle sind mit 
Kattun garnirt, auf der Diele liegen Felle, die von 
den Eingeborenen sehr kunstvoll und geschickt zusammen- 
gesetzt werden und verhältnißmäßig billig sind. Auch 
in den Schlafzimmern habe ich Wasch= und Toiletten= 
tische aus Kisten mit Kattun bekleidet, was sich ganz 
gut macht. Es ist ja Alles nur klein, aber doch 
behaglich und trocken und geschüht gegen Regen und 
Wind, so daß wir Gott danken, daß wir dieses kleine 
Häuschen haben. Unser schönes weißes Vieh ist gut 
angekommen, wurde uns aber sehr theuer, da wir 
es bei der hier grassirenden Lungenseuche isoliren 
mußten. Wir haben uns nach und nach schon ziem- 
lich viel Vieh angeschafft, welches wir hier in Wind- 
hoek und in der Nähe weiden lassen; den Milch- 
und Butterertrag haben wir zum Theil für unseren 
eigenen Gebrauch, zum Theil verkaufen wir davon. 
Aber die Angst vor der Lungenseuche hindert uns 
daran, viel Kühe anzuschaffen; wir haben schon 
sechs Ochsen und ein Kalb verloren. 
Außer uns hat auch noch Herr Heyn sich in 
Groß-Windhoek niedergelassen, und zwar hat er eine 
Speisewirthschaft gegrlindet. So viel wie wir beur- 
theilen können, geht es ganz gut, es war bis dahin 
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kein derartiges Lokal hier, und für die Soldaten 
die immer reichlich Geld haben, ist ein Vierlokal 
mit Restaurant sehr erwünscht. 
Die Ansicht haben mein Mann und ich allmählich 
gewonnen, daß sich das Land hier vorzüglich für 
Viehzucht eignet, und daß man bei genügendem Umsatz 
und demenksprechender Farmgröße wohl vorwärts 
kommen kann.“ 
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Tikkerarische Besprechungen. 
Kandt, Dr. Moritz: Ueber die Entwickelung der 
anstralischen Eisenbahnpolitik. Berlin 1894. 
263 S. 80. 
Der Verfasser hat auf Anregung des besten 
Kenners des englischen Eisenbahnwesens, Professors 
G. Cohn in Göttingen, die vorliegende interessante 
Arbeit auf Grundlage der in den Berliner und Lon- 
doner Bibliotheken aufgespeicherten Materialien ver- 
faßt. Sein wesentlicher Zweck ist Schilderung der 
Entstehung des Staatsbahnsystems in Victoria. Die 
weitere Entwickelung des australischen Eisenbahn- 
wesens bis zur Gegenwart hat er einem zweiten 
Bande vorbehalten. Die vorliegende Arbeit liefert 
indessen weit mehr, als der Titel besagt. Der Autor 
führt nämlich dem Leser, wenn auch in kurzen Zügen, 
so doch in vollständiger und sehr lehrreicher Weise, 
die gesammte Geschichte der so einzig in der Welt 
dastehenden Kolonisationsarbeit Englands in Austra- 
lien vor Augen. Er schildert die einzelnen Phasen 
dieser Entwickelung und weist nach, wie das Eisen- 
bahnwesen ganz entsprechend diesen Verhältnissen in 
den australischen Kolonien seinen Ursprung nahm und 
sich gestaltete. Das damit entrollte wirthschafts- 
geschichtliche Bild hat für jeden Volkswirth ein ebenso 
großes Interesse wie für den Kolonialinteressenten. 
Wir können daher nur baldige Vollendung des werth- 
vollen Werkes, dem ausführliche Litteraturverzeichnisse 
noch besonderes Interesse verleihen, wünschen und 
hoffen, daß die in Australien gemachten Erfahrungen 
in späteren Jahren auch den deutschen Kolonien zu 
Gute kommen werden. 
Der in Antananarivo auf Madagaskar ansässige 
Naturforscher Franz Sikora kündigt an, daß er mit 
Unterstützung zahlreicher Fachleute vom 1. Oktober 
ab eine Monatsschrift „Madagascaria“ herausgeben 
wird, welche die höchst interessante Fauna, Flora, 
Anthropologie u. s. w. Madagaskars in Wort und 
Bild behandeln soll. In einer Beilage sollen auch 
wirthschaftliche Fragen erörtert werden. Die Zeit- 
schrift wird in deutscher und französischer Sprache 
erscheinen. Der Preis beträgt jährlich 8 Fr. (6,40 M.) 
einschließlich Porto und wird bei der Firma Pöh. 
Dhonau, Schnellpressenfabrik in Dresden, ein- 
gezahlt. 
 
	        
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