Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

ziehen würde; so ähnelt diese Befestigung der der 
Mitte unseres Jahrhunderts, als die sich immer 
steigernde Wirkung der Geschütze noch nicht zwang, 
jegliches Mauerwerk unter die Erde zu versenken. 
Der Hauptgrund dafür ist, daß die Wahehe noch 
nicht verstehen Stockwerk auf Stockwerk zu setzen 
und somit die Höhe ihrer Bauten in der Länge der 
hierfür verwendbaren Hölzer ihre Grenze findet, die 
Höhe der ersteren also im Allgemeinen 6 m nicht 
übersteigt. Die Flankirungsanlagen der Stadtmaner 
sind im Allgemeinen nach dem Grundsatz vertheilt, 
daß jedes Mauerstück ausgiebig der Länge nach be- 
strichen werden kann, manchmal ist indessen dabei, 
auch wenn die geringe Tragweite der glatten Vorder- 
lader in Betracht gezogen wird, des Guten zu viel 
gethan und Bastion an Bastion gereiht worden. 
Das Profil der Vertheidigungsanlagen der 
Festung nimmt an Stärke von außen nach innen zu: 
während beispielsweise die Mauer der Südwest- 
(Angriffs-) Front nur 3,5 bis 4 m hoch ist und eine 
Stärke von 0,75 bis 0,00 m besitzt, sind die Um- 
fassungsmauern der Kriegsboma des Sultans 5 m 
hoch und 1,25 m stark; auch ist die Ausführung des 
Baues hier eine sorgfältigerc, ja es ist hier der Ver- 
such malerischer und architektonischer Ausschmückung 
gemacht worden. Ebenso sind die verschiedenen 
Fronten im Profil nicht gleich stark. Die Südwest- 
front, wohl der älteste Theil der Umfassung, ist im 
Profil am schwächsten; sie bot für den Leiterangriff 
die wenigsten Schwierigkeiten, weil auch das Ge- 
lände vor ihr eben und wenig bewachsen ist. ferner 
die schwer zu überwindende Pallisadirung, deren 
Werth als Hinderniß die Wahehe augenscheinlich 
sehr gering angeschlagen haben, nicht mehr vor- 
handen war. Das stärlste Profil weist die Nord- 
front auf; die Mauer ist hier 5 m hoch und 1,25 m 
breit; ehe er sie erreicht, muß sich der Angreifer 
durch das dichte Dorngebüsch des Vorfeldes durch- 
arbeiten und die 3,5 m hohe, mit Dornen durch- 
flochtene Pallisadirung überwinden; dies Alles im 
feindlichen Krenzfeuer, denn auch die Pallisadirung 
wird durch vorgeschobene Bastione oder Blockhäuser 
flankirt. 
Auf der Westfront der Stadt befindet sich dicht 
hinter der Umfassungsmauer ein dieselbe überragender 
hölzerner Thurm, der zur Vertheidigung eingerichtet 
ist, indessen wohl für Beobachtungszwecke erbaut ist. 
Den gleichen Zwecken dienen zwei künstlich ausge- 
schüttete etwa 8 m hohe Hügel, je einer in der 
Kriegsboma und der Weiberboma. 
In der Kriegsboma des Sultans war serner 
das Arsenal; in einem großen festen Hause waren 
die der Expedition von Zelewsky seiner Zeit ab- 
genommenen Waffen aufsgestapelt; nur einer der Ge- 
treuen des Sultans hatte Zutritt zu dem Heiligthum, 
über dessen Schätze er die Aussicht hatte. 
Kuirenga war, wie schon erwähnt, zur Zeit 
unseres Angriffs noch im VBau begriffen; der mit 
Dornen gefüllte Graben sollte rings um die Festung 
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gezogen werden, weit vorspringende Bastione sollten 
eine kräftigere Flankirung der Mauer ermöglichen, 
die Herstellung einer weiteren Vertheidigungslinie zu- 
nächst auf der Nordfront scheint beabsichtigt gewesen 
zu sein: Ein Jahr später, und der Angriff der 
Schutztruppe wäre größeren Schwierigkeiten be- 
gegnet, der Sieg mit noch schwereren Opfern erkauft 
worden. 
Ueber seinen öug nach dem Mfumbiro in der Seit 
vom 14. bis 21. August v. Js.v) 
berichtet Lieutenant Richter Folgendes: 
Die Bevölkerung der durchwanderten Gebiete 
besteht, wie es scheint, fast ausschließlich aus wirklich 
einheimischen Elementen. Wahimas habe ich nirgends 
gesehen und erhielt auch auf Befragen die Antwort, 
es gäbe hier keine. Mit Nuhanda scheinen die Leute, 
wohl eben weil das Wahimaelement nicht vertreten 
ist, wenn überhaupt, in sehr losem Zusammenhange 
zu stehen. Wenigstens scheint man den Namen Kin- 
geles, des Obersultans von Ruhanda, nicht zu kennen. 
Die Leute leben in kleinen Staatswesen, deren Ober- 
häupter, wie ich aus verschiedenen Beobachtungen 
schließe, nur mäsige Autorität genießen. Der Volks- 
charakter ist derselbe wie im übrigen Ruhanda: Ge- 
schwätzigkeit, Harmlosigkeit, Furchtsamkeit und eine 
gewisse Anlage zum Handeln und Feilschen, wobei 
auch dem den Leuten heillosen Nespekt einflößenden 
Europäer gegenüber der eigene Vortheil niemals 
vergessen wird. Auch das von Berg zu Berg hallende 
Gebrüll der sich gegenseitig Anrufenden wird überall 
vernommen. Die Unlenntniß der Leute über Alles 
dasjenige, was außerhalb der nächsten Umgebung 
ihrer Dörfer liegt, sällt hier noch mehr auf. Die 
Sprache ändert sich mit dem Fortschreiten nach Süden. 
Bei Kadoto behaupteten meine allerdings recht man- 
gelhaften Dolmetscher, die sich am ersten und zweiren 
Marschtage noch leidlich verständlich machen konnten, 
die Leute sprächen hier einc andere, ihnen unbckannte 
Sprache. Ueber die Natur dieser letzteren konnte ich 
mir keinerlei Aufschluß verschassen. Bei den Kadoto- 
leuten siel mir das Fehlen der sonst von den Leuten 
um den Hals getragenen sogenaunten „Daua“, ferner 
der Umstand auf, daß der größere Theil der Leute, 
welche unser Lager besuchten, nur mit Stöcken, nicht 
mit Speeren versehen waren. Die Bewassuung ist 
im Uebrigen dieselbe wie anderwärts in Nuhanda. 
Der Hüttenbau ist bei Kadoto besser als in den 
nördlicheren Gegenden. Die Bevölkerung muß, nach 
den zahlreichen verwilderten und verlassenen Bananen= 
pflanzungen zu schließen, ehedem eine sehr dichte ge- 
wesen sein, ist es aber jetzt nur noch stellenweise. 
Hungersnoth hat einen Theil der Einwohner zur 
Auswanderung gezwungen. Die schwach bevölkerten, 
von Hunger heimgesuchten Gebiete: Muiensi und 
*) Vergl. „Deutsches Kolonialblalt“ 1895, S. 72.
	        
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