Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

fast nackten Eingeborenen. Um deren Gemüther sich 
beruhigen zu lassen, sehe ich vorerst von weiterem 
Besuche ab und hoffe dann in Frieden mit den 
Leuten auszukommen. 
Ich thue, was in Menschenmacht steht, gelingt 
es mir aber nicht, neue Bezugsquellen in einiger 
Nähe zu entdecken, werde ich mich an Tabora halten 
müssen. Die von mir angelegten Schamben, deren 
Ausdehnung nur durch den Mangel an Pflanzen- 
samen eingeschränkt wird, werden in vier bezw. 
sechs Monaten ihre Früchte, Maniok und Kartoffeln 
u. s. w., liefern und eine kostenlose Verpflegung der 
Askaris u. s. w. auf jedenfalls drei Monate ermög- 
lichen; und dann hoffe ich an die nunmehr erfolgte 
diesjährige Ernte einige Anforderungen stellen zu 
können. Für die erwähnten vier bis sechs Monate 
brauche ich aber begreiflicherweise eine große Menge 
Cerealien, und bei den Trägerpreisen Taboras wird 
jeder Sack sehr theuer zu stehen kommen. Ich gebe 
indeß die Hoffnung nicht auf, selbst unter solchen 
Umständen Mittel und Wege zu finden, dem Gou- 
vernement mehr oder minder die Kosten zu er- 
leichtern. 
Station in Ugogo. 
Die für Ugogo geplante neue Station ist nicht 
in Muhalala, sondern in Kilimatinde, einem zwei 
Stunden entfernten Platze, angelegt worden und 
führt danach ihren Namen. 
Schule in Dar##esSalam. 
Am 1. April d. Is. ist unter Leitung des Lehrers 
Nichter in Dar-es-Saläm ein deutsche Schule er- 
öffnet worden. Als Schulgebäude dient das so- 
genannte Seva Hadji-Hospital. Die Zahl der 
Schüler betrug in den ersten Tagen 10 bis 14. 
Es wird vor Allem Deutschschreiben und -sprechen, 
Singen und Turnen gelehrt. 
Bericht des Oberarztes Dr. Becker 
über die in Ostafrika im Winter 1894/95 vor- 
genommenen Impfungen mit Thier-Gluzerin-Lymphe 
aus dem Großherzoglichen Impfinstitut zu Karlsruhe.) 
Dar-es-Saläm, den 3. April 1895. 
Im Winter 1894/95 wurde zwei Mal Thier= 
Glyzerin-Lymphe vom Großbherzoglichen Impfinstitut 
zu Karlsruhe an das Gouvernement für Deutsch- 
Ostafrika geliefert. 
Die Lymphe der ersten Sendung war in Karls- 
ruhe vom Thier entnommen am 4. Januar 1895, 
traf am 31. Januar 1895 in Dar-es-Saläm ein 
und wurde in den nächstfolgenden Tagen zum Theil 
*) Vergl. Deutsches Kolonialblatt 1893, S. 338 ff. 
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in Dar-es-Saläm und zum Theil in Bagamoyo 
verimpft. Eine Lymphportion wurde dem Arzt des 
im Hafen von Dar-es-Saläm ankernden Kreuzers 
„Condor“ behufs Impfung eines noch nicht revarci- 
nirten Matrosen überlassen. 
1. Bei der Impfung in Dar-es-Saläm 
wurden am 4. und 5. Februar 1895 175 farbige 
Soldaten der Schutztruppe geimpft. Von diesen soll 
die abnorm hohe Zahl von 135 früher bereits die 
wahren Pocken überstanden haben. Außer diesen 
135 Leuten, die man sämmtlich den Wiederimpflingen 
zurechnen muß, waren 23 bereits früher mindestens 
einmal, zum Theil aber wiederholt geimpft worden. 
Die übrigen 17 Mann waren Erstimpflinge. Bei 
jedem Mann wurden mit stumpfer Lanzette 6 Schrasfi- 
rungen von folgender Form # auf den linken Ober- 
arm gemacht; Blutungen wurden dabei möglichst 
vermieden; in die durch Anspannen der Haut klaffend 
gemachten Schnitte wurde mittelst Elfenbeinspatels 
oder auch mit der frisch armirten Lanzette nochmals 
Impfsstoff eingerieben. Die Nachschau fand am 10. 
bezw. 11. Februar statt. Das Resultat war ein 
ausgezeichnetes, ja in einer Beziehung geradezu er- 
staunliches. Von den in Summa geimpften 175 Leu- 
ten, von denen, wie schon gesagt, 135 wahre Pocken 
überstanden haben wollten, zeigten 143 einen positiven 
Erfolg, das heißt 81,7 Prozent, und zwar hatten 
sich in Summa 967 Pusteln entwickelt. 
Von den 17 Erstimpflingen war die Impsung 
bei 16 Leuten erfolgreich, das heißt 94,1 Prozent. 
Dieselben hatten bei der Nachschau in Summa 
145 Pusteln aufzuwcisen, und zwar waren bei 
1 Mann 2, bei einem 3, bei einem 4, bei einem 5, 
bei einem 6, bei 11 aber mehr als 6, bis zu 15 
ja 20 Pusteln, entstanden. 
Die Wiederimpflinge möchte ich bezüglich des Re- 
sultates eintheilen in „wirkliche Wiederimpflinge“, das 
heißt solche, die bereits früher geimpft wurden, aber 
wahre Pocken nicht überstanden haben, und in die 
Leute, welche durch das frühere Ueberstehen wahrer 
Pocken in eine noch weit bessere Sitnation als die 
„wirklichen Wiederimpflinge“ versetzt waren. 
Bei den 23 „wirklichen Wiederimpflingen“ wurde 
in 19 Fällen ein gutes Resultat erzielt, das heißt in 
82,7 Prozent. Die genaunten 19 Fälle zeigten zu- 
sammen 109 Pusteln, und zwar 3 je 1 Pustel, 
1 2 Pusteln, 5 je 3 Pustelu, 2 je 4 Pustelu, 2 je 
5 Pusteln, 1 6 Pusteln, 5 mehr als je 6 Pusteln. 
Von den 135 Leuten, die früher wahre Pocken 
überstanden hatten, zeigten 108 ein positives Resultat 
— 80,0 Prozent mit 713 Pusteln. Die 108 mit 
Erfolg geimpften Leute zeigten 17 mal 1 Pustel, 
7 mal 2, 13 mal 3, 14 mal 4, 2 mal 5, 6 mal 6 
und 49 mal mehr als 6, ja bis zu 20 Pusteln. 
2. Impfung in Bagamoyo vom 10. Fe- 
bruar 1895. Derselben unterzogen sich 3 Europäer 
und 60 Farbige. Bei jedem Impfling wurden je 
fünf etwa 1 bis 1½ cm lange Impfschnitte auf den
	        
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