Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

weit — bis auf 30 km im Moximum — heran- 
zuholen, und dies auf den schwersten Sandwegen. 
Meinem amerikanischen Goldsucher folgte alsbald 
ein Boer. Ein Boer versteht bekanntlich Alles, und 
zwar selbstredend Alles auch viel besser wie z. B. ein 
Europäer. Warum nicht eine Straßenlokomotive führen? 
Dos ohnehin nicht allzu plötzliche Vorrücken der 
Lokomotive verlangsamte sich nunmehr erheblich; 
allerdings wurden die Wasserverhältnisse immer 
schwieriger. Um am Sonnabend arbeiten zu können, 
mußte man jetzt von Montag bis Freitag Wasser 
heranfahren. 
Kein Wunder also, daß diese Promenade des 
Dampfochsen von der Walfischbay nach Swakopmund 
durch den Dünensand ein Vierteljahr in Anspruch 
nahm. 
Als nun mein Boer die Maschine glücklich auf 
den „harten Grund“ nach Swakopmund, dem Aus- 
gangspunkt ihrer zukünftigen Thätigkeit, gebracht 
hatte — ihm gebührt unstreitig dies Verdienst —, 
stand die Ankunft einiger Kilometer leichten Feldbahn= 
geleises so unmittelbar bevor, daß ich diese abzuwarten 
beschloß, umsomehr als auch einige Wegebesserungen 
noch vorzunehmen waren. Und nachdem auch diese 
Geleise in einem weiteren Monat vom Strande bis 
zum „harten Grund“ verlegt waren, konnte der 
Betrieb beginnen. 
Meine Bemühungen, einen tüchtigen, nichtenglischen 
Maschinisten aus dem Kap zu bekommen, waren ver- 
geblich gewesen, und mein Boer wollte nicht mehr recht. 
Hatte er nie sonderlichen Werth auf Rein= und 
Instandhaltung der Maschine gelegt, so vernachlässigte 
er dieselbe jetzt ganz. Dabei mochten sich nun wohl 
auch frühere alte Vernachlässigungssünden rächen. 
Kurz und gut, wenn gefahren werden sollte, so 
stellte sich im letzten Augenblick in der Regel heraus, 
daß etwas nicht in Ordnung war, oder es brach 
gar im letzten Augenblick irgend etwas an der Ma- 
schine entzwei. 
Nur mit großer Mühe setzte ich einige Fahrten 
— meist mit Regierungsgütern — nach dem benach- 
barten Nonidas durch; übrigens war dieses gerade 
der bei Weitem schwerste Theil des Weges: mit noch 
größerer Mühe zwei Fahrten nach Heigamgab, wo- 
mit die geplante Endstation erreicht war. 
Bei diesen Fahrten lief der Dampfochse auf der 
schönen harten Hochebene südlich des Flusses so vor- 
züglich, daß ich meine Erwartungen sogar übertroffen 
sah. Selbst ein von mir gefürchtetes tieses Sand- 
loch bei Goanigamtes konnte demselben nur geringe 
Schwierigkeiten bereiten. 
Daß dies Alles aber nicht auf ciner nachträg- 
lichen Einbildung meinerseits beruht, dafür habe ich 
einen Beweis zu bringen; glücklicherweise bin ich 
dazu in der Lage: Vorsichtshalber hatte ich mir 
aus Deutschland einen großen Vorrath #etwa 4000 lau- 
sende Meter) schwerer Holzbohlen mitgebracht, welche 
ich an den tiefsandigen Stellen (zu ihrem Schutze 
einige Centimeter unter den Sand versenkt) schienen- 
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artig unterzulegen gedachte, damit die Triebräder 
wenigstens einige feste Reibungspunkte fänden. 
Alles dessen habe ich nicht bedurft; der Dampf- 
ochse überwand eben alle Hindernisse allein. 
Inzwischen schenkte der Kaiserliche Gouverneur, 
Herr Major Leutwein, Swakopmund die Ehre 
seines Besuches. Dieser ersuchte mich nun, da das 
Gespenst der Rinderpest unser Schutzgebiet wie das 
ganze übrige Südafrika mit unabwendbarer Sicher- 
heit heimzusuchen drohte, für das Zustandekommen 
eines leichten Schienenweges, wie ich denselben schon 
lange geplant und daher als fertiges Projekt dem 
Herrn Moajor zu unterbreiten in der Lage war, zu 
wirken und unverzüglich nach Hause zu reisen. 
Obwohl mir sofort klar war, daß ich damit 
meinem Dampfochsen selbst den Todesstoß geben und 
also ein Opfer bringen würde, das mir, ganz ab- 
gesehen vom investirten Kapital, absolut nicht leicht 
wurde, so erachtete ich es doch andererseits als meine 
patriotische Pflicht, das Unwichtigere für das Größere 
zu opfern, und willigte ein. 
So unbedingt brauchte ja aber, so lange wenig- 
stens die Feldbahn noch nicht in Betrieb war, die 
Maschine noch nicht der Ruhe zu pflegen. 
Ganz kurz vor meiner Abreise boten sich mir 
zu guter Letzt noch zwei weiße Kräfte an, wie ich sie 
schon so lange gesucht hatte, ein Bergmann und ein 
ausgedienter Reiter der Truppe, Schlosser seines 
Zeichens, beides tüchtige Leute und geschickte Arbeiter. 
Dieselben erklärten ganz richtig, zunächst mal eine 
gründliche Revision und umfassende Reparatur an 
Maschine und Wagen vornehmen zu müssen. 
Was dieselben nachher Positives als Lokomotiv-- 
führer ausgerichtet, kann ich nicht mehr aus eigener 
Anschauung berichten. 
Jedenfalls dauerte das Vergnügen nicht lange, 
denn was sonst an der Küste nur vielleicht alle zehn 
Jahre vorzukommen pPflegt und was ich zwar in 
meiner Kalkulation als Eventualität mit bedacht, aber 
doch nicht zu sehr berücksichtigen zu müssen geglaubt 
hatte: der Swakop „kam ab“, d. h. begann zu fließen, 
und zwar gerade in diesem Jahre so stark wie seit 
Menschengedenken kaum. Dabei wurde das Bett, 
dessen Ueberschreitung unumgänglich war, derartig 
versumpft, daß daran für eine lange Zeit nunmehr 
nicht mehr zu denken war. 
Damit war allerdings der Dampfochse zur Ruhe 
verdammt. 
Nachher trat erst meine und später die Regierungs- 
Feldbahn so in den Vordergrund und nahm alle 
verfügbaren Kräfte so in Anspruch, daß an eine Wieder- 
aufnahme des Betriebes nicht gedacht werden konnte. 
Und dennoch wird dereinst noch einmal die Ma- 
schine der Kolonie ihre Kraft spenden, wenn auch 
nur als Lokomobile; denn da sie auf sparsamen 
Kohlen= und Wasserverbrauch konstruirt ist, wird sich 
dieselbe zu vielerlei Zwecken vorzüglich eignen, z. B. 
vielleicht beim Hafenbau, vielleicht mit fortschreitender 
Entwickelung zu eleltrischer Beleuchtung 2c.
	        
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