Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

— 127 — 
Die Marschroute führte nunmehr nach XW 
durch die wenig bewohnte Landschaft Sagenghe nach 
dem Rwankwe genannten Bergland, dessen Berge 
etwa 250 m relative Höhe haben und, von NSO 
nach SSW streichend, die Ostausläufer des Nassa- 
gebirges bilden. Hier beginnt das Land des Sul- 
tans Kaponko von Nassa. Ein Missionsposten, zur 
Nassamission gehörig, befindet sich in Rwaukwe und 
zeugt von der Thätigkeit der protestantischen Missionare. 
Das Nassagebirge nördlich umgehend, gelangte die 
Expedition am 9. Juli nach Nassa, dem Sitz des 
Sultans Kaponko. Unweit des Dorses, an der 
Südostecke des Spekegolfes, liegt die Station Nassa 
der Church missionary societr. Der Leiter der 
Mission, Mr. Right, lebt mit Kaponko im besten 
Emvernehmen, der einer der wenigen Wasukuma- 
Sultane ist, welche einigen Einfluß besitzen. 
Nach Vereinigung mit der Safari des Leut- 
nants Sand in Nassa setzte sich nunmehr die zum 
Marsche nach Ugaya bestimmte Expedition, wie folgt, 
zusammen: 
4 Europäer: Hauptmann Schlobach, Lentnant 
Sand, Oberarzt Dr. Uhl, Unteroffizier 
Begoihn; 
73 Askari, 40 Elefantenjäger; 
1 Maximgeschütz, 1 3,7 cm Schnellladekanone. 
Nachdem Kaponko, soweit erforderlich, neue Träger 
gestellt hatte, wurde am 11. Juli der Marsch nach 
dem Norden angetreten, in die Zone des Völker- 
gemisches zwischen Usukuma und Ugaya. Es ist 
angenscheinlich, daß Nassa der nördlichste Wasukuma- 
staat ist. 
Das Ostufer des Spekegolfes ist bei Katoto an 
der Nordostecke durchweg bewohnt, aber nur in 
einem 200 bis 300 m breiten Streifen längs des 
Ufers. Rechts vom Wege liegen ununterbrochen 
mehrere Kilometer breite, schöne Schirmakazienwälder, 
auf die weiter nach Osten lichte Mbuga folgt. 
In diesem Küstensaume liegen die beiden Land- 
schaften Kalemera und Lukungu. Erstere wird von 
vorgeschobenen Waruri bewohnt, letztere von Waseka- 
leuten, welche aus Unyanyembe hierhergekommen sein 
wollen. Beide Landschaften gehören zum Sultanat 
Massanza, welches aber bedeutend südlicher liegt als 
Nassa. Diese merkwürdige Erscheinung erklärt sich 
nach den Aussagen der Bewohner so: Die Land- 
schaften gehörten früher zu Nassa. Die Großbäter 
der jetzigen Sultane von Nassa und Massanza haben 
darum gewürfelt, Massanza gewann. 
Nach Ueberschreitung des 20 m breiten und 4m 
tiefen Rwanaflusses, der wenig Wasser führte, wurde 
die an der Nordostecke des Spekegolfes belegene 
Landschaft erreicht, welche auf der Karte als Katoto 
bezeichnet ist, von den Bewohnern aber Guta ge- 
nannt wird. Dieselbe gehört bereits zum Reiche des 
Sultans Kitresa von Uschaschi. Nördlich und südlich 
der Ruwana erstrecken sich riesige Mbugas, die, mit 
kurzem Gras bestanden, völlig baumlos sind. Der 
  
  
Wildreichthum ist hier ein außerordentlicher. Zebra- 
heerden zu mehreren hundert Köpfen wurden mehr- 
mals gesehen, Gune, Leier= und Schwarzfersen- 
antilopen, Thomson-Gazellen 2c., ebenfalls in großen 
Hcerden, gewährten zusammen dem Auge des Rei- 
senden das Bild eines riesengroßen Thiergartens. 
Die Ruwananiederung ist von großer landschaftlicher 
Schönheit. Seltsame Gegensätze: Weithin aus- 
gedehnte, gelbe, fllimmernde Mbuga, im Norden die 
dunklen Baridiberge, im Westen der blaue Nyanza. 
Dazu Zebra= und Antilopenheerden. Ein reizvolles, 
Stimmung erweckendes Bild. Der Versuch eines 
Zebrafanges mißlang, doch werden mit Hülse des 
Sultans Kitresa weitere Versuche unternommen 
werden, deren Erfolg nicht ausbleiben kann, wenn 
ein zu diesem Zwecke disponibler Europäer sich 
längere Zeit dazu gönnen darf. Sultan Kitresa 
wohnt in den Baridibergen und gilt als Beherrscher 
von Uschaschi. Sein Benehmen gegen die Europäer 
ist gut, doch besitzt er leider nur geringen Einfluß. 
Sein östlicher Nachbar in den Ikiyubergen, Sultan 
Madudu, gilt als Zauberer und Regenmacher. Es 
hieß, er würde Krieg gegen die Europäer führen. 
Als jedoch die Expedition in seinem Lande erschien, 
zog er es vor, derselben mit Geschenken entgegen- 
zugehen. Er versprach Gehorsam und erhielt Schutz= 
brief und Flagge. Eine Sage der Waschaschi ver- 
dient hier Erwähnung. 
In einer Höhle im Baridiberge soll eine 
Wunderpembe (verzauberter Elfenbeinzahn) liegen. 
Wird dieselbe von Jemandem fortgetragen, so fliegt 
sie nachts wieder in ihre Höhle zurück. 
Nördlich der Baridiberge ist die Karte wieder sehr 
unvollkommen und unstimmig. Der Sugutifluß ent- 
springt in Wirklichkeit südlich des Mlandirira-Berg= 
stocks und fließt über Osten nach Norden und Westen 
um diese Berggruppe herum. Der Mlandirira ist 
ferner nicht ein einzelner kompakter Höhenzug, son- 
dern ein Komplex mehrerer 250 bis 300 m hoher 
Schiefer= und Quarzberge, die halbkreisförmig etwa 
von Westen über Norden nach Osten gelagert sind. 
Den Namen Mlandirira führt nur einer dieser Berge. 
In diesem System licgt auch der Tiringatiberg. 
Hier wurde am 21. Juli ein Eingeborener mit einem 
Gewehr X1/71 abgefaßt. Er gab an, das Gewehr in 
Utugulli gekauft zu haben, dessen Bewohner 1 ½ Jahre 
vorher zwei Askaris der Expedition des bana Major 
(Oberstleutnant v. Trotha) ermordet hätten. 
In weiterer Verfolgung dieser Angelegenheit ge- 
langte die Erpedition über Matale, westlich von 
Uhemba, am 25. Juli nach Utugulli in Sanakki. 
Die Bewohner benahmen sich feindselig, indem sie die 
Nachhut der Erpedition mit vergifteten Pfeilen be- 
schossen. Die Bestrafung der der Ermordung der 
beiden Askaris beschuldigten Dörfer wurde vorge- 
nommen. Der Sultan von Sanakki kam gelegentlich 
des Rückmarsches der Expedition zur Begrüßung und 
betheuerte seine Unschuld. Er erhielt Schutzbrief und 
Flagge. Die Bewohner der Sanakki dürften zu den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.