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Die Marschroute führte nunmehr nach XW
durch die wenig bewohnte Landschaft Sagenghe nach
dem Rwankwe genannten Bergland, dessen Berge
etwa 250 m relative Höhe haben und, von NSO
nach SSW streichend, die Ostausläufer des Nassa-
gebirges bilden. Hier beginnt das Land des Sul-
tans Kaponko von Nassa. Ein Missionsposten, zur
Nassamission gehörig, befindet sich in Rwaukwe und
zeugt von der Thätigkeit der protestantischen Missionare.
Das Nassagebirge nördlich umgehend, gelangte die
Expedition am 9. Juli nach Nassa, dem Sitz des
Sultans Kaponko. Unweit des Dorses, an der
Südostecke des Spekegolfes, liegt die Station Nassa
der Church missionary societr. Der Leiter der
Mission, Mr. Right, lebt mit Kaponko im besten
Emvernehmen, der einer der wenigen Wasukuma-
Sultane ist, welche einigen Einfluß besitzen.
Nach Vereinigung mit der Safari des Leut-
nants Sand in Nassa setzte sich nunmehr die zum
Marsche nach Ugaya bestimmte Expedition, wie folgt,
zusammen:
4 Europäer: Hauptmann Schlobach, Lentnant
Sand, Oberarzt Dr. Uhl, Unteroffizier
Begoihn;
73 Askari, 40 Elefantenjäger;
1 Maximgeschütz, 1 3,7 cm Schnellladekanone.
Nachdem Kaponko, soweit erforderlich, neue Träger
gestellt hatte, wurde am 11. Juli der Marsch nach
dem Norden angetreten, in die Zone des Völker-
gemisches zwischen Usukuma und Ugaya. Es ist
angenscheinlich, daß Nassa der nördlichste Wasukuma-
staat ist.
Das Ostufer des Spekegolfes ist bei Katoto an
der Nordostecke durchweg bewohnt, aber nur in
einem 200 bis 300 m breiten Streifen längs des
Ufers. Rechts vom Wege liegen ununterbrochen
mehrere Kilometer breite, schöne Schirmakazienwälder,
auf die weiter nach Osten lichte Mbuga folgt.
In diesem Küstensaume liegen die beiden Land-
schaften Kalemera und Lukungu. Erstere wird von
vorgeschobenen Waruri bewohnt, letztere von Waseka-
leuten, welche aus Unyanyembe hierhergekommen sein
wollen. Beide Landschaften gehören zum Sultanat
Massanza, welches aber bedeutend südlicher liegt als
Nassa. Diese merkwürdige Erscheinung erklärt sich
nach den Aussagen der Bewohner so: Die Land-
schaften gehörten früher zu Nassa. Die Großbäter
der jetzigen Sultane von Nassa und Massanza haben
darum gewürfelt, Massanza gewann.
Nach Ueberschreitung des 20 m breiten und 4m
tiefen Rwanaflusses, der wenig Wasser führte, wurde
die an der Nordostecke des Spekegolfes belegene
Landschaft erreicht, welche auf der Karte als Katoto
bezeichnet ist, von den Bewohnern aber Guta ge-
nannt wird. Dieselbe gehört bereits zum Reiche des
Sultans Kitresa von Uschaschi. Nördlich und südlich
der Ruwana erstrecken sich riesige Mbugas, die, mit
kurzem Gras bestanden, völlig baumlos sind. Der
Wildreichthum ist hier ein außerordentlicher. Zebra-
heerden zu mehreren hundert Köpfen wurden mehr-
mals gesehen, Gune, Leier= und Schwarzfersen-
antilopen, Thomson-Gazellen 2c., ebenfalls in großen
Hcerden, gewährten zusammen dem Auge des Rei-
senden das Bild eines riesengroßen Thiergartens.
Die Ruwananiederung ist von großer landschaftlicher
Schönheit. Seltsame Gegensätze: Weithin aus-
gedehnte, gelbe, fllimmernde Mbuga, im Norden die
dunklen Baridiberge, im Westen der blaue Nyanza.
Dazu Zebra= und Antilopenheerden. Ein reizvolles,
Stimmung erweckendes Bild. Der Versuch eines
Zebrafanges mißlang, doch werden mit Hülse des
Sultans Kitresa weitere Versuche unternommen
werden, deren Erfolg nicht ausbleiben kann, wenn
ein zu diesem Zwecke disponibler Europäer sich
längere Zeit dazu gönnen darf. Sultan Kitresa
wohnt in den Baridibergen und gilt als Beherrscher
von Uschaschi. Sein Benehmen gegen die Europäer
ist gut, doch besitzt er leider nur geringen Einfluß.
Sein östlicher Nachbar in den Ikiyubergen, Sultan
Madudu, gilt als Zauberer und Regenmacher. Es
hieß, er würde Krieg gegen die Europäer führen.
Als jedoch die Expedition in seinem Lande erschien,
zog er es vor, derselben mit Geschenken entgegen-
zugehen. Er versprach Gehorsam und erhielt Schutz=
brief und Flagge. Eine Sage der Waschaschi ver-
dient hier Erwähnung.
In einer Höhle im Baridiberge soll eine
Wunderpembe (verzauberter Elfenbeinzahn) liegen.
Wird dieselbe von Jemandem fortgetragen, so fliegt
sie nachts wieder in ihre Höhle zurück.
Nördlich der Baridiberge ist die Karte wieder sehr
unvollkommen und unstimmig. Der Sugutifluß ent-
springt in Wirklichkeit südlich des Mlandirira-Berg=
stocks und fließt über Osten nach Norden und Westen
um diese Berggruppe herum. Der Mlandirira ist
ferner nicht ein einzelner kompakter Höhenzug, son-
dern ein Komplex mehrerer 250 bis 300 m hoher
Schiefer= und Quarzberge, die halbkreisförmig etwa
von Westen über Norden nach Osten gelagert sind.
Den Namen Mlandirira führt nur einer dieser Berge.
In diesem System licgt auch der Tiringatiberg.
Hier wurde am 21. Juli ein Eingeborener mit einem
Gewehr X1/71 abgefaßt. Er gab an, das Gewehr in
Utugulli gekauft zu haben, dessen Bewohner 1 ½ Jahre
vorher zwei Askaris der Expedition des bana Major
(Oberstleutnant v. Trotha) ermordet hätten.
In weiterer Verfolgung dieser Angelegenheit ge-
langte die Erpedition über Matale, westlich von
Uhemba, am 25. Juli nach Utugulli in Sanakki.
Die Bewohner benahmen sich feindselig, indem sie die
Nachhut der Erpedition mit vergifteten Pfeilen be-
schossen. Die Bestrafung der der Ermordung der
beiden Askaris beschuldigten Dörfer wurde vorge-
nommen. Der Sultan von Sanakki kam gelegentlich
des Rückmarsches der Expedition zur Begrüßung und
betheuerte seine Unschuld. Er erhielt Schutzbrief und
Flagge. Die Bewohner der Sanakki dürften zu den