Waruri gehören. Ebenso wie bei diesen und bei den
Waschaschi herrscht die Sitte der Beschneidung.
Die Landschaft Sanakki bildet das Hinterland von
Ururi und ist bedeutend besser bewaldet als die
übrigen Länder am Ostufer des Sees. An einigen
Wasserläufen giebt es noch Bäume von solchen Dimen=
sionen, daß große Einbäume daraus gefertigt werden
können. Hier beginnt wieder die Granitformation
und setzt sich ohne Unterbrechung bis an die Gori-
bucht fort. In Sanakki, speziell in Uhemba, kommt
in Form feiner Erde und weichen Steines ein blut-
rother Farbstoff häufig vor, den alle Bewohner des
Ostufers benutzen, die Waruri besonders zum Be-
streichen des Kopfhaares.
Auf Bitten der die Expedition begleitenden Ele-
santenjäger wurde der Marsch nach der Marabucht
gerichtet. Südlich dieser Bucht, welche tief ins Land
einschneidet, liegen von Westen nach Osten die drei
Landschaften Kiroba, Jregi und Bukaua. Die Bewohner
von Kiroba sind Waruri und unterstehen dem Sultan
Kulinga. In Iregi und Bukaua wohnen vorgedrun-
gene Wakenye aus der Landschaft Bukenye, welche
etwa zwei Tagereisen landeinwärts am Mara liegt.
Die Wakenye sollen von den Massai abstammen. Die
nöthige Massaiwildheit konnte ihnen wenigstens nicht
abgesprochen werden.
Die Felsdörfer der Wakenye sind mit erstaunlichem
fortifikatorischem Raffinement auf 40 bis 50 m hohen,
steil emporragenden Granitfelsen angelegt. Etwaige
Brücken zwischen den Felsblöcken sind mit Cyklopen-
mauern geschlossen. Die runden kleinen Hütten stehen
dicht nebeneinander und erscheinen wie angeleimt auf
den nackten Felsblöcken. Nördlich des Maraflusses
bis nach Ugaia ist diese Anlage der Dörfer die üb-
liche, ein Beweis, welch kriegerische Verhältnisse bisher
in diesen Gegenden geherrscht haben.
Da auf der Südseite der Marabucht Kanus nicht
gefunden werden konnten, mußte am 26. Juli längs
der Marabucht stromaufwärts marschirt werden. Nach
dem Abmarsch der Expedition zeigte sich der gefähr-
liche Charakter der Wakenye. Mit wenigen Askaris
befand ich mich am Morgen in der Nähe des Lagers,
um eine Rundpeilung vorzunehmen, als plötzlich von
zwei Seiten etwa 50 bis 60 Krieger mit Schild und
Speer heranstürmten. Ehe es denselben gelang, auf
50 m heranzukommen, gab ich eine Salve ab. Als
einige der Angreifer fielen, entflohen die Uebrigen.
Beim Rückmarsch der Expedition erschienen die Leute
des in Irege wohnhaften Sultans Kehetenna, baten
um Frieden und um Bestätigung des neuen Sultans
Tschalwa. Kehetenna war von ihnen, wie sie angaben,
vertrieben worden, weil er ihnen den Krieg gegen
die Europäer befohlen habe.
Der Weitermarsch nach Osten längs der Mara-
bucht auf sumpfigem, mit niederem dichten Busch und
Schilf bestandenem Untergrunde unter fortwährender
Belästigung durch Moskitoschwärme ging mühsam von
Statten. Elefantenspuren zeigten, daß hier noch kleine
Elefantenherden leben. Erst am 2y. Juli gelang es,
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eine Uebergangsstelle gegenüber dem Felsdorfe des
Sultans Kibore oberhalb der Mündung des Mara
in seine Bucht zu finden. Das Ende der Bucht
konnte nicht festgestellt werden, da die Maraniederung
auch da, wo der Mara bereits den Charakter des
Flusses annimmt, als breite mit Papyrus verwachsene
Fläche erscheint. An der Uebergangsstelle hatte der
Fluß zur Zeit eine Breite von 40 m, eine gemessene
Wassertiese von 6 m und eine gemessene Strom-
geschwindigkeit von 1 m pro Sekunde. Mit Hülfe
zweier kleiner gebrechlicher Kanus, die der Sultan
Kibore herzuleihen im Stande war, wurde der Ueber-
gang der starken Karawane in mühsamer Weise in
drei Tagen bewerkstelligt. Die Leute des Hibore,
ebenfalls Wakenye, arbeiteten als Ruderer vom frühen
Morgen bis zum späten Abend. Einer derselben fiel
am dritten Tage infolge einer zu raschen ungeschickten
Bewegung ins Wasser und kam nicht wieder zunm
Vorschein. Ohne Zweifel hatte ihn ein Krokodil er-
faßt, welches an jenem Tage bereits mehrmals in der
Nähe der Uebergangsstelle bemerkt worden war.
Dasselbe hatte also durch die Karawane angelockt,
von der Bucht stromaufwärts schwimmend, den starken
Strom zu überwinden vermocht.
Nach Aussage der Wakenye kann der Mara in
der Regenzeit zu Fuß passirt werden, während er in
der Trockenzeit eine bedeutende Wassertiefe aufweist.
Verschiedene Wasukuma der Karawane sowie auch
die Elefantenjäger, welche zu verschiedenen Jahres-
zeiten früher den Fluß überschritten hatten, bestätigten
die Behauptung der Wakenye, so daß kein Grund
vorliegt, an der Richtigkeit derselben zu zweifeln.
Zur Zeit unseres Ueberganges im Monat Juli, einem
der trockensten Monate, war jedenfalls, wie oben ge-
schildert, der Wasserstand ein 6 m hoher, und zeigte
sich während des Zeitraums von vier Tagen nicht
die geringste Aenderung. Ebenso einwandfrei wie
diese Beobachtung dürfte die Mittheilung des Dr.
Fischer sein, welcher den Mara im Jannuar 1886
etwa einen Tagemarsch oberhalb unserer Uebergangs-
stelle ohne Schwierigkeit überschritt, worüber er in
„Petermanns Mittheilungen“, 32. Bd., 1886, Fol-
gendes schreibt: „Nachdem wir sodann mehrere Tage
durch unbewohntes, wegloses, zum Theil dicht bewal-
detes Terrain gezogen waren, gelangten wir nach
Durchgang des Maroaflüßchens, das wenig lehm-
farbenes Wasser in einem tiefen breiten Bett führte,
in die Gebiete von Kiniamongo 2c.“
Hierzu ist zu bemerken, daß der Jannar zwischen
großer und kleiner Regenzeit liegt. Nach Aussage
der Wakenye führt der Mara die von uns beobachtete
Wassermenge vom Schlusse der großen Regenzeit bis
zu dem der kleinen annähernd gleichmäßig, alsdann
sinkt er allmählich.
Der Mara ist demnach zwar als ein periodischer
Wasserlauf zu betrachten, der aber niemals ganz aus-
zutrocknen scheint; sein Charakter ist jedoch von dem
anderer afrikanischer Flüsse völlig abweichend, indem
er seine größte Wassermenge in der Trockenzeit führt.