Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

Waruri gehören. Ebenso wie bei diesen und bei den 
Waschaschi herrscht die Sitte der Beschneidung. 
Die Landschaft Sanakki bildet das Hinterland von 
Ururi und ist bedeutend besser bewaldet als die 
übrigen Länder am Ostufer des Sees. An einigen 
Wasserläufen giebt es noch Bäume von solchen Dimen= 
sionen, daß große Einbäume daraus gefertigt werden 
können. Hier beginnt wieder die Granitformation 
und setzt sich ohne Unterbrechung bis an die Gori- 
bucht fort. In Sanakki, speziell in Uhemba, kommt 
in Form feiner Erde und weichen Steines ein blut- 
rother Farbstoff häufig vor, den alle Bewohner des 
Ostufers benutzen, die Waruri besonders zum Be- 
streichen des Kopfhaares. 
Auf Bitten der die Expedition begleitenden Ele- 
santenjäger wurde der Marsch nach der Marabucht 
gerichtet. Südlich dieser Bucht, welche tief ins Land 
einschneidet, liegen von Westen nach Osten die drei 
Landschaften Kiroba, Jregi und Bukaua. Die Bewohner 
von Kiroba sind Waruri und unterstehen dem Sultan 
Kulinga. In Iregi und Bukaua wohnen vorgedrun- 
gene Wakenye aus der Landschaft Bukenye, welche 
etwa zwei Tagereisen landeinwärts am Mara liegt. 
Die Wakenye sollen von den Massai abstammen. Die 
nöthige Massaiwildheit konnte ihnen wenigstens nicht 
abgesprochen werden. 
Die Felsdörfer der Wakenye sind mit erstaunlichem 
fortifikatorischem Raffinement auf 40 bis 50 m hohen, 
steil emporragenden Granitfelsen angelegt. Etwaige 
Brücken zwischen den Felsblöcken sind mit Cyklopen- 
mauern geschlossen. Die runden kleinen Hütten stehen 
dicht nebeneinander und erscheinen wie angeleimt auf 
den nackten Felsblöcken. Nördlich des Maraflusses 
bis nach Ugaia ist diese Anlage der Dörfer die üb- 
liche, ein Beweis, welch kriegerische Verhältnisse bisher 
in diesen Gegenden geherrscht haben. 
Da auf der Südseite der Marabucht Kanus nicht 
gefunden werden konnten, mußte am 26. Juli längs 
der Marabucht stromaufwärts marschirt werden. Nach 
dem Abmarsch der Expedition zeigte sich der gefähr- 
liche Charakter der Wakenye. Mit wenigen Askaris 
befand ich mich am Morgen in der Nähe des Lagers, 
um eine Rundpeilung vorzunehmen, als plötzlich von 
zwei Seiten etwa 50 bis 60 Krieger mit Schild und 
Speer heranstürmten. Ehe es denselben gelang, auf 
50 m heranzukommen, gab ich eine Salve ab. Als 
einige der Angreifer fielen, entflohen die Uebrigen. 
Beim Rückmarsch der Expedition erschienen die Leute 
des in Irege wohnhaften Sultans Kehetenna, baten 
um Frieden und um Bestätigung des neuen Sultans 
Tschalwa. Kehetenna war von ihnen, wie sie angaben, 
vertrieben worden, weil er ihnen den Krieg gegen 
die Europäer befohlen habe. 
Der Weitermarsch nach Osten längs der Mara- 
bucht auf sumpfigem, mit niederem dichten Busch und 
Schilf bestandenem Untergrunde unter fortwährender 
Belästigung durch Moskitoschwärme ging mühsam von 
Statten. Elefantenspuren zeigten, daß hier noch kleine 
Elefantenherden leben. Erst am 2y. Juli gelang es, 
128 
  
eine Uebergangsstelle gegenüber dem Felsdorfe des 
Sultans Kibore oberhalb der Mündung des Mara 
in seine Bucht zu finden. Das Ende der Bucht 
konnte nicht festgestellt werden, da die Maraniederung 
auch da, wo der Mara bereits den Charakter des 
Flusses annimmt, als breite mit Papyrus verwachsene 
Fläche erscheint. An der Uebergangsstelle hatte der 
Fluß zur Zeit eine Breite von 40 m, eine gemessene 
Wassertiese von 6 m und eine gemessene Strom- 
geschwindigkeit von 1 m pro Sekunde. Mit Hülfe 
zweier kleiner gebrechlicher Kanus, die der Sultan 
Kibore herzuleihen im Stande war, wurde der Ueber- 
gang der starken Karawane in mühsamer Weise in 
drei Tagen bewerkstelligt. Die Leute des Hibore, 
ebenfalls Wakenye, arbeiteten als Ruderer vom frühen 
Morgen bis zum späten Abend. Einer derselben fiel 
am dritten Tage infolge einer zu raschen ungeschickten 
Bewegung ins Wasser und kam nicht wieder zunm 
Vorschein. Ohne Zweifel hatte ihn ein Krokodil er- 
faßt, welches an jenem Tage bereits mehrmals in der 
Nähe der Uebergangsstelle bemerkt worden war. 
Dasselbe hatte also durch die Karawane angelockt, 
von der Bucht stromaufwärts schwimmend, den starken 
Strom zu überwinden vermocht. 
Nach Aussage der Wakenye kann der Mara in 
der Regenzeit zu Fuß passirt werden, während er in 
der Trockenzeit eine bedeutende Wassertiefe aufweist. 
Verschiedene Wasukuma der Karawane sowie auch 
die Elefantenjäger, welche zu verschiedenen Jahres- 
zeiten früher den Fluß überschritten hatten, bestätigten 
die Behauptung der Wakenye, so daß kein Grund 
vorliegt, an der Richtigkeit derselben zu zweifeln. 
Zur Zeit unseres Ueberganges im Monat Juli, einem 
der trockensten Monate, war jedenfalls, wie oben ge- 
schildert, der Wasserstand ein 6 m hoher, und zeigte 
sich während des Zeitraums von vier Tagen nicht 
die geringste Aenderung. Ebenso einwandfrei wie 
diese Beobachtung dürfte die Mittheilung des Dr. 
Fischer sein, welcher den Mara im Jannuar 1886 
etwa einen Tagemarsch oberhalb unserer Uebergangs- 
stelle ohne Schwierigkeit überschritt, worüber er in 
„Petermanns Mittheilungen“, 32. Bd., 1886, Fol- 
gendes schreibt: „Nachdem wir sodann mehrere Tage 
durch unbewohntes, wegloses, zum Theil dicht bewal- 
detes Terrain gezogen waren, gelangten wir nach 
Durchgang des Maroaflüßchens, das wenig lehm- 
farbenes Wasser in einem tiefen breiten Bett führte, 
in die Gebiete von Kiniamongo 2c.“ 
Hierzu ist zu bemerken, daß der Jannar zwischen 
großer und kleiner Regenzeit liegt. Nach Aussage 
der Wakenye führt der Mara die von uns beobachtete 
Wassermenge vom Schlusse der großen Regenzeit bis 
zu dem der kleinen annähernd gleichmäßig, alsdann 
sinkt er allmählich. 
Der Mara ist demnach zwar als ein periodischer 
Wasserlauf zu betrachten, der aber niemals ganz aus- 
zutrocknen scheint; sein Charakter ist jedoch von dem 
anderer afrikanischer Flüsse völlig abweichend, indem 
er seine größte Wassermenge in der Trockenzeit führt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.