ein Gerücht gebildet, wonach die Expedition in einem
großen Gefecht völlig vernichtet worden sei, er selbst
habe es sofort als ein Lügengerücht bezeichnet. Die
Thatsache jedoch, daß ein alter Sultan, wie Mkaka,
sich zu einer großen Seereise entschlossen hatte, be-
wies das Gegentheil. Die Kanuflottille hatte den
Weg von Muanza nach der Moribucht in neun
Tagen zurückgelegt.
Nördlich der Moribucht beginnt Ugaya
seinem südlichsten Theile, dem Lande Schirati, dessen
Bewohner sich Wasoba nennen. Der Sultan Rybogo
bewies in jeder Hinsicht die größte Zuvorkommen-
heit und ruhte nicht, bis Blutsfreundschaft mit ihm
geschlossen wurde, auch versprach er, alle erforder-
lichen Dienste zu leisten für den Fall, daß wir an
seiner Küste eine Boma bauen wollten. Diese Be-
reitwilligkeit des Sultans Rybogo entsprang aber
nicht, wie man annehmen möchte, der Massaifurcht,
sondern wohl vielmehr dem Wunsche, von den Enro-
päern durch Handel zu verdienen.
Für den Handel scheinen nämlich die Leute einen
sehr ausgebildeten Sinn zu besitzen. Der Mann,
welcher sein kleines Körbchen Mchl feilbietet, hält
dasselbe in der linken Hand so lange fest, bis er in
der rechten den Kaufpreis hat. Den begehrtesten
Handelsartikel bilden eiserne Hackenblätter und Perlen.
Stoffe werden ungern als Zahlung angenommen, da
Männern und Weibern eine dürftige Fellkleidung
genügt.
Die Wasoba sind kriegerische, wohlgebaute Leute,
sie führen lange Lederschilde und Speere. Als
Kriegsschmuck tragen sie vor der Stirn ein Stück
mit Perlen geziertes, meist schwarz, weiß, roth ge-
färbtes Straußenei, so daß dessen hohle Seite nach
außen zeigt. Die, wie überall in Ururi und Ugaya
üblichen cisernen Manschetten, die Unterschenkel und
Unterarme zur Hälfte bedecken, erhöhen noch das
kriegerische Aussehen der Wagaya. Die Dörfer sind
mit einer 2,5 bis 3 m hohen, dicken Lehmmauer
umgeben, die in früherer Zeit zur Vertheidigung
gegen die Massai errichtet worden ist. In den
letzten Jahren hat nach Angabe der Wasoba ein
Massaieinfall nicht stattgesunden.
Ein eigenthümlicher Gebrauch gebictet den Wa-
soba und angeblich allen Wagaya bereits den Kin-
dern, wenn sie ctwa das achte Lebensjahr erreicht
haben, die vier Schneidezähne des Unterkiefers heraus-
zubrechen, damit, wie sie sagen, der Nauch der Pfeife,
die Jeder im Munde führt, bequem durch! die Zahn-
lücke herausgeblasen werden könne (5)). Der ritter-
liche Sinn der Wagaya zeigt sich in ihrer Krieg-
führung, die nach ihrer Schilderung folgendermaßen
vor sich geht. Wenn zwei Stämme oder Dorf-
schaften einen Stranß auszufechten haben, kündigen
sie sich den Kricg an und siellen sich am bestimmten
Tage in einer Emfernung von mehreren Kilomctern
einander gegenüber auf, wobei jede Partei ihr ganzes
Vieh mitbringt und hinter sich postirt. In der
Mitte wird der Kampf ausgefochten, so daß also der
mit
130
siegreichen Partei leicht das Vieh der unterlegenen
zufallen muß.
Das Gelände an der Schiratibucht ist in der
Nähe derselben sast völlig flach und kahl, erst
mehrere Kilometer landeinwärts erheben sich niedere,
bewaldete Höhenrücken. Die Bucht zeigt fast durch-
weg einen sauberen Strand ohne Papyrusschungeln,
so daß Moskito hier nicht existiren. Da auch das
Hinterland frei von Sümpfen ist, muß die Lage der
Schiratibucht in gesundheitlicher Hinsicht als eine
sehr günstige bezeichnet werden. Aus diesem Grunde
und weil Schirati die einzige gutbevölkerte Land-
schaft des für die Anlage einer Station in Betracht
kommenden Ostufers des Nyanza ist, die auch ein
bevölkertes Hinterland hat, beschloß ich, hier zur An-
lage des befohlenen Postens zu schreiten. Ein in
taktischer Beziehung guter Platz wurde auf der Spitze
der Landzunge gesunden, die auch der Sultan Rybogo
bewohnt, unweit von dessen Boma. Der Platz liegt
etwa 250 m vom Nyanza ab, etwa 30 m über dem-
selben und ist auf drei Seiten vom See umgeben.
Die Aussicht reicht bis an die Spitze des Bwikasse-
Vorgebirges, welches die sogenannte Kwirondobucht
im Norden begrenzt.
Am 12. August fand die feierliche Eröffnung des
Postens in Gegenwart des Sultans Rybogo und
seiner Manangwa statt, wobei die Flagge gehißt und
Salutschüsse abgegeben wurden. Als Besatzung des
Postens wurden bestimmt: Leutnant Sand, Unter-
offizier Begoihn und 40 Askari, dazu eine Schnell-
ladekanone.
Um die Lage des Postens im Verhältniß zur
englischen Grenze, dem 1. Grad südlicher Breite, fest-
zustellen, wurden mehrere Meridianzenithdistanzen
gemessen und ergaben die Messungen mit guter
Uebereinstimmung eine südliche Breite von 1%9 77,
d. h. also einen südlichen Abstand von rund 13 km
vom 1. Grad. Diese und andere meiner Messungen
bestätigen, daß der Gorifluß dicht südlich vom
1. Grade liegt. Bis also die Grenzfrage einmal
eine brennende werden sollte, was in absehbarer
Zeit nicht zu erwarten sein dürfte, ergiebt sich der
Gorifluß als natürliche Grenze.
Am 13. August wurde ein Orientirungsmarsch
bis in die Nähe des Gori unternommen. Die Be-
wohner der Dörser Ngoro und Nyankazi, etwa
3 km südlich des Gori gelegen, sind bereits Wademi.
Dieselben ließen es an nichts fehlen, um unsere
Freundschaft zu erwerben.
Der Rückmarsch am 15. August nach der lang
vorspringenden Halbinsel Mohurru, die zwischen der
Schirati= und Kavirondobucht liegt, in das kleine
Sultanat des Maridja. Im Gegensatz zu einer
Schilderung eincs früheren Reisenden, zeigten sich
die Bewohner von Mohurru als friedfertige Leutc.
Vom 16. Angust an wurde der Rückweg na
Muanza auf kürzestem Wege in starken Märschen
durchgefuhrt, um die Dauer der Expedition soweit
als möglich zu beschränken.