Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

ein Gerücht gebildet, wonach die Expedition in einem 
großen Gefecht völlig vernichtet worden sei, er selbst 
habe es sofort als ein Lügengerücht bezeichnet. Die 
Thatsache jedoch, daß ein alter Sultan, wie Mkaka, 
sich zu einer großen Seereise entschlossen hatte, be- 
wies das Gegentheil. Die Kanuflottille hatte den 
Weg von Muanza nach der Moribucht in neun 
Tagen zurückgelegt. 
Nördlich der Moribucht beginnt Ugaya 
seinem südlichsten Theile, dem Lande Schirati, dessen 
Bewohner sich Wasoba nennen. Der Sultan Rybogo 
bewies in jeder Hinsicht die größte Zuvorkommen- 
heit und ruhte nicht, bis Blutsfreundschaft mit ihm 
geschlossen wurde, auch versprach er, alle erforder- 
lichen Dienste zu leisten für den Fall, daß wir an 
seiner Küste eine Boma bauen wollten. Diese Be- 
reitwilligkeit des Sultans Rybogo entsprang aber 
nicht, wie man annehmen möchte, der Massaifurcht, 
sondern wohl vielmehr dem Wunsche, von den Enro- 
päern durch Handel zu verdienen. 
Für den Handel scheinen nämlich die Leute einen 
sehr ausgebildeten Sinn zu besitzen. Der Mann, 
welcher sein kleines Körbchen Mchl feilbietet, hält 
dasselbe in der linken Hand so lange fest, bis er in 
der rechten den Kaufpreis hat. Den begehrtesten 
Handelsartikel bilden eiserne Hackenblätter und Perlen. 
Stoffe werden ungern als Zahlung angenommen, da 
Männern und Weibern eine dürftige Fellkleidung 
genügt. 
Die Wasoba sind kriegerische, wohlgebaute Leute, 
sie führen lange Lederschilde und Speere. Als 
Kriegsschmuck tragen sie vor der Stirn ein Stück 
mit Perlen geziertes, meist schwarz, weiß, roth ge- 
färbtes Straußenei, so daß dessen hohle Seite nach 
außen zeigt. Die, wie überall in Ururi und Ugaya 
üblichen cisernen Manschetten, die Unterschenkel und 
Unterarme zur Hälfte bedecken, erhöhen noch das 
kriegerische Aussehen der Wagaya. Die Dörfer sind 
mit einer 2,5 bis 3 m hohen, dicken Lehmmauer 
umgeben, die in früherer Zeit zur Vertheidigung 
gegen die Massai errichtet worden ist. In den 
letzten Jahren hat nach Angabe der Wasoba ein 
Massaieinfall nicht stattgesunden. 
Ein eigenthümlicher Gebrauch gebictet den Wa- 
soba und angeblich allen Wagaya bereits den Kin- 
dern, wenn sie ctwa das achte Lebensjahr erreicht 
haben, die vier Schneidezähne des Unterkiefers heraus- 
zubrechen, damit, wie sie sagen, der Nauch der Pfeife, 
die Jeder im Munde führt, bequem durch! die Zahn- 
lücke herausgeblasen werden könne (5)). Der ritter- 
liche Sinn der Wagaya zeigt sich in ihrer Krieg- 
führung, die nach ihrer Schilderung folgendermaßen 
vor sich geht. Wenn zwei Stämme oder Dorf- 
schaften einen Stranß auszufechten haben, kündigen 
sie sich den Kricg an und siellen sich am bestimmten 
Tage in einer Emfernung von mehreren Kilomctern 
einander gegenüber auf, wobei jede Partei ihr ganzes 
Vieh mitbringt und hinter sich postirt. In der 
Mitte wird der Kampf ausgefochten, so daß also der 
mit 
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siegreichen Partei leicht das Vieh der unterlegenen 
zufallen muß. 
Das Gelände an der Schiratibucht ist in der 
Nähe derselben sast völlig flach und kahl, erst 
mehrere Kilometer landeinwärts erheben sich niedere, 
bewaldete Höhenrücken. Die Bucht zeigt fast durch- 
weg einen sauberen Strand ohne Papyrusschungeln, 
so daß Moskito hier nicht existiren. Da auch das 
Hinterland frei von Sümpfen ist, muß die Lage der 
Schiratibucht in gesundheitlicher Hinsicht als eine 
sehr günstige bezeichnet werden. Aus diesem Grunde 
und weil Schirati die einzige gutbevölkerte Land- 
schaft des für die Anlage einer Station in Betracht 
kommenden Ostufers des Nyanza ist, die auch ein 
bevölkertes Hinterland hat, beschloß ich, hier zur An- 
lage des befohlenen Postens zu schreiten. Ein in 
taktischer Beziehung guter Platz wurde auf der Spitze 
der Landzunge gesunden, die auch der Sultan Rybogo 
bewohnt, unweit von dessen Boma. Der Platz liegt 
etwa 250 m vom Nyanza ab, etwa 30 m über dem- 
selben und ist auf drei Seiten vom See umgeben. 
Die Aussicht reicht bis an die Spitze des Bwikasse- 
Vorgebirges, welches die sogenannte Kwirondobucht 
im Norden begrenzt. 
Am 12. August fand die feierliche Eröffnung des 
Postens in Gegenwart des Sultans Rybogo und 
seiner Manangwa statt, wobei die Flagge gehißt und 
Salutschüsse abgegeben wurden. Als Besatzung des 
Postens wurden bestimmt: Leutnant Sand, Unter- 
offizier Begoihn und 40 Askari, dazu eine Schnell- 
ladekanone. 
Um die Lage des Postens im Verhältniß zur 
englischen Grenze, dem 1. Grad südlicher Breite, fest- 
zustellen, wurden mehrere Meridianzenithdistanzen 
gemessen und ergaben die Messungen mit guter 
Uebereinstimmung eine südliche Breite von 1%9 77, 
d. h. also einen südlichen Abstand von rund 13 km 
vom 1. Grad. Diese und andere meiner Messungen 
bestätigen, daß der Gorifluß dicht südlich vom 
1. Grade liegt. Bis also die Grenzfrage einmal 
eine brennende werden sollte, was in absehbarer 
Zeit nicht zu erwarten sein dürfte, ergiebt sich der 
Gorifluß als natürliche Grenze. 
Am 13. August wurde ein Orientirungsmarsch 
bis in die Nähe des Gori unternommen. Die Be- 
wohner der Dörser Ngoro und Nyankazi, etwa 
3 km südlich des Gori gelegen, sind bereits Wademi. 
Dieselben ließen es an nichts fehlen, um unsere 
Freundschaft zu erwerben. 
Der Rückmarsch am 15. August nach der lang 
vorspringenden Halbinsel Mohurru, die zwischen der 
Schirati= und Kavirondobucht liegt, in das kleine 
Sultanat des Maridja. Im Gegensatz zu einer 
Schilderung eincs früheren Reisenden, zeigten sich 
die Bewohner von Mohurru als friedfertige Leutc. 
Vom 16. Angust an wurde der Rückweg na 
Muanza auf kürzestem Wege in starken Märschen 
durchgefuhrt, um die Dauer der Expedition soweit 
als möglich zu beschränken.
	        
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