Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

rufen, der sie in recht heidnischer Weise, trotzdem er 
nicht unvermögend ist, einfach hatte hungern 
lassen! Er wurde von mir in Gegenwart des 
Jumben tüchtig ausgescholten und versprach, für seine 
Frau besser sorgen zu wollen als bisher. — Die 
Leute drängen sich zu uns, auch die Kirchengottes- 
dienste sind bisweilen überfüllt. Nun wollte ich 
mir eigentlich ein Häuschen bauen, auch aus 
Luftziegeln, ich habe auch in Berlin angefragt, aber 
bis jetzt noch keine Antwort erhalten. 
Euer dankbarer 
Ernst Liebau, 
evangelischer Missionar. 
Die Redaktion des „Dortm. Anzeiger" fügt hinzu: 
Der Brief läßt uns furchtbare Tiefen der 
Noth blicken. Können wir unseres täglichen Brotes 
uns freuen, ohne unserer schwarzen Brüder in 
Afrika zu gedenken? — Aber bei solchen besonderen 
Nothständen werden wir sicherlich auch noch ein 
Extrascherflein übrig haben für die hungernden 
Schwarzen in Afrika. 
Dieser Brief ist einer jener Artikel, welche, das 
geben wir zu, in der uneigennützigsten Absicht ge- 
schrieben sein mögen, die jedoch einen mit den hiesigen 
Verhältnissen vertrauten Leferkreis bedingen, dagegen 
aber bei unseren Landsleuten, welche unsere Kolonie 
nicht aus eigener Anschauung kennen, ein völlig 
falsches Bild entstehen lassen. 
Es ist ja Thatsache, daß wenn auch nicht „im 
Lande“, so doch in einzelnen Theilen desselben, sei 
es nun infolge von Heuschrecken oder einer aus- 
bleibenden Regenperiode zeitweise Nahrungsmangel 
eintritt. Jedoch bemüht sich die Regierung mit 
Erfolg dieser akuten Nothlage durch Vertheilung von 
Saat und Nahrungsmitteln wie Matama, Reis 2c. 
zu steuern. Speziell an Kisserawe sind vor zwei 
Monaten Erdnüsse zur Saat gesandt worden, von 
denen allerdings nichts aufgegangen sein soll. Wahr- 
scheinlich aber ist der schon oft vorgekommene Fall 
eingetreten, daß die Saat von den Eingeborenen 
einfach verzehrt worden ist. Weiterhin sind erst im 
vorigen Monat 484 Lasten Matama zu je 70 Pfund 
(nach Kisserawe allein 40 Lasten) zumeist an Missionen 
abgegeben und die Häuptlinge, Akiden und Jumben 
angewiesen worden, an die heimgesuchten Gegenden 
Vorderladergewehre und Munition abzugeben. Jedoch 
wer essen will, soll auch arbeiten. 
Aber die Arbeit ist den Eingeborenen bei ihrer 
Trägheit, über die noch in der in voriger Nummer 
besprochenen kaufmännischen Versammlung allseitig 
Klage geführt wurde, ein unwillkommen Ding, und 
man geht nicht zu weit mit der Behauptung, daß 
dieselben lieber hungern als arbeiten. Es ist vor- 
gekommen, daß ein Jumbe mit seinen Leuten zu 
Regierungsvertretern mit der Bitte um Essen ge- 
kommen ist, sich jedoch, nachdem er kurze Zeit zu 
entsprechenden Arbeitsleistungen herangezogen wurde, 
sammt seinem Anhang aus dem Staube machte. 
Erst vorgestern erschien bei dem Baumeister Günter 
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ein Schwarzer und bettelte um Nahrung, rückte aber, 
als er sich dieselbe durch eine verhältnißmäßig leichte 
Arbeit verdienen sollte, nach den ersten Versuchen 
aus. — Und woher kommt es, daß von der Pflanzer- 
vereinigung etwa 1500 Arbeiter mit so wenig Erfolg 
gesucht wurden, und Träger für Karawanen so schwer 
erhältlich sind? 
Gerade über die Hungersnoth in Kisserawe 
schreibt uns ein momentan dort weilender, mit den 
hiesigen Verhältnissen seit vielen Jahren genau ver- 
trauter Regierungsbeamter, es würde viel schlimmer 
gemacht, als es in Wirklichkeit ist. Gerade hier 
stehen die Leistungen der Regierung als des Brot- 
gebers durchaus nicht im Einklang mit den Gegen- 
leistungen der Unterstützten. In der Nähe von 
Kisserawe sollen die öffentlichen Straßen 
völlig verwachsen sein. Von der Restaurirung 
derselben ist in dem Briefe Liebaus keine Rede, 
sondern nur von der Aufführung von Privatbauten. 
Solange die äußerst anspruchslosen Eingeborenen 
noch Wurzeln zur Nahrung haben, und wenn das 
Suchen derselben auch mühevoll ist, werden sie nicht 
verhungern, und bei der großen Answahl verschiedener 
Sorten kann auch die „gistig“ sein sollende Wurzel 
wohl gemieden werden. 
Die Art, in welcher von der Bezahlung für das 
Tragen von Lasten gesprochen wird, hinterläßt den 
Eindruck, als ob dieselbe kein Aequivalent für die 
Leistungen der Kisserawer Eingeborenen bedeutet. 
Hier an der Küste bekommt ein, von morgens 6 bis 
abends 6 Uhr arbeitender Schwarzer 16 Pesa gleich 
1¼ Rupie, womit er bei seiner schon erwähnten An- 
spruchslosigkeit völlig zufrieden ist, und aus zuver- 
lässiger Quelle erfahren wir, daß in Kisserawe hin 
und wieder das Doppelte bezahlt wurde, wozu gar 
kein Grund vorliegt, da in dem benachbarten Kola 
alle Lebensmittel zu normalen Preisen erhältlich sind. 
Aus dem Gesagten geht hervor, daß der geringe 
Nutzen, den derartige, wenn auch vielleicht gut ge- 
meinte, aber krasse, in ihrer Einseitigkeit und Un- 
vollkommenheit leicht mißzuverstehende Veröffent- 
lichungen zeitigen, nicht im Verhältniß zu dem 
Schaden steht, den sie bei mit den hiesigen Verhält- 
nissen nicht Vertrauten anrichten, indem sie dazu 
angethan sind, nicht nur bei dem von Natur aus 
vorsichtigen Deutschen im Allgemeinen, sondern auch 
selbst bei Freunden unserer kolonialen Bestrebungen 
unnöthige und in ihrer Konsequenz unserer Kolonie 
schädliche Bedenken zu erregen. 
Der Forschungsreisende Dr. Richard Randt 
befand sich Anfang Januar d. Is. in Kitebe am 
Russissi, nachdem er Tabora, Ugunda, Uschirombo, 
Missugi, Kesa, Ruvuvu, Kagera, Nyavarongo und 
Mkunga berührt hatte. Von dort wollte er das 
Gebiet des Kivu-Sees erforschen. 
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