Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

Daß die südlichen Gegenden Deutsch-Ostafrikas 
früher viel reicher an Kautschuk gewesen sind als jetzt, 
scheint aus einem Bericht des englischen Vizekonsuls 
in Sansibar, Mr. F. Holmwood, hervorzugehen, 
der angiebt, daß in den Distrikten Mungao (wohl 
Wangao) und Kilwa Kautschuk zu emem neuen Han- 
delsartikel geworden sei und zur Zeit (1880) der 
Export jährlich 1000 Tons überschreite; jedoch gab 
es damals keine wirkliche Ausfuhrstatistik, so daß 
vielleicht die Zahl übertrieben hoch angenommen 
sein mag. 
In Lindi kommen nach Mittheilungen und Probe- 
einsendungen von Herrn B. Perrot augenblicklich 
vier Sorten auf den Markt, von denen zwei im 
vorigen Jahre noch nicht von ihm erwähnt wurden. 
Nyassa-, Mavia= und Mucrakautschuk sind die 
besten des dortigen Handels, während der früher so 
berühmte Matschamba-Kautschuk immer schlechter und 
schlechter wird. Der Wurzelkautschuk Mpira ya 
Kuponda wird jetzt infolge des Aussuhrverbotes gar 
nicht mehr gewonnen. 
1. MuEêra-Kautschuk, aus dem Hinterlande von 
Lindi, nach der Probe hellbraune, ziemlich regel- 
mäßig übersponnene Kugeln von etwa 3 cm 
Durchmesser.“) 
2. Matschamba-Kautschuk, aus dem Hinterland von 
Milindani, nach der Probe schwarzbraune, außen 
tief runzelige Kugeln von 3½ cm Durchmesser, 
bei denen nur einzelne Kautschukfäden außen 
sichtbar sind. 
3. Mavia-Kautschuk, aus dem portugiesischen Ge- 
biet, nach der Probe hellbraune, mit sehr hellen 
Fäden übersponnene Kugeln von 41/ cm Durch- 
messer. Es findet neuerdings ein beträchtlicher 
Import dieser Sorten statt. 
4. Nyassa-Kautschuk, vom Nyassagebiet, nach der 
Probe schwärzliche, aber wenig runzelige Kugeln 
von 3½ cm Durchmesser, bei denen Kautschuk- 
fäden gar nicht oder kaum sichtbar sind. 
„Der Nyassa-Kautschuk kam“, wie Perrot Ende 
vorigen Jahres schreibt, „in diesem Jahre zum ersten 
Male in größerer Menge nach Lindi, hauptsächlich 
auf Veranlassung des bedeutenden Häuptlings Mirambo 
am Nordende des Sees. Auch die Wangoni, die jetzt 
nothgedrungen das Räuberleben sein lassen müssen, 
beschäftigen sich mit Kautschukgewinnung und verdingen 
sich als Karawanenträger. Das ist hauptsächlich der 
Errichtung der Wangonistation Songea zu verdanken. 
Seit der Errichtung derselben hat sowohl der Import- 
handel als auch die Produktenzufuhr aus dem Innern, 
besonders von Kautschuk und Wachs, einen bemerkens- 
werthen und hoffnungsvollen Aufschwung genommen, 
obwohl der Verdienst aus den beiden letzteren durch 
die wahnsinnige Konkurrenz der Inder und Banianen 
*) Dieser Kautschuk erreicht jetzt in Hamburg Preise 
  
— — - 
von 3,75 bis 4 Mark per Pfund, infolge der seit dem d 
botanischen Museum in Berlin zugesandt worden sind. 
1. Januar 18908 in der neuen Kautschukverordnung in Kraft 
getretenen Bestimmung, daß die Bälle nur geschnitten in 
den Handel kommen dürfen, wodurch Fälschungen sehr 
erschwert werden. 
— 
! 
338 — 
untereinander sowie durch die Preistreibereien eines 
Hamburger Sansibar-Hauses auf ein Minimum, 
wenn nicht auf Null herabgedrückt wird.“ 
Hauptmann v. Kleist, der Stationschef von 
Songea, berichtete im Kolonialblatt 1898, S. 350, 
daß bisher nur Kilwahändler im kantschukreichen 
Mharuligebiet Handel trieben, und erst neuerdings 
auch Lindihändler thätig sind. 
Nach einer brieflichen Notiz von Missionaren 
soll das Kondeland schon recht ausgebeutet sein, 
namentlich hätten die Araber den Handel in Händen, 
doch sänden sich auch sonst allerhand Glücksritter, die 
schnell reich werden wollten, dort ein, um Kautschuk 
zu sammeln. Nach dem Jahresbericht der deutschen 
Kolonien wurden allein im ersten Halbjahr 1898 
schon 150 dz Kautschuk von Songea ausgeführt. 
Für die Gegend nördlich vom Rufidyi ist von 
Wichtigleit, daß Stuhlmann zwischen dem Distrikt 
Vikindo bis zum Dorfe Mbaffu an feuchten Stellen 
einen Kautschukbaum fand, der bisher noch völlig 
unbekannt war. Er schreibt darüber: „Er strebt 
mit einem sich meist früh verzweigenden Stamm bis 
zu 10 m in die Höhe; die ganzrandigen Blätter sind 
lederartig hart, die Früchte stehen sich zu zweien 
gegenüber und bilden längliche Spindeln, die mit 
einem Sprunge der Länge nach aufreißen und einen 
mit langer Seide behangenen Samen entlassen. Blüthen 
und ausgereifte Früchte sah ich nicht, doch läßt Alles 
darauf schließen, daß die Pflanze zur Familie der 
Apocynaceen gehört. Die hellgraue Rinde des 
Baumes ist fast stets mit den Hiebnarben der Kaut- 
schuksammler versehen. Ich glaube, daß dieser Baum 
für uns von großer Wichtigkeit werden kann, denn 
es ist vielleicht möglich, ihn zu kultiviren. Aus diesem 
Baume werden die großen Bälle Kautschuk gewonnen, 
die im Sansibar-Handel unter dem Namen Mgoa 
bekannt sind und die viel Unreinigkeit *) enthalten, 
hervorgerufen durch Beimischung von Rindenpartikeln, 
die sich bei der Gewinnung ablösen. Der Name 
des Baumes ist Mgoa oder Mnywe madyi.“ Die 
Stammpflanze dieses sogenannten Mgoa-Kautschuks 
des Handels ist nach der Untersuchung von Professor 
K. Schumann eine Apocynee, Mascarenhasia 
elastica K. Sch., die ihre nächsten Verwandten auf 
Madagaskar hat, die vielleicht auch dort einen Theil 
des daselbst konstatirten Baumkautschuks liefern. 
Noch weiter nördlich, bei Mssonga, kommen arm- 
dicke Landolphien nach Stuhlmann überall im 
Buschwald vor, und zwar giebt es zwei ganz nahe 
verwandte Arten: 1. die von den Eingeborenen 
Muhanga genannte, mit schmalen Blättern, 2. eine 
Mbunga genannte breitblätterige Art. Nur erstere 
wird zur Bereitung von Kautschuk benutzt, da der 
Saft der anderen angeblich nicht fest wird, sondern 
klebrig bleibt. 
*) Kautschukbälle von Mascarenhasia, die kürzlich dem 
zeigten eine ganz erstaunliche Elostizität; es waren ge- 
sponnene hellbraune Kautschukfäden mit dazwischen geklebten 
kleinen Kautschukklümpchen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.