Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

In Usumbura kam zu der deutschen Besatzung 
von einem Offizier, einem Unteroffizier und 30 Askari 
nun noch die Stärke von fünf Europäern und 
250 Soldaten kongolesischer Truppen, eine Gesammt- 
stärke von sieben Europäern und 280 Soldaten. Da 
Udjidji bedroht schien, so glaubte ich, vor Allem bei 
der Unwahrscheinlichkeit eines Angriffs der Rebellen 
auf Usumbura, weil sie sich dadurch ihre letzte Zu- 
flucht, den Uebertritt auf deutsches Gebiet, verscherzt 
hätten, Usumbura auf die dort vorhandenen Streit- 
kräfte sich stützen lassen zu können, sandte Eilboten 
nach beiden Stationen und marschirte mit zwei Zügen 
Askari der Kolonne voraus in neun Eilmärschen 
nach Udjidji. Die Eilboten, welche gleichzeitig mit 
mir aufbrachen, erreichten Udjidji nur 16 Stunden 
vor meiner Ankunft. 
Die Wanyaruanda sind durchweg ein schöner 
und kräftiger Menschenschlag, äußerst kriegerisch und 
von ihren Nachbarn gefürchtet. Sie wohnen in 
einzeln stehenden Gehöften familienweise zusammen, 
doch findet man in manchen Gegenden, vornehmlich 
im Norden, auch größere zusammenhängende Dorf- 
gemeinden. Die Wohnungen sind saubere Hütten, 
meist mit einer Wolfsmilchhecke oder jungen Rinden- 
stoffbäumen umgeben, welche einen reinlichen Hof, 
in dessen Mitte ein Speicher zur Aufbewahrung der 
Vorräthe an Erbsen, Bohnen und anderen Feld- 
früchten steht, umgeben. In diese Speicher wird 
Alles zusammengethan, und erhält man zum Kauf 
meist ein Gemisch von Erbsen, gelben und bunten 
Bohnen angeboten. 
Neben dem Ngali besteht die Hauptnahrung der 
Wanyaruanda in Milch, Pombe und Bananen. Wo 
die Bananen — im nördlichen Gebirgslande — 
aufhören, trifft man reiche Mtamafelder, und wird 
hier als Nahrungsmittel eine mit Mehl verdickte, 
warme und ganz schmackhafte Pombe durch ein 
Saugrohr genossen. Fleisch gehört zu den seltensten 
Leckerbissen, welche nur bei hohen festlichen Gelegen- 
heiten auf den Tisch kommen; denn Ziegen und 
Schafe genießen die Leute nicht, und der Reichthum 
an Rindern ist für die Größe des Landes und seine 
Einwohnerzahl nicht sehr groß. Rinderherden be- 
sitzen nur die Watussi, während die Wahutu nur 
Kleinvieh ihr Eigen nennen. 
Die Bekleidung besteht aus europäischen Stoffen 
bei den Reicheren, selbstgefertigten Rindenstoffen und 
Fellen bei der übrigen Bevölkerung; je weiter nach 
Norden, desto allgemeiner ist die Fellbekleidung, da 
hier auch die Rindenstoffbäume immer seltener 
werden, obgleich man dieselben hegt und pflanzt. 
Die Bewaffnung besteht aus dem langen Stich- 
speer, Bogen und Pfeilen, dem aus Binsen gefloch- 
tenen, länglich ovalen, kleinen Schild mit einem 
dicken Holzwulst in der Mitte, welcher etwa die 
Brust decken kann, und einem zweischneidigen, etwa 
50 cm langen Messer. Speerspitzen und sschäfte 
sind roh gearbeitet. 
Die Kampfweise ist ein wildes Herumspringen 
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in gebückter, fast kriechender Haltung, aus welcher 
die Krieger häufig 1 bis 1,50 m hoch in die Luft 
springen, um den feindlichen Pfeilen oder Lanzen 
auszuweichen, wobei sie laut schreien und einen eigen- 
thümlichen Grunz= und Zischton ausstoßen, auch nicht 
selten Schild oder Speer in die Luft werfen, um 
den Gegner für den Fehlschuß zu höhnen. Auf den 
Kampfplatz rücken sie in dicht geschlossenen Massen, 
die Lanzen aufrecht haltend, in springendem Gleich- 
schritt immer einen Fuß markirend, unter Kriegs- 
gesang; am beliebtesten scheinen aber die nächtlichen 
Ueberfälle zu sein, wobei sie durch Feuer die Ueber- 
fallenen aus dem Schlafe stören und die Verwirrung 
der Schlaftrunkenen zu schnellem Raube ausnutzen. 
Sehr geschickt sind sie in der Ausnutzung des 
Geländes zur Feldbebauung; jedes Fleckchen ist be- 
nutzt, die steilsten Abhänge sind treppenartig abge- 
tragen und in Felder verwandelt, wobei die sorgsam 
aufgeschichteten Feldsteine den Treppen die nöthige 
Festigkeit gegen zu große Abspülungen geben. 
Die herrschende Klasse sind die Watussi. Mögen 
auch zahlreiche Willkürlichkeiten und eine despotische 
Unterdrückung der Wahutu stattfinden, so kann man 
trotzdem nur wünschen, daß diese Herrschaft der 
Watussi erhalten bleibe; denn bei der zahlreichen 
Bevölkerung — ich schätze Ruanda auf über 2 Mil- 
lionen Menschen — wird der europäische Einfluß 
durch die herrschende Klasse, welche ihrem Oberhaupt 
willenlos gehorsam ist, bedeutend schneller Eingang 
finden. 
Die Bodenbeschaffenheit ist jeglicher kultureller 
Ausnutzung fähig; der reiche Regensall und sonstige 
Wasserreichthum würden sicherlich bei der Höhenlage 
des Landes eine Aufforstung mit deutschen Hölzern 
begünstigen, was für eine spätere weitgehende Er- 
schließung von Ruanda eine Lebensbedingung werden 
kann. 
Das Klima ist für afrikanische Verhältnifse rauh, 
fast europäisch, und für Europäer entschieden zuträg- 
lich; Fiebererkrankungen kamen in Ruanda fast gar 
nicht vor, trotz der Anstrengungen im Regen und 
der vielen Sumpfmärsche; jedoch halte ich für die 
Askari eine wärmere Bekleidung bei derartigen 
Expeditionen für nothwendig. 
In Urundi sind ebenfalls die Watussi die 
herrschende Klasse. Der Mwesi, welcher dem Namen 
nach das anerkannte Oberhaupt sein soll, hat wohl 
in ihm näher liegenden Landstrichen einen unbestreit- 
baren Einfluß, doch ist dieser nicht annähernd so 
bedeutend wie der des Kigeri; kennt ihn doch der 
größte Theil der Warundi gar nicht, so daß schon die 
Vermuthung aufsgetaucht ist, der Mwesi sei eine von 
einigen Großen erfundene, nicht bestehende Persön= 
lichkeit, um welche jene ein gewisses Dunkel hüllen, 
zur Ausbeutung ihres Einflusses für eigenen Vortheil. 
Die Warundi sind von den Wanyaruanda kaum 
zu unterscheiden. Die Dörser sind ebenfalls gehöft- 
weise getrennt gebaut, selten findet man geschlossenere 
Gemeinden, und auch hier bilden Wolfsmilchhecken
	        
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