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Bauart hätte deren Herstellung zu viel Zeit erfordert,
man begnügte sich daher zunächst mit einer hölzernen,
die Fahrbahn eben über Fluthhöhe haltenden Gerüst-
brücke und behielt sich deren Ersatz durch eine höher
aufragende elserne Brücke vor. Die vorausgehende
Absteckung der Bahnlinie ließ bald erkennen, daß jene
auf Beschleunigung des Vorbaues gerichtete Maßnahme
grundsätzlich noch öfters zur Anwendung kommen müsse,
um in der Herstellung des Bahnkörpers einen für
schnelle Fortschritte genügenden Vorsprung vor dem
Verlegen des Schienengleises zu gewinnen. Wo daher
die nach den gegebenen Normen abgesteckte Bahnlinie
die Ausführung größerer Kunstbauten und sonstige
zeitraubende Arbeiten ergab, suchte man zunächst
an den fraglichen Stellen durch eine vorläufige Ab-
weichung schnell vorbeizukommen. Selbstverständlich
mußte man dabei schärfere Krümmungen und steilere
Steigungen als vorgeschrieben, ferner Behelfsbrücken,
Durchquerungen trockener Flußbetten auf ihrer Sohle
— letzteres auf die Gefahr hin, plötzlich vom Hoch-
wasser überrascht zu werden — in den Kauf nehmen.
Die Herstellung des bleibenden Bahnkörpers sollte
dann thunlichst bald hinterher erfolgen, wobei ihr
der Vortheil zu Gute kam, daß sie mindestens von
beiden Enden nach der Mitte zu, vielfach auch, wenn
die vorläufige Abweichung und die bleibende Bahn-
linie sich nicht zu weit voneinander entfernten, von
der Seite in Angriff genommen werden konnte.
Für das Gleis wurden bisher verwendet Schienen
von 9,14 m (10 Yards) Länge und 26 kg Gewicht
auf das laufende Meter, jede Schiene unterstützt
durch 14 Schwellen, theils aus Holz (angeblich aus
Norwegen), theils, wie neuerdings, aus Eisen. Die
Brücken in bleibender Bauart sind eiserne Gerüst-
brücken, deren Pfeiler, aus eisernen Schraubenpfählen,
eine Höhe von etwa 15 m# nicht überschreiten. Ihre
einzelnen Theile werden so leicht hergestellt, daß man
sie durch Menschen an die Baustelle schaffen kann.
Brücken, höher als 15 m, erhalten als Auflager für
ihre Pfeiler, gemauerte Fundamente von entsprechen-
der Höhe. Das Gleis erhält, wo der Boden hierfür
günstig, vorläufig keine Kies= oder Schotterbettung;
erst nachdem der Victoria-See erreicht ist, soll diese
Arbeit vorgenommen werden, um alle Arbeitskräfte
für den Vorbau möglichst zusammenzuhalten.
(Fortsetzung folgt.)
Wirtdschaftliche Verhältnisse im Sudan.)
Die hochgespannten Erwartungen und Hoffnungen,
welche in Aegypten in handelspolitischer und wirth-
schaftlicher Beziehung auf die Wiedereroberung des
Sudan gesetzt worden waren, erwiesen sich als
Täuschung, sobald die ersten zuverlässigen Nachrichten
über die Lage des wiedergewonnenen Gebietes in die
Oeffentlichkeit drangen. Eine 14jährige Tyrannei
und Mißwirthschaft hatte die einst blühenden und
*) Aus dem Deutschen Handels-Archiv 1899, S. 412 ff.
tiver.
reichen Länderstrecken entvölkert und verwüstet. Die
Städte waren zerstört und verlassen, und es fehlte
sowohl an einer Produktion des Landes wie an
einer für europäische Erzeugnisse abnahmesähigen
Bevölkerung. Die spärlichen Ueberbleibsel der Letzteren
waren verarmt und hatten unter dem langjährigen
Druck die Energie verloren, um durch Arbeit ihre
Lage zu verbessern.
Trotz dieser schlechten Aussichten ließen sich ein-
zelne größere Handelshäuser in Kairo verleiten, bald
nach der entscheidenden Niederwerfung der Macht
des Khalisa Vertreter nach dem Sudan zu senden,
um an Ort und Stelle Ermittelungen über die Lage
und die dem Handel sich bietenden Aussichten anzu-
stellen. Sie hatten ihre Arbeit kaum begonnen und
waren wohl nur erst zum allergeringsten Theil bis
nach Khartum vorgedrungen, als sie plötzlich die be-
stimmte Weisung des Sirdars erhielten, das Gebiet
des Sudans binnen acht Tagen zu verlassen. Nur
den von früher her ansässigen einheimischen Kaufleuten
sowie den griechischen Händlern, die gleichzeitig mit
dem Operationsheere vorgerückt waren und sich an
den besetzten Plätzen als Bakale und Schankwirthe
niedergelassen hatten, wurde gestattet, zu bleiben.
In ihren Händen liegt gegenwärtig das Sudangeschäft.
Einen sicherlich nicht unerheblichen Eintrag hat dieses
neuerdiugs dadurch erlitten, daß jeder Handelsverkehr
mit den westlich von Khartum gelegenen Gebieten
durch die Milltärbehörden formell untersagt wurde,
um den Khalifa der Möglichkeit zu berauben, Handels-
karawanen auszuplündern und sich auf diese Art zu
verproviantiren.
Von dem Verbot des Bereisens des Sudans
wurde eine Ausnahme gemacht für ein Sundan-
Erforschungssyndikat, welches sich unter Führung der
Nationalbank Anfang Februar in Kairo gebildet
hatte, um den Sudan durch eine Sachverständigen-
Kommission bereisen zu lassen. Das Syndikat ver-
sügte über ein Kapital von 20 000 8, das in 20.
Antheilscheine zu je 1000 K eingetheilt war. Deutsches
Kapital war dabei nur in ganz geringfügigem Betrage
vertreten.
Die Begründung dieses Syndikats fiel gerade in
eine Zeit hochgehenden Unternehmungs= und Speku-
lationsdranges, und ces wurden in Kairo bereits die
abenteuerlichsten Gerüchte über bevorstehende große
Unternehmungen im Sudan verbreitet. Unter Anderem
sollte in Khartum ein großer Gasthof mit einem
Kostenauswand von 50 000 2 gebaut werden.
Der Erfolg der Reise war jedoch ein völlig nega-
Man überzeugte sich, daß noch auf längere
Zeit hinaus größere wirthschaftliche Unternehmungen
im Sudan verfrüht seien, und von all den großen
weittragenden Plänen ist es wieder still geworden.
Auch von dem nach Meldung eines ägyptischen Finanz-
blattes in London gegründeten „London and Sudan
Development Syndicate“ hat man nichts mehr
gehört.
Die reichen Bestände von Elfenbein, Gummi und