Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

nicht mehr geziegelt wurde, damals einer Anzahl 
leerer Kisten und anderem Gerümpel zur Herberge, 
und mit Hülfe dieser Kisten richteten wir uns dort 
nach hiesigen Verhältnissen sehr bequem ein, d. h. 
jeder von uns, es war damals schon noch ein zweiter 
Helfer hinzugekommen, saß auf einer Kiste und ihm 
gegenüber der Patient, dazwischen aber eine dritte 
Kiste als Operationstisch. 
Da die Ausgaben für Medizin und Verbands- 
sachen ins Geld liefen und in unserer Kasse damals 
Ebbe war, auch weil wir bei manchen Kranken den 
Eindruck hatten, daß sie öfter kamen, als nöthig war, 
erhoben wir von da ab für ärztliche Behandlung 
folgendes Honorar: Ein Besuch 1 Pfennig (7/2 Pesa) 
oder 1 bis 2 Maiskolben im gleichen Werthe. Wer 
das nicht zahlen konnte, was übrigens nur ganz ver- 
einzelt vorkam, erhielt das Geld dazu vorher von uns 
geschenkt. Der Sitte des Volkes ist es entsprechend, 
für ärztliche Hülfe Zahlung zu leisten; geht z. B. 
ein Eingeborener zu einem heidnischen Zauberer, um 
sich eine Wunde heilen zu lassen, so fordert dieser 
zunächst ein Huhn, ein Schaf, eine Ziege oder einen 
anderen nicht geringeren Theil des Besitzes seiner 
Patienten, ehe er seine Kur mit Trommeln, Tanzen, 
Zaubern, Ofenruß und anderen unfehlbaren Mitteln 
beginnt. Als dann die zeit des Ziegelmachens kam, 
konnten wir auch dort nicht länger bleiben und zogen 
daher noch etwas mehr den Berg hinab in die 
Schmiede. Unser Häuptling, Schmiedemeister, mußte 
mit Blasebalg und Amboß nach seinem Dorfe über- 
siedeln, und wir richteten uns im neuen Heim ein, 
in der Hoffnung, dort bleiben zu können, bis wir 
Mittel und Wege fänden, uns ein Krankenhaus 
bauen zu können. Plan und Zeichnung zu diesem 
Häuschen stand längst auf Papier, auch ein günstiger 
Platz war gesunden, aber es gab noch so viel Anderes 
und Nöthigeres zu thun, daß wir noch an kein 
Bauen denken konnten. Wir hofften auch, die Zahl 
der Kranken würde ihren Höhepunkt erreicht haben 
und nun bald wieder auf ein kleines Häuschen zu- 
sammenschmelzen; doch im Gegentheil, es wurden 
nicht weniger, dazu wuchs die Zahl der Schwer- 
kranken, die wir bei uns aufnehmen mußten, mehr 
und mehr. Das Beherbergen dieser machte uns 
mancherlei Schwierigkeiten, da es überall an Platz 
mangelte. Anfangs brachten wir sie im früheren 
Eselstall unter und in einem Raum des Knaben- 
hauses; als das nicht mehr ausreichte, im Waschhaus 
und endlich im Kuhstall. Es wird sich Jeder denken 
können, daß diese provisorischen Krankenstuben sehr 
viel zu wünschen übrig ließen. Namentlich im Esel- 
stall, der nicht viel größer ist als ein langer Tisch, 
sah es oft bunt aus. Da lag der Kranke an der 
Erde auf einem breiten Brett, eine Milchkiste als 
Kopfpolster und 3 bis 4 andere Leute aus der 
Verwandschaft, oder auch Obdachlose, mit und ohne 
kleine Kinder, hockten um ihn herum und wirth- 
schafteten in diesem kleinen Raum, als empfänden sie 
den Mangel an Platz gar nicht. Doa flackerte zwischen 
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drei Feldsteinen ein lustiges Feuer, über dem ein 
Topf mit Speise brodelte, andere Speise wurde zu- 
bereitet, in einer Ecke stand eine Last gesammeltes 
Holz, ein alter Mbugu saß in der Thür und rieb 
sich mit einem runden Kieselstein Schnupftabak, die 
Frauen warteten dort ihre Kinder, kurz, es war oft 
erstaunlich, was sich Alles in diesem Ställchen zu- 
sammenfand. Diese Zustände dauerten aber nur 
kurze Zeit. Ende April erhielten wir die Nachricht, 
daß die Liebesgaben der Heimathsgemeinden für die 
Hungernden so reichlich geflossen seien, daß auch zur 
Versorgung der Kranken und Odbdachlosen bei uns 
davon Geld übrig sei. Mit großer Freude konnten 
wir nun bauen. Für ein Ochsenkalb und ein Schaf 
kauften wir einige Morgen Land, angrenzend an 
unser Grundstück, hinter der Kapelle gelegen, und 
gingen nun frisch ans Werk. Da es Regenzeit war 
und wir keine fertigen Ziegel hatten, führte uns die 
Nothwendigkeit dazu, Hütten im Stile der Ein- 
geborenen aus Holz und Lamba zu banen. Zwei 
ältere Christen, Noah und Musa, beaufsichtigten ab- 
wechselund diese Arbeiten und halfen selber tüchtig, 
besonders beim Flechten der Dachspitzen und Einsetzen 
der Thürrahmen. So entstanden, da Arbeitsuchende 
immer in Menge kamen und auch die Zahl der 
Kranken und Obdachlosen es nothwendig machte, 
nacheinander vier schöne, geräumige Hütten, zwei für 
Frauen und zwei für Männer. Jede Hütte hat eine 
mannshohe Thür, durch die Licht und Luft reichlich 
zugeführt wird, denn die umschließenden Wände sind 
nicht allzu dicht. Mit Bettstellen für die Kranken 
und mit Küchengeräth sind sie eingerichtet und geben 
nun den Armen, die dort Aufnahme gesunden haben, 
einen ausreichenden Ersatz für dic ihnen fehlenden 
Heimstätten. Außerdem bauten wir ganz nahe dabei 
eine fünfte Hütte, die als Klinik eingerichtet ist. Sie 
ist oval und an der Vorderseite offen. Diese Oeffnung 
abschließend ist ein Zaun gebaut, der den Andrang 
der Kranken abhält. Dicht davor fließt ein Bächlein, 
das gerade beim Zaun sein Gefälle hat und dort 
den Waschplatz für alle Füße und Fußwunden bildet. 
Mit diesem Wasser vor der Thüre ist die Behand- 
lung der Kranken sehr erleichtert, doch nicht nur 
dadurch, sondern auch besonders durch die ganze 
Anlage des Krankendorfes. 
Es ist hiermit den Kranken des Landes ein Zu- 
fluchtsort geschaffen, von dem sie wissen, dort jeder 
Zeit Aufnahme zu finden. Dieses hat sich auch bald 
im Lande herum gesprochen und uns Kranke aus 
Nah und Fern, ja selbst bis von Bumbuli und 
Masinde herzugeführt. 
Nach einem Bericht des Missionsinspektors 
Dr. Schreiber von der Rheinischen Mission sind 
aus Deutsch-Südwestafrika auch im letzten Jahre be- 
trübende Nachrichten eingegangen. Das Jahr ist 
reich gewesen an allerlei zum Theil sehr schweren 
Erkrankungen. Noch schmerzlicher war es, daß einer 
der Missionare, Schröder von Gibeon, eigenwillig
	        
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