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wäre gebrochen und unpassirbar geworden, und riethen
mir, in Eingeborenenkanus die Strecke zu umgehen.
Mir schien, weil wir den vorhergehenden Tag eine
tüchtige Marschleistung gehabt und auch heute schon
bei heißer Witterung einige Stunden marschirt
waren, die erhaltene Mittheilung verdächtig, und ich
nahm an, daß meine Leute nur dem beschwerlichen
Wege ausweichen wollten. Ich erklärte ihnen daher,
ich wollte den Weg sehen, auch wenn er gebrochen
sei. Ich passirte ihn alsdann mit meinen Leuten
in etwa / Stunden. An mehreren Stellen war
allerdings nach dem Meere ein Abrutsch eingetreten.
Als Reitweg ist diese Strecke nicht mehr benutzbar,
hingegen für Fußgänger wenn auch beschwerlich
durchaus noch gangbar. Dr. Schnee hat vergeblich
versucht, weiter landeinwärts eine Wegelinie aufzu-
finden. Berge, Schluchten und Felsmassen scheinen
dort mindestens denselben Widerstand zu bieten. Ich
glaube annehmen zu dürfen, daß die Schwierigkeiten
der Hahlschen Trace technisch mit nicht allzugroßen
Kosten überwindbar sind. Gelingt es, den Weg an
dieser Stelle auszubauen, so wird um die ganze
Blanchebucht eine gute Kommunikation geschaffen
sein, und außerdem wird die dreikilometrige Strecke
der schroffen Bergwand entlang mit dem Blick auf
das tief darunter liegende Meer und die gegenüber
liegenden Vulkane ein selten schöner Weg werden.
Für einen geschickten Wegebauer bietet sich hier eine
anregende dankenswerthe Aufgabe.
Bei Schulze-Huck gelangt die Straße in das
Gebiet der europässchen Missionsstationen, und
Plantagen. Sie bedarf hier zwar auch an einigen
Stellen noch eines einmaligen gründlichen Ausbaues
durch einen technisch vorgebildeten Europäer, bietet
aber für die Herstellung einer breiten bequemen
unschwer zu erhaltenden Fahrstraße keine besonderen
Schwierigkeiten.
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Expedition nach dem Varzinberge auf der Gazelle=
Dalbinsel.
Der Kaiserliche Gouverneur zu Herbertshöhe be-
richtet über eine Expedition nach dem Varzinberge
auf der Gazelle-Halbinsel, wie folgt:
Am 12. September begab ich mich in Begleitung
des Herrn Dr. Schnee mit 15 Polizeisoldaten nach
dem Varzin. Der Zweck der auf fünf Tage be-
rechneten Expedition war, die Möglichkeit einer
Wegeverbindung zwischen Herbertshöhe und dem
Weberhafen unter Benutzung des vorhandenen Weges
nach dem Varzin zu prüfen und, wenn thunlich, eine
Trace für einen solchen Weg festzulegen, so wie mit
den Stämmen am Varzin weitere Beziehungen an-
zuknüpfen.
Nachdem Polizeisoldaten und Träger abmarschirt
waren, ritten wir auf breitem, gut gehaltenen Wege
zunächst bis zur Missionsstation Villa Maria
(Takabur) der katholischen Mission vom Heiligen
Herzen Jesu, etwa auf halbem Weg nach dem
Varzin gelegen. Der Weg führt, nachdem er die
Ralumpflanzung der Frau Kolbe verlassen hat,
abwechselnd durch Busch, Grasland und Bananen
und Taropflanzungen der Eingeborenen. In Villa
Maria trasen wir nur einen Bruder an, der sonst
dort befindliche Pater Apunto sollte sich nach der
Missionsstation am Varzin begeben haben, um an
Stelle des früher dort ansässigen, jetzt nach den
Marshall-Inseln gesandten Paters das Missionswerk
weiter zu führen.
Von Takabur führt der Weg weiter durch Gras-
land, dann große Strecken durch prachtvollen hohen
Wald, in den einzudringen indessen Gestrüpp und
Schlingpflanzen fast überall verbieten. Nach einer
Biegung des Weges sehen wir den Varzinberg nahe
vor uns liegen. In allmählicher Steigung, nur
durch kurze steile Stellen unterbrochen, wird der
Höhenzug nordöstlich vom Varzin erreicht. Noch
einmal ein Ende steil hinab, dann wieder ebenso
hinauf, und wir befinden uns in St. Josephsthal
(Paparatava), der schön gelegenen Station der
katholischen Mission.
Das letzte Drittel des Weges nach dem Varzin
ist nicht gut erhalten und streckenweise von hohem
Gras gänzlich überwuchert. Eine Schwierigkeit für
die Unterhaltung liegt darin, daß der Weg zum
Theil durch unbewohntes Land führt. Im Ganzen
wird der Varzinweg nach Umbau zweier steiler
Strecken sich ohne allzugroße Mühe zu einem guten
Fahrweg ausgestalten und als solcher erhalten lassen.
Die Missionsstation St. Josephsthal ist herrlich
gelegen und gewährt einen weiten Blick auf die
Bainingberge, den Weberhafen, die Nord= und Ost-
küste sowie weit ins Innere der Gazelle-Halbinfel.
Leider läßt schon dieser Blick erkennen, wie ungemein
schwach bevölkert die Gazelle-Halbinsel ist. Die letzten
Rauchwölkchen, welche auf die Anwesenheit von
Menschen schließen lassen, hören in nicht sehr weiter
Entsernung vom Varzin auf. Wie die Eingeborenen
angaben und Pater Apunto, der das ganze Gebiet
bis zu den Bainingbergen und dem Weberhafen
durchwandert hat, bestätigte, wohnen südlich von der
bevölkerten Landschaft Paparatava die Vivirenleute,
weiter östlich vom Varzin die Weirikki. Dann hört
auf dieser Seite des Varzin eine jede Bevölkerung
auf. Auf der anderen Seite des Varzin sitzen die
Tanlil, dann ist auch hier bis zum Weberhafen un-
bewohntes Land. Am Weberhafen selbst sind weite
Strecken unbewohnt. Südlich von Varzin sind bis
zu den Bainingbergen überhaupt keine Menschen vor-
handen. Da an der Küste — abgesehen von den
Bainingbergen — eine Bevölkerung nur an der
Nordküste von Massawa bis zum Kap Gazelle sowic
an einem kleinen Theil der Ostküste südlich vom
Kap Gazelle vorhanden ist, so dürfte der bei Weitem
größere Theil der Gazelle-Halbinsel gänzlich unbewohnt
sein.
Nachdem wir auf der Missionsstation gerastet
und Mittag gegessen hatten, wollten wir die Land-