Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

— 
cin großer Theil derselben aus altem Kulturlande 
besteht. Ueberall trifft man in verwildertem Zustande 
Orangen, Papayen, Brodfruchtbäume, Kokospalmen, 
Cuayaven an. 
Auch fand Professor Volkens eine 
Loffeeart, die er als eine verwilderte Kulturpflanze 
unsprechen zu müssen glaubte. Der Boden scheint 
zwar im Allgemeinen nicht sehr tiefgründig, aber, 
besonders weiter nach dem Innern der Insel zu, 
ehr fruchtbar zu sein. 
Als ein besonders merkwürdiges Zeichen alter 
Kulur befinden sich in der Nähe der Ansiedelung 
zehn Zäulen, aus Korallenfelsen herausgearbeitet. 
Fünf von ihnen sind umgefallen und liegen in 
milerischer Unordnung von Schlingpflanzen über- 
wuchert am Boden. Die übrigen ragen, wenn auch 
die Oberfläche ihres Korallensteines schon verwittert 
ist, stol in das wilde Waldgestrüpp hinein als ein 
untrüglicher Beweis dafür, daß hier einst viele 
Hunderte von Menschen, einem machtvollen Herrscher 
shorchend, ein Riesenwerk errichtet haben. Die 
Säulen sind, sich nach oben verjüngend vierkantig 
zus Korallenfelsen gehauen, gut 4 m hoch und haben 
unten 1,20 oben, 0,80 bis 0,90 m etwa im Durch- 
messer. Als Kapitäl tragen sie einen rund ge- 
abeiteten, die Säulen überragenden Korallenblock, 
der ohen abgeplattet ist und dessen Durchmesser un- 
Ffähr 11½/ m beträgt. Nach einer bei den Spaniern 
und der Eingeborenenbevölkerung der Marianen um- 
ufenden Tradition wurden oben auf den Säulen 
de Könige von Tinian bestattet. Das soll in einer 
roch nicht allzufern liegenden Zeit noch geschehen 
ien. So sehr alt können auch wohl die Säulen 
us dem Grunde nicht sein, weil der Korallenfels 
reliegend die Unbilden des tropischen Wetters nicht 
lenge zu ertragen vermag. Ihrer Anordnung nach 
kennten die Säulen vielleicht auch, einem prosaischeren 
zecke dienend, die Grundpfeiler eines hochgestellten 
Hauses, der Königsburg, gebildet haben. Hierfür 
FPeicht in gewisser Weise der Umstand, daß man 
Winere, ähnlich künstlich gesormte Korallenblöcke in 
er Nähe von Steinhaufen, die die Reste alter An- 
#edelungen zu sein scheinen, findet. Die Behauung, 
Fortschaffung und Aufstellung der hohen Säulen ist 
Freifellos ein gigantisches Werk gewesen, und wie 
* von Leuten mit Werkzeugen ursprünglicher Art 
koerhaupt hat geleistet werden können, ist ein Räthsel, 
reches wohl immer ungelöst bleiben wird.“) 
Timan hat nach geschichtlicher Ueberlieferung 
Küber eine nach Tausenden zählende Bevölkerung 
gehabt, die in ihrer Mehrzahl den fortdauernden 
Kimpfen zum Opfer gefallen ist. Nun darf man 
doßen, daß es deutscher Tüchtigkeit und einer guten 
reurschen Verwaltung gelingen wird, Tinian sowohl 
ie auch das dünn bevölkerte Saipan durch Einwan- 
Nlung und wirthschaftliche Förderung wieder der 
Raltur zurückzugeben. 
*) nergl. Finsch, Karolinen und Marianen a. a. O. 
  
behalten worden. 
geordnet, amtiren in den einzelnen Gemeinden Unter- 
111 — 
An die Stelle der verschwundenen Menschen sind 
als Bewohner der Insel Tinian jetzt verwilderte 
Hausthiere getreten. Kühe, Schweine, Ziegen, 
Hunde, Hühner bevölkern zu Hunderten und Tausen- 
den das kulturverlassene Eiland. Wenn man auf den 
verwachsenen Pfaden die Insel durchwandert, hört 
man den lockenden Ruf des Hahnes, der das Aus- 
sehen eines auffallend schön befiederten starken deut- 
schen Haushahnes hat, und wundert sich über den 
klagenden Laut des wilden Hundes, der sich von 
seinen kultivirten Vettern nur durch einen auffallend 
langen geknickten Behang unterscheidet. 
Das Eigenthum an den verwilderten Kühen, 
Schweinen und Ziegen hat seit vielen Jahren das 
Gonvernement für sich in Anspruch genommen, da 
die verwilderten Thiere angeblich von zahmen seitens 
der Regierung ausgesetzten Hausthieren stammen. 
Das Eigenthumsrecht wurde geltend gemacht durch 
die Anstellung von Hirten, die für Einfang oder 
Tödtung der für die Schiffsmannschaft und Soldaten 
des Gouvernements zur Nahrung erforderlichen 
Thiere zu sorgen hatten, und durch Erhebung einer 
Abgabe von Privatleuten, die von dem verwilderten 
Vieh Thiere für sich verwendeten. An Rindvieh be- 
finden sich zur Zeit mindestens 600 Stück von einem 
besonders schönen starken Schlage in vollkommen 
wildem Zustande auf der Insel. Zahmes Rindvieh 
ist dort überhaupt nicht vorhanden. 
Am 26. spätnachmittags setzten wir die Reise 
nach Yap fort und kamen daselbst nach guter Fahrt 
beim Tagesgrauen des 29. an. Wir sanden Alles 
in bester Ordnung. Die spanischen Kriegsschiffe 
hatten am 18. den Hafen verlassen. Einige Manila= 
und Marianenleute, Anhang der spanischen Garnison, 
waren, um dort seßhaft zu werden, in Y#p zurück- 
geblieben. Trotzdem, daß in der Zwischenzeit kein 
Regen gefallen war, hatten die Bäume schon wieder, 
von reichlichem Thaufall begünstigt, begonnen, ihren 
durch den Taifun verlorenen Blätterschmuck durch 
knospendes Grün zu ersetzen. Die zerstörten Stein- 
dämme waren mit Hülfe der Eingeborenen, deren 
Häuptlinge gegen ganz minimale Entlohnung dem 
Bezirksamte reichlich Arbeitskräfte gestellt hatten, 
wiederhergestellt. Die durch das Unwetter unbrauch- 
bar gewordenen Holzhütten waren niedergerissen und 
aus dem Wege geräumt worden. Kurz die Station 
hatte wieder ihr freundliches ordentliches Aussehen, 
wie zur Zeit vor dem Einsetzen des Taifuns. 
Bezirksamtmann Senfft hatte auch bereits eine 
Versammlung abgehalten, welche von sämmtlichen 
Häuptlingen der Insel besucht worden war, und in 
welcher die Grundlage zu einer geordneten Ver- 
waltung der Insel in der glücklichsten Weise gelegt 
worden war. Deu bisherigen Verhältnissen ent- 
sprechend, war die Eintheilung der Jusel in sechs 
große unter Oberhäuptlingen stehende Bezirke bei- 
Diesen Oberhäuptlingen unter-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.