Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

beiden freigelassenen Wute, noch eine Entschädigung 
in Haussagewändern. 
Ich benutzte die drei Tage meines Aufenthalts 
in Tibati, um mich möglichst über die inneren Ver- 
hältnisse dieses Fulla-Staates zu unterrichten und 
die angesehensten, hohe Aemter bekleidenden Perfön= 
lichkeiten kennen zu lernen. 
Das Fullawort für „Fürst“ ist Lamido oder 
Lamu. So heißt der jetzige Sultan Chiroma Lamu. 
Der frühere, jetzt in deutscher Gefangenschaft be- 
findliche hieß mit seinem arabischen Namen Mohamed, 
der auch Mahama, kurz Mama ausgesprochen wird. 
Er wurde also Mahama oder Mama Lamu, d. h. 
Fürst Mama genannt. 
In der Stadt herrschte reges Treiben. Vor 
Sonnenaufgang erschallte das Allahgeschrei des Imans 
von der Moschee sowie auch von den kleinen, an 
den Straßen gelegenen öffentlichen Gebetplätzen. 
Um 6 Uhr früh begann sodann das Marktgetriebe. 
Bis in die Dunkelheit hinein wogte dort eine große 
Menschenmenge. In den Verkaufsbuden wurden 
außer Genußmitteln wie Rindfleisch, Milch, Butter, 
Salz, Zwiebeln, süße Kartoffeln, Durrha-Bier u. s. w. 
und Haussa-Artikeln als Zeuge, Korbgeflechte, Leder- 
waaren u. s. w., auch Waaren englischen Ursprungs 
feilgeboten. Bezahlt wurden die Waaren in Kauris. 
An den Straßen hockten Bettler mit körperlichen 
Gebrechen, die von den Vorübergehenden gefüttert 
werden, Suppe= und Fufu-Verkäuferinnen priesen 
auf der Straße mit gellendem Geschrei ihre Waare 
an — 5 Kauri für eine kleine Kalebasse — und 
Käufer von Pferden versuchten mit den zu erstehenden 
Thieren die gewagtesten Reiterkunststücke auf der 
Hauptstraße. Aus Allem konnte ich ersehen, daß 
das Leben in der Stadt alsbald sein alltägliches 
Gepräge angenommen hatte. 
Die Gelegenheit meiner Anwesenheit in Tibati 
wollte ich dazu benutzen, um auf einem Umwege 
nach Yoko zurückkehrend, einerseits die Stromverhält- 
nisse des Djerem, andererseits die früher zu Tibati, 
jetzt zur Station gehörigen Wuteorte Jangandi und 
Wungere kennen zu lernen. Am 30. Dezember 
verließ ich die Stadt und trennte mich am Mao 
Meng (nicht Mao Bele), auf dessen rechtem Ufer 
Tibati liegt, mit acht Soldaten von dem übrigen 
Detachement, das unter Führung eines farbigen 
Unteroffiziers direkt nach dem Djerem marschirte. 
Ich selbst fuhr zu Wasser den Mao Meng abwärts. 
Die mir vom Sultan zur Verfügung gestellten 
zwei Kanus (Einbäume) hatten bisher nur zum 
Uebersetzen über den 40 bis 50 m breiten Fluß 
gedient und waren von plumper, schwerfälliger Bau- 
art. Das Flußbett des Mao Meng ist tief ein- 
geschnitten. Zur Zeit lag der Wasserspiegel 6 bis 
7 m unter dem gewachsenen Boden, und so bildeten 
die Ufer zumeist senkrechte, wie Lehmmauern aus 
dem Wasser aufragende Wände. Zahlreiche Sand- 
bänke waren jetzt zur Trockenzeit sichtbar, doch ge- 
währte das Fahrwasser — von mindestens 1 m 
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Tiefe — ein sicheres Passiren. Infolge der zahl- 
losen Schlangenwindungen des Flusses gelangte ich 
erst am 31. Dezember, 9 Uhr vormittags, in den 
Djierem, der hier eine Breite von 150 bis 200 m 
hat und im Uebrigen zunächst denselben Charakter 
zeigt wie der Mao Meng, sich aber nach einigen 
Stunden bis zu 300 m verbreitert, indem zugleich 
seine Ufer mehr und mehr verflachen. Die Vogel- 
welt, die im Mao Meng ungemein zahlreich und 
vielfältig vertreten gewesen, wurde hier spärlicher, 
dagegen zeigte sich dieselbe Unmenge Flußpferde und 
Krokodile. Die weitere Umgebung beider Flüsse 
bietet überall dasselbe Bild. Wellige, hügelige 
Grassavanne von Buschstreifen durchzogen, mit vielen 
einzeln stehenden hochstämmigen Fächerpalmen und 
in der Nähe des Wassers Weinpalmen. 
Ich hatte ursprünglich die Hoffnung, vielleicht — 
wenn es auch wenig wahrscheinlich war — bis zu 
den Nachtigalschnellen offenes Fahrwasser zu finden. 
Doch zeigten sich bald vereinzelte, dann allmählich 
die ganze Breite des Flusses ausfüllende Felsen, die, 
dicht unter der Oberfläche des Wassers befindlich, 
Schnellenbildung verursachten. Da ich jenseits wieder 
offenes Wasser sah, versuchte ich zu passiren. Beide 
Kanus fuhren jedoch gleichzeitig in voller Fahrt auf. 
Ihrer klobigen Bauart ist zu verdanken, daß sie nicht 
zerbrachen. Wenn auch das Gepäck und die Waffen 
unter Wasser geriethen, so konnte doch Alles nach 
mehrstündiger Arbeit an das rechte Ufer geschafft 
werden. In dem unweit gelegenen Dorfe Galadima 
Beia nahm ich Quartier. Gegen Abend langte hier 
auch die Hauptkolonne an. Da diese zwei sehr an- 
strengende Marschtage hinter sich hatte, so blieb ich 
am 1. Januar hier. Den 2. Januar benuutzte ich 
um drei Marschstunden, unterhalb gelegene Fälle zu 
besuchen. Das Flußbett ist hier in seiner ganzen 
Breite von etwa 300 m mit einem Gewirr von 
riesigen Felsblöcken angefüllt. Jetzt zur Trockenzeit 
zwängte sich das Wasser hauptsächlich durch drei 
größere Felsenrinnen hindurch. In der größten, 
20 bis 30 m breiten stürzte die Wassermasse in 
mehreren Stufen mit donnerndem Getöse etwa 
20 m tief hinab. In der Regenzeit, bei 6 m 
höherem Wasserstand müssen die „Beiaschnellen“ ein 
imposantes Schauspiel darbieten. Noch an demselben 
Tage setzte ich dicht unterhalb Galadima Beia über 
den Djerem und nahm in dem kleinen Beiadorfe 
Dambon Quartier. 
Während die am Mao Meng in vielen kleinen, 
zu Tibati gehörigen Farmen ansässige Bevölkerung 
ausschließlich dem Mbumstamme angehört, sitzt hier 
auf dem linken Ufer des Djerem ebenfalls in kleinen 
zerstreut liegenden Farmdörfern der Beiastamm. Auf 
dem rechten Djerem-User wohnen Wute und Beia 
gemischt. Mbum sowohl wie Wute waren sehr zu- 
traulich, dagegen fiel das scheue Wesen der Beia sehr 
auf. Meine gleich anfängliche Vermuthung, daß die 
Beia mit den „Baja“ Mizons identisch seien, wurde 
später bestätigt. Wie nämlich meine Nachforschungen 
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