— 474 —
wird auf dem Rücken getragen, befestigt an einem
breiten Bande, von Bambus geflochten, das über
die Stirne geht.
In Vorderindien wird der Bedarf der zahl-
reichen großen Städte in der Gangesebene durch die
Wälder von Dendrocalamus strictus gedeckt, die
am Fuß des Himalayagebirges und in den ußeren
Thälern desselben große Flächen bedecken. Diese
Wälder liefern jährlich viele Millionen von Bambus-
stämmen, die auf den großen Strömen Jumna und
Ganges und ihren Nebenflüssen in die Ebene geflößt
werden. Die Halme einer kleineren Art, als Ringal
in Indien bekannt (Arundinaria spathiflora), bie
in den höheren Lagen des nordwestlichen Himalaya
das Unterholz in den Wäldern von Eichen und
Nadelhölzern bilden, sind ein wichtiger Handels-
artikel, werden als Pfeifenrohre, Angelruthen und zu
vielen anderen Zwecken verwendet und in großen
Mengen in die Ebene gebracht. In Niederbengalen
und in anderen Gegenden, wo es keinen Wald giebt,
liegen die Dörfer in kleinen Bambuswäldchen
(Bambusa Tulda und Balcooa in Bengalen), die
mit großer Sorgfalt gepflegt werden.
Bambusen in Hülle und Fülle und von der
größten Mannigfaltigkeit haben wesentlich dazu bei-
getragen, die Existenz der 300 Millionen, die das
Britisch -Indische Reich bewohnen, leichter und an-
genehmer zu machen und die Entwickelung einer hohen
Kultur in diesem Lande zu befördern. Ohne Bam-
busen kann man sich das Leben der verschiedenen
Volksstämme, die dies große Reich bewohnen, nicht
denken. Nicht unberechtigt daher scheint der Ge-
danke, den Eingeborenen der deutschen Schutzgebiete
in Afrika durch den Anbau der Bambusen in großem
Maßstabe eine Wohlthat zu erweisen, in der Hoff-
nung, daß, wenn es sich durch Erfahrung heraus-
gestellt hat, welches die geeigneten Spezies sind, die
Neger selbst die Kultur dieser Arten in die Hand
nehmen werden.
Dies ist nicht ein Unternehmen, aus dem man
erwarten kann, viel Geld herauszuschlagen. Aktien=
gesellschaften kann man darauf nicht gründen. Der
Einwurf liegt nahe, daß dies zu den Projekten gehört,
welche im Humanitätsdusel und in einer sentimen-
talen Zuneigung zu den Eingeborenen ihren Ursprung
haben. Viel besser, den Teakbaum in großem Maß-
stabe anzubauen, um für die Zukunft einen Ausfuhr=
artikel mehr zu haben, und für die Entwickelung des
Handels zu sorgen. Der Anbau der Bambusen
kommt nur den Eingeborenen zu gut und bringt kein
Geld ins Land. Indessen hat die Sache auch eine
ernste praktische Seite. Als ich im Januar 1856
meine Thätigkeit in den Teakwäldern von Pegu be-
gann, wurde die Bevölkerung dieser Provinz auf
700000 Seelen geschätzt. Unter der starken, gerechten,
rücksichtsvollen und in jeder Hinsicht musterhaften
Regierung von Major (später Sir Arthur) Phayre
wuchs die Bevölkerung reißend und stetig, 1862
war sie auf 1244000 gestiegen, und der letzte
Zensus (1891) hat für die Bezirke, welche früher
die Provinz Pegu ausmachten, 3 1710000 Seelen er-
geben. Von allen Seiten, zu Lande und zur See,
kamen Einwanderer, durch den Ruhm des mächtigen
und allgemein beliebten Herrschers angezogen, den
seine Unterthanen wie einen Halbgott verehrten. Durch
ausgedehnte Gegenden, die 1856 noch mit Wald
oder dichtem über mannshohem Savannahgrase be-
stellt waren, fuhr ich im Januar 1880 auf der
Eisenbahn, überall durch neugebaute wohlhabende
Dörfer und ausgedehnte fruchtbare Feldfluren.
Ohne Zweifel ist in den deutsch-afrikanischen
Schutzgebieten die Regierung jetzt stark, gerecht,
rücksichtsvoll und in jeder Hinsicht musterhaft, und
infolgedessen vermehrt sich die Bevölkerung stetig
durch natürlichen Zuwachs und durch Einwanderung.
Sicherlich wird mit der Zeit noch viel mehr ge-
schehen, um die Existenzbedingungen der Bevölkerung
zu verbessern und Einwanderer in größerem Maß-=
stabe anzuziehen. Man wird Straßen und Eisen-
bahnen bauen, man wird, dem Beispiel der indischen
Regierung folgend, auf den Bergen Cinchona-
Plantagen in großem Maßstabe anlegen, das Chinin
an Ort und Stelle herstellen, es im ganzen Lande
in kleinen Packeten billig verkaufen und so dem
Fieber Einhalt thun, in Afrika wie in Indien der
größte Feind des Menschen, weit mehr verheerend
als Cholera, die Pest, Schlangen und wilde Thiere.
Eine Wohlthat anderer Art, aber ebenso wichtig,
wird durch den Anbau der Bambusen in großem
Maßstabe den Eingeborenen zu Theil werden, und
diese Maßregel, falls in geeigneter Weise durch-
geführt, kann viel dazu beitragen, das Leben der
Eingeborenen leichter und angenehmer zu machen, das
Wachsthum der Bevölkerung zu befördern und Ein-
wanderer anzuziehen. Der Vortheil einer dichteren
Bevölkerung aber, auch für den Anbau von Handels-
gewächsen und andere Unternehmungen, liegt auf der
Hand. In jedem Falle wird der Einfuhrhandel zu-
nehmen. Ja es ist nicht unmöglich, daß mit der
Zeit die Bambusfaser, wie dies seit uralter Zeit in
China geschieht, zur Papierfabrikation im Großen ver-
wendet werden wird.
Was nun den Anbau der Bambusen betrifft, so
wird es gut sein zur Orientierung einige Worte über
ihre Lebensweise zu sagen.
Bei den Riesengräsern unterscheidet man zwei
Theile, den unterirdischen Wurzelstock (Rhizom), bei
den meisten Arten aus kurzen, holzigen vielfach ver-
zweigten und gewundenen Aesten bestehend, welche
an ihrem Endpunkte die beblätterten und verzweigten
Stämme hervorbringen. Diese oberirdischen Stämme
sind ebenfalls holzig, haben auch eine vieljährige
Dauer, sie sind hohl mit horizontalen Scheidewänden,
unseren Getreidehalmen in größtem Maßstabe ver-
gleichbar. Bei den kleineren Arten eines gemäßigten
Klimas, die in außertropischen Ländern, wie in
China, Japan und Nordamerika zu Hause find,
sowie auf dem Himalaya und anderen Bergen