Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

los getrieben wie bei den Wambugu, besonders nicht 
in den früheren Zeiten der Herrschaft der Massai. 
Nach den Erzählungen der Massais müssen sich in 
ihrer Glanzperiode unter den Häuptlingen derselben 
als Viehzüchter sehr begabte Leute befunden haben, 
was schon daraus hervorgeht, daß dieselben schon 
lange die Impfung der Thiere gegen die Rinder— 
pest vornahmen, bevor die europäische Wissenschaft 
ein Mittel gegen dieselbe herausgefunden hatte. 
Auf der Station befindet sich eine ganze Anzahl 
dieser Mischrasse, und mit ihnen sind hauptsächlich 
Kreuzungsversuche beabsichtigt. 
Als die geeignetste europäische Rasse für diese 
Kreuzungsversuche hielt ich unter Berücksichtigung des 
Körperbaues des hiesigen Viehes und der klimatischen 
Verhältnisse die Holländer, jedoch nicht das etwas 
schwerfällige Vieh des Tieflandes, sondern das Pro- 
dukt vieljähriger Züchtungen der besten Stammherden 
der Mark Brandenburg im östlichen Theil derselben, 
der von dem Uralisch-Baltischen Landrücken durch- 
schnitten wird. Dieses in der Züchtung dem Vieh 
in Holland nicht nachstehende und in der Beweglich- 
keit durch das Auf= und Abklettern beim Weidegang 
auf diesem stark hügeligen Theil- der Mark dem 
ersteren vorzuziehende Vieh wählte ich und außerdem 
einen Stier der Simmenthaler Rasse, obgleich ich 
mir von Kreuzungen mit unserem heimischen Berg- 
rind des Klimas und der Figuren wegen keinen Er- 
folg versprach. Der Transport bestand aus drei 
frischmelkenden und einer tragenden Kuh, drei Hol- 
länder Stieren und einem Simmenthaler Stier und 
kam während meiner Abwesenheit im Schutzgebiet 
an. Zum Theil auf dem Transport, zum Theil 
kurz nach dem Eintreffen in Kwai gingen die drei 
frischmilchenden Kühe ein und etwas später der 
Simmenthaler Stier. Als Krankheitsursache wurde 
Surra angegeben. Es erscheint mir unwahrscheinlich, 
daß nur Surra die Todesursache gewesen sein soll, 
da die ersten Thiere schon wenige Tage nach ihrem 
Eintreffen im Schutzgebiet eingingen, vielmehr glaube 
ich, die nicht ganz sachgemäße Behandlung der Thiere 
auf dem Transport und in Kwai als die Ursache 
der Verluste ansehen zu müssen. 
Als Hauptfehler bei der Behandlung erwähne 
ich den übermäßig schnellen Transport von Tanga 
bis Kwai, acht Tage, der auf die frischmilchenden 
Kühe unbedingt verhängnißvoll einwirken mußte, und 
das Austreiben des Viehes in aller Frühe auf die 
stark mit Thau bedeckte Weide. 
Bei meiner Ankunft in Kwai sah das Vieh nicht 
so aus, wie ich erwartet hatte, besonders das in 
Kwai geborene Bullenkalb der einen noch am Leben 
gebliebenen Kuh, das kaum fähig war, sich bis hinter 
den Stall auf die Weide zu schleppen. 
Das Vieh machte nach meiner Rückkehr bei sach- 
gemäßer Pflege ohne Zugabe von Kraftfutter sehr 
schnell Forischritte und hat jetzt außer zwei rein- 
blütigen Kälbern zwölf Kreuzungsprodukte ergeben, 
die meine nicht geringen Erwartungen weit über- 
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troffen haben. Sämmtliche von europäischen Stieren 
eingedeckten Rinder haben Kälber gebracht, die mit 
den eingeborenen Kälbern fast nichts gemein haben, 
und sich kaum von reinblütigen europäischen Kälbern 
unterscheiden. Der Höcker fehlt ganz, nur die Stelle 
desselben macht sich beim Befühlen mit der Hand 
durch einen kleinen Fettansatz bemerkbar. Der Körper 
ist lang, ohne die scharf abfallende Kruppe, und die 
Beine zeigen das starke Knochengerüst des Vaters. 
Sogar in der Farbe folgten die Kälber bis jetzt 
dem schwarz-weißen Vater, obgleich die Mütter alle 
möglichen Farben haben. Hoöchst interessant ist es, 
daß die Kreuzungskälber es unter ihrer Würde er- 
achten, mit den gleichalterigen eingeborenen Kälbern 
zu spielen, und denselben hart zu Leibe gehen, wenn 
sie Annäherungsversuche machen. 
(Eine ähnliche Beobachtung machte ich mit einer 
Foxterrierhündin, deren souveräne Verachtung gegen 
die eingeborenen Hunde soweit geht, daß sie dieselben, 
weit entfernt, mit ihnen zu spielen, nicht einmal beißt, 
während sie auf jeden fremden Hund europälscher 
Abstammung wüthend losgeht, auch wenn derselbe 
ihr an Stärke überlegen ist.) 
In ihrem ganzen Gebahren unterscheiden sich die 
Kreuzungskälber wesentlich von den eingeborenen und 
gleichen den europäischen, besonders in ihrer Zu- 
traulichkeit an die Menschen, an welche sie ungenirt 
herangehen, um sich streicheln zu lassen, während das 
eingeborene Kalb sich nicht gern berühren läßt. 
Das Trinken aus der Flasche lernen die Kreuzungs- 
kälber sofort, die eingeborenen Kälber überhaupt nicht 
oder nur sehr schwer. Kurz, die ersteren sind klüger 
als die letzteren und werden später einmal außer 
einem besseren Milchvieh auch besseres Zugvieh ab- 
geben. 
Das europäische Vieh geht ohne Rücksicht mit 
dem anderen Vieh auf die Weide, klettert die Berge 
auf und ab wie dieses und befindet sich dabei in 
einem ausgezeichneten Ernährungszustande, so daß 
ich jetzt die Wahl desselben als eine äußerst glück- 
liche bezeichnen kann; außerdem möchte ich nach 
meinen Reiseerfahrungen dazu rathen, vor der Hand 
nur mit Holländer Vieh Kreuzungsversuche zu 
machen. Dieselben haben sowohl in den holländischen 
wie in den britischen Kolonien die besten Resultate 
erzielt. 
Die Station ist jetzt bemüht, die Kreuzungsver- 
suche auf alles erreichbare Vieh auszudehnen. Auch 
die Station Moschi hat bereits 50 meist sehr gute 
Thiere zu Kreuzungsversuchen gesandt, so daß in 
nächster Zeit eine erhebliche Verbesserung des Vieh- 
standes in Aussicht steht. Die Kreuzungsstiere, die 
auf der Station gezogen werden, sollen später als 
Deckstiere für die Kreuzungsfärsen verwendet werden, 
wobei die Gefahr einer Inzucht, wo sie nachtheilig 
werden kann, durch die genaue Führung jedes 
Thieres im Herdebuch ausgeschlossen ist. 
Da die drei europäischen Stiere nicht mit ein- 
ander verwandt sind, so können dieselben noch lange
	        
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