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Ihr seht, daß die Bittende keinen Fehler macht.
Tas ist der gewöhnliche Inhalt der Briefe, welche
am erhält. Im Komplimentemachen sind die Ba-
zendas auch nicht zurück.
Sobald eine der Frauen lesen kann, möchte sie
ein Buch haben, und wo könnte sie eher eins finden,
als bei den Missionaren! Sie müssen sich diese Gegen-
Ende, wenn es möglich ist, durch Verrichtung von
Fartenarbeit verdienen, damit dadurch das Betteln
nicht gefördert wird.
Bei den Bagandas sind die kleinen Kinder und
die alten Leute am interessantesten. Die kleinen
#nder sind so graziös, wie nur möglich, besonders
wine sie die Taufe empfangen haben, und der Unter-
schied, welcher zwischen ihnen und den Heiden besteht,
ist auffallend.
Gewöhnlich tragen die Negerkinder als Kleidung
cinen Perlengürtel (eine Art Kette), aber das paßt
ionen so gut, daß ein Stoff fast überflüssig ist. Die
Taufpaten machen sich ein Vergnügen daraus, uns
zu fragen, welchen Namen sie ihrem Kinde geben
follen. Kürzlich kam Eine, welche sagte: „Willst Du
meine Kleine? Sie gehört Euch, ich lasse sie Euch!“
Wir hätten bald, wer weiß wie viele, wenn wir
nachgeben wollten. Wir suchen uns junge, ernste
Mädchen aus, behalten sie bei uns und bilden sie
zum Unterricht im Lesen und Katechismus aus. Sie
find uns viel werth, denn die Schüler mehren sich
von Tag zu Tag. Die alten Leute sind die lustigsten
und fleißigsten. Sie haben immer einige Scherzworte
cuf Lager. Früher herrschte bei den Bagandas die
Gewohnheit, jedem anderen Alter einen anderen Namen
zu geben. Bis zu zwölf Jahren trug das Kind
#. B. diesen Namen: „Die Kurze“. Dann versammelte
sich die ganze Familie, und man wählte einen anderen
Namen, für ein junges Mädchen passend, etwa: „Wir
haben eine Hülfe.“ Wenn das junge Mädchen sich
verheirathete, gab ihr Mann ihr noch einen anderen
Namen, der ihm besonders gefiel. Schließlich kam
der Name des Alters, wie: „Der Tod wird dich
nicht vergessen"“. Die guten Alten glauben gegen-
wärtig, daß im Christenthum diese Namensänderung
auch stattfindet. Eine von denen, welche uns besuchen
kommen, kennen wir unter dem Namen Lucia. Eines
Tages kommt sie, uns zu fragen: „Kennt Ihr mich?“
Ja gewiß, Du bist Lucia. „Ach nein, Ihr täuscht
Euch,“ antwortete sie lachend, „ich bin Anna.“ Es
gab kein Mittel, sie über ihren Irrthum aufzuklären,
und fortan nennen auch wir sie Anna.
Auf Wiedersehen, meine lieben Eltern, betet ein
wenig für Euer Schwesterchen, ich habe es sehr nöthig.
Dem Jahresbericht der Norddeutschen Missions-
gesellschaft, erstattet im Monatsblatt der genannten
Gesellschaft, entnehmen wir, daß die Gesammtzahl
ihrer Missionsarbeiter im Juni 1901 16 Missionare,
darunter 10 verheirathete, betrug; serner 7 Missions-
schwestern, darunter 3 Diakonissen aus Hamburg-
Bethlehem, insgesammt also 33 Personen. Auf dem
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Missionsfelde sind thätig 13 Missionare und 8 Frauen,
6 Schwestern, während 3 Brüder, 2 Frauen und
1 Missionsschwester in Europa auf Urlaub weilen.
Der „Evangelische Heidenbote“ (Nr. 8) bringt
folgenden Bericht vom Missionar Stolz in Bombe
vom 10. Mai 1901 über das Ende des Missionars
Georg Bizer:
Es liegt mir die schwere Aufgabe ob, über den
unerwartet schnellen Tod unseres lieben Br. Bizer
Mittheilung zu machen. Am 30. April kam Br. Bizer
hierher nach Bombe, zunächst um einige Tage hier
und auf einigen unserer Außenstationen zuzubringen
und dann mit Br. Hecklinger, der von Bu5a nach-
kommen wollte, nach Mangamba und Duala zu reisen.
Erst nach mehr als einem Monat gedachte Br. Bizer
wieder in Buöa einzutreffen. Nachdem wir am
Sonntag Morgen (den 5. Mai) in Komba gepredigt
hatten, gingen wir nach den Filialen Mambanda und
Mukonje, wo wir ebenfalls Gottes Wort verkündigten,
und von da weiter an den Mongo nach Mundame,
wohin schon am Sonnabend unser Kanu gekommen
war, um uns abzuholen.
Da der Mond um 7 Uhr aufgehen sollte, lag,
menschlich gesprochen, nichts gegen eine Fahrt bei Nacht
vor, zumal der Wasserstand eben sehr niedrig war.
Gegen 51½ Uhr fuhren wir in Mundame ab und
hofften um 9 Uhr in Bombe zu sein. Die Fahrt
verlief anfangs sehr gut. Br. Bizer sprach es mehrere
Male aus, wie schön und angenehm diese Fahrt nun
sei nach dem Marsch in der argen Hitze. Kurz nach
6½ Uhr fuhr unser Kanu bei voller Fahrt auf einen
Ast auf, drehte sich etwas und schlug dann plötzlich
vollständig um. Das Kanu sank unter, doch es ge-
lang uns beiden mit Hülfe unserer Ruderer, uns
daran festzuhalten; es sank aber mit uns immer tiefer,
so daß wir es nicht mehr halten konnten. Ich kam
etwa zweimal für einen Augenblick über Wasser und
rief den Leuten zu: Haltet uns! haltet Herrn Biezer!
sank dann aber wieder unter. Anfangs war ich nicht
ängstlich, ich dachte, das Wasser könne nicht sehr tief
sein, und wir würden bald festen Boden oder einen
Baumstamm erreichen. Bald aber mußte ich einsehen,
daß alle Hoffnung auf Rettung schwand, ich konnte
nur noch seufzen: Gott sei mir Sünder gnädig! und
wußte dann nichts mehr von mir. Plötzlich spürte
ich Boden; das Bewußtsein kehrte wieder zurück. Ich
strengte mich an, vorwärts zu kommen. Zugleich
packte mich ein Ruderer, und ich war am Lande. Die
Uhr zeigte 5 Min. vor 6¾. Den Leuten, die mit
dem Kanu kamen, rief ich zu, doch Herrn Bizer zu
suchen: sie thaten ihr Möglichstes, aber leider vergebens.
Ich konnte mich nicht über meine Rettung freuen.
Wie leicht hätte ich für Br. Bizer sterben können, um
den eine tiesbetrübte Gattin und Kinder trauern, und
dessen Arbeit und Erfahrungen unserer Mission von
großem Nutzen waren und noch mehr hätten werden
können.
Nachdem wir lange vergebens gesucht hatten und
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