Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

versammeln sich hier ebenso wie alle Kanuris, die 
nach Osten wollen und die öde Wüste nördlich des 
Sees, wie die räuberischen Buddumas fürchten. 
Groß ist die Kunstfertigkeit der Makaryleute als 
Fischer und Jäger. Kaum ein Land ist aber auch 
der Ausbildung dieser Eigenschaften so günstig als 
die Tsadseeebene an der Scharimündung. Der Fluß 
hat geradezu Uberfluß an Fischen, die von den 
Makary mit großen Netzen gefangen werden. Diese 
Netze sind zwischen einer Gabel ausgespannt, die von 
zwei Langbäumen gebildet wird, welche sich an einem 
im Boot ruhenden, mit großen Steinen oder Eisen 
beschwerten dritten Baum vereinigen. Letzterer kann 
auf und nieder geholt und so die Gabel mit dem 
Net ins Wasser gesenkt und gehoben werden. Wels- 
artige, mannesgroße Fische werden auf diese Weise 
gefangen ebenso wie Mengen unterarmlanger, dicht 
an der Oberfläche schwimmender Tiere, die man von 
einem kleinen Boot aus mit Klappern in die Netze 
scheucht. Die großen Fischerfahrzeuge, die mit 
Stangen fortgestoßen werden, hinten einen hoch- 
ragenden Schnabel haben und vorn, wo die Gabel 
und der Langbaum sich drehen, glatt abgeschnitten 
find, haben oft eine Länge bis zu 12 m und sind 
sehr geschickt aus einzelnen Stücken zusammengesetzt. 
Für den Jäger ist Makary das gelobte Land. 
Löwen sind sehr zahlreich; sie sind hier übrigens 
treffliche Schwimmer. 
Das Tsadseeufer ist mehr oder weniger auf 
kilometerweite Strecken sumpfig und je nachdem 
bewohnt oder öde. Vielfach verlassen auch die Be- 
wohner beim Steigen des Sees ihre Dörfer und 
kehren erst, wenn das Wasser gefallen ist, wieder 
zurück. Der Ubergang von Land, Sumpf und See 
vollzieht sich, da gar keine Erhebungsverschiedenheiten 
vorliegen, ganz unmerklich. Bei Sehram, wo die 
Expedition Pavel den See berührt hat, war dem 
offenen Wasser ein niederer Streifen weidenartiger 
Bäume vorgelagert, der aber an anderen Stellen 
sehlt. Das Wasser ist schmutzig, grau und süß, 
während unweit des Sees das Wasser in den Erd- 
vertiefungen brackig ist und vielsach Natron absondert. 
Der See ist meist von einer Wolkenschicht bedeckt, 
da — wenn die Luft nicht ganz still ist — der feine 
Wüstensand auf der Nordseite in steter Bewegung 
fortgetragen wird. So werden bis nach dem 15 Marsch- 
stunden entfernten Diköa hin überall in der schwarzen 
Ebene Dünen von weißem Wüstensand gebildet. 
Sechs Stunden vom See entfernt liegt das 
berühmte Ngaba, wo die Kanuris ihre größten 
  
Schlachten, zum letzten Mal gegen Rabeh, allerdings 
unglücklich, geschlagen haben. 
Wo Wasser sich findet, liegt Dorf an Dorf, und 
selbst zwischen Ngaba und Diköa leben in der 
Steppe nicht nur ackerbautreibende und viehzüchtende 
Ssalamataraber, sondern auch überall in größeren 
Dörfern festangesessene Kanuris, die in der Trocken- 
zeit aus tiesen Brunnen das zum Lebensunterhalt 
nötige Wasser gewinnen. 
151 
  
Diköa selbst liegt ganz unvermittelt in der Ebene 
und hat seine Existenz neben dem fließenden Wasser 
wohl den vielen bedeutenden, auch in der Trocken- 
zeit wasserreichen Erdsenkungen zu verdanken, die 
sich meilenweit rundum finden und jedesmal einem 
betriebsamen Kanuridorf die Existenz ermöglichen. 
Die Bevölkerung des großen zentralasrikanischen 
Reiches stellte schon in der Mitte des vorigen Jahr- 
hunders ein Konglomerat aller mohammedanischen 
Afrikanerrossen dar, und dies hat naturgemäß noch 
zugenommen, nachdem mit Rabeh ein fremdes, 
herrschendes Element mit Anhang auch aus allen 
möglichen östlichen Heidenländern ins Land ge- 
kommen ist. 
Hat sich auf dem Lande noch öfter reineres 
Kanuriblut erhalten, so setzt sich die Diköa-Be- 
völkerung, wie wohl auch die anderer großer Bornu- 
städte, aus Tripolitaner-, Fezzaner-, Tebu= und 
Tuaregmischlingen zusammen, aus Göber= und Haussa- 
elementen, aus Bagirmi-, Wadai= und Furleuten, 
vielfach aus Rungas und Dongolanern. Im Königs- 
stamme haben sich die alten Shefus erhalten, die 
Nachkommen des großen Alaoma Edriß. 
Die alte Bornu-Tätowierung, die kranzartige 
Haartracht der Weiber, die mit der Koralle in 
einem Nasenflügel geschmückt, ihre malerisch umge- 
worfenen Tücher kokett weit im Sande nachschleppen 
lassen, besteht noch, aber die Männer haben die 
hellblaue Tobe und den Strohhut vielfach mit der 
mit bunten Zeugstreifen benähten Mahdistengiubba 
und der runden festen Mütze vertauscht, die der 
Rabeh eingeführt hatte. 
Als Nachwirkung der Rabehschen Schreckens- 
zeit ist es anzusehen, daß auch freie Leute mit dem 
Patronengürtel und dem Gewehr bewafsfnet ein- 
herschreiten. Die langen Bornulanzen werden meist 
allerdings zum Schmuck getragen, wenn ein Billama 
(Dorfältester) oder sonst ein Großer auf seinem 
prächtig gesattelten Pferd im Paßtrab, von seinen 
Sklaven und Klienten eng umgeben, zur Stadt 
kommt. 
In Diköa, wo alles zu haben ist, herrscht 
Luxus und Wohlleben, aber auch auf dem Lande 
leben die Kanuris bedeutend besser als alle ihre 
Nachbarn. Das Land ist fruchtbar, und Rabeh hat 
Bornu als sein festes Herrschergebiet betrachtet und 
verhältnismäßig geschont. In ganz Bornu herrscht 
Geldverkehr. Die Bedeutung des Landes als 
Austauschplatz zwischen den Mohammedanern im 
Norden und Süden, im Osten und Westen 
von Afrika ist dauernd durch seine zentrale Lage 
bedingt. 
Die Kanuris sind Ackerbauer, Viehzüchter, Hand- 
werker und Kaufleute. Der Mohammedanismus ist 
äußerst tolerant. 
Die Dörfer sind überall von einem breiten Wall 
umgeben, geschlossen gebaut. Lehmmauern oder Rohr- 
zäune umschließen die hohen Strohhäuser, das Vieh 
weidet nur tagsüber und wird nachts von seinem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.