Welt ihren Anteil gleichfalls zu empfinden, und aller
Vorteil, welchen sie von ihrer entfernten Lage hatten,
bestand bloß darin, daß sie 100 oder 200 Jahre
später zu Grunde gingen. Man moöchte vielleicht
zweiseln, ob die Anzahl der Einwohner zu Tinian,
welche nach Guam verbannt wurden und welche sich
dort zu Tode grämten, wirklich so groß gewesen sei,
als wir oben gemeldet haben. Allein der überein-
stimmenden Erzählung unserer Gefangenen sowie der
Bequemlichkeit und großen Fruchtbarkeit der Insel
nicht zu gedenken, so findet man darauf noch einige
Denkmäler, welche beweisen, daß sie vorzeiten unge-
mein stark bewohnt gewesen. Denn es sind in allen
Gegenden der Insel sehr viele Stücken eingefallener
Gebäude von einer ganz besonderen Art. Sie be-
stehen gemeiniglich in zwei Reihen viereckiger Pyra-
midensäulen, davon eine jede ungefähr sechs Schuh
von der anderen steht, und die Weite zwischen den
Reihen beträgt ungefähr zwölf Schuh. Der Fuß der
Säulen selbst hat fünf Quadratschuh und die Höhe
13 Schuh. Auf der Spitze einer jeden ist eine halbe
Kugel, deren flacher Teil aufwärts steht. Die Säulen
nebst der halben Kugel sind ein dichtes und festes Stück,
welches aus Sand und Steinen besteht, die zusammen-
gekittet und mit Gips beworfen sind. Wenn die Nach-
richt, welche unsere Gefangenen uns von denselben
gaben, sich der Wahrheit gemäß befand, so muß die
Insel in der Tat sehr volkreich gewesen sein, denn sie
versicherten uns, daß diese Säulen der Grund gewisser
Gebäude wären, die besonders nur für diejenigen
Indianer aufgeführt worden, welche ein geistliches
Gelübde getan hatten, und man findet oft bei vielen
heidnischen Völkern Mönchsorden. Unterdessen, wenn
auch diese Stücken alter Gebäude ursprünglich der
Grund gemeiner Wohnhäuser der Einwohner wären,
so muß ihre Anzahl beträchtlich gewesen sein. Denn
m manchen Gegenden der Insel findet man sie über-
aus häufig, und sie beweisen also die Menge der
Leute zur Genüge, die vormals ihren Aufenthalt
allhier gehabt haben. Aber ich wende mich nun
wieder zu dem gegenwärtigen Zustande der Insel.
Nachdem ich von den Bequemlichkeiten dieses Orts,
von der Vortrefflichkeit und Menge seiner Früchte
und Lebensmittel, von der Schönheit seiner Ebenen,
von dem herrlichen Ansehen, der Kühle und dem
lieblichen Geruche der Wälder, von der sowohl in
die Augen fallenden Ungleichheit des Bodens und
der Verschiedenheit und Anmut der Aussichten, die
man daher bekam, schon Erwähnung getan habe, so
muß ich nun anmerken, daß alle diese Vorzüge durch
die Gesundheit der Himmelsgegend, durch die fast
beständigen küblen Winde, die hier wehen und durch
die oftmaligen Regengüsse sehr erhöht wurden. Diese
dauerten zwar nicht lange, ja meistens nur einige
Augenblicke, allein sie hatten etwas überaus Ange-
nehmes und Erfrischendes, und waren vielleicht eine
Ursache der gesunden Luft und des ungemeinen Ein-
flusses, welchen dieselbe, wie wir wahrnahmen, bei
uns hatte, indem dadurch die Lust zum Essen und
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die Verdauung vermehrt und befördert ward. Diese
Lust zum Essen war in der Tat merkwürdig, weil
diejenigen von unseren Offizieren, welche sonst allezeit
wenig und mäßig aßen und die, außer einem kleinen
Frühstück, des Tages nur eine mittelmäßige Mahlzeit
taten, dem Ansehen nach allhier in Vielfräße ver-
wandelt wurden, denn statt einer guten Mahlzeit
von Fleisch, begnügten sie sich jetzo kaum mit dreien,
und eine jede davon war so stark, daß sie sonsten
ein Fieber oder einen verdorbenen Magen verursacht
haben würde. Allein unsere Verdauung war der
starken Lust zum Essen so gemäß, daß wir uns durch
diese große Mahlzeiten kein Ungemach zuzogen, noch
zu viel aßen; denn wenn wir, nach der Gewohnheit
auf der Insel, ein großes Frühstück von Rindfleisch
eingenommen hatten, so fingen wir bald darauf an
zu wünschen, daß es schon Mittag wäre, und die
Zeit ward uns danach lange.
Nachdem ich nun in meinen dieser Insel beige-
legten Lobsprüchen so weitläufig gewesen bin, worin
ich ihr doch, wie ich mir einbilde, nicht genugsam
Gerechtigkeit habe widerfahren lassen, so halte ich es
für nötig, etwas von den Umständen, die darin ent-
weder in Betrachtung der Schönheit oder des Nutzens
mangelhaft sind, zu erwähnen.
Was zuerst das Wasser betrifft, so muß ich ge-
stehen, daß, ehe ich diesen Fleck gesehen hatte, ich mir
nicht einbilden konnte, daß der Mangel an fließendem
Wasser, welches hier gar nicht vorhanden ist, auf
eine andere Weise so wohl ersetzet werden könnte,
als wirklich auf dieser Insel geschieht. Denn ob sich
gleich keine Ströme darauf befinden, so ist doch das
Wasser aus den Brunnen und Quellen, welche man
allenthalben nahe an der Oberfläche antrifft, ungemein
gut, und mitten auf der Insel gibt es zwei oder
drei große Stellen mit vortrefflichem Wasser, deren
Ufer so schön und eben ist, als wenn es ein zum
Zierrate des Platzes mit Fleiß angelegtes Wasser-
behältnis wäre.
Was den Aufenthalt auf der Insel am meisten
beschwerlich macht, ist die große Menge von Mücken
und verschiedene andere Arten von Fliegen nebst den
sogenannten Hundsläusen. Und obgleich dieselben
nur vornehmlich an das Vieh gewöhnt sind, so fallen
sie doch auch öfters auf den Leib und die Glieder
eines Menschen, und wenn man sie nicht wahrnimmt
und beizeiten von sich schafft, so graben sie sich mit
dem Kopfe unter die Haut und verursachen eine
schmerzliche Entzündung. Wir fanden hier auch
Centipedes oder Krautwürmer und Skorpione, welche
wir für giftig hielten; allein keiner unter uns ward
jemals von ihnen beschädigt.
Aber der wichtigste Fehler dieses Orts und welchen
man am meisten zu fürchten hat, ist noch übrig. Dies
ist die Unbequemlichkeit der Reede und die wenige
Sicherheit, die ein vor Anker liegendes Schiff allhier
in gewissen Jahreszeiten hat. Die einzige bequeme
Ankerstelle für schwere Schiffe ist an der südwestlichen
Spitze der Insel. Hier legte sich der „Centurion“ in