Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

hatte schon am Tage vorher Boten nach diesem Dorf 
geschickt, damit ich auch als königlicher Gast königlich 
empfangen werde. Das geschah. Bei meinem 
Kommen hatte sich eine große Menschenmenge auf 
dem Marktplatze versammelt. Als ich mit meiner 
Karawane sichtbar wurde, der das Balibanner voran- 
wehte — Fo Nyonga hatte uns nämlich für feinen 
Sprengel seine Fahne, einen schwarz und weißen 
Pferdeschwanz auf ungefähr zehn Speeren festgebun- 
den, mitgegeben — kauerten alle mit Ausnahme 
eines Altesten, der sich an der Spitze befand, auf 
den Boden nieder. Totenstille herrschte in der 
Menge. Ich grüßte mit dem Hute. Der Alleste 
gab das Zeichen zum Gegengruß. Und nun erscholl 
ein Händeklatschen, daß mir wirklich das Blut zu 
Kopfe stieg. „Was habe ich armer Wicht getan“, 
wandte ich mich an meinen Begleiter, „daß man solche 
Komödie macht?“ „Massa.“ sagte er, „du bist doch 
der „big“ Freund von Fo Nyonga, warum soll dich 
dieses Volk nicht königlich empfangen?“" Dieselbe 
freundliche Aufnahme wartete meiner beim Häuptling 
dieses Dorfes. Am nächsten Morgen in aller Frühe 
ging's weiter über Bawadjo nach Bangang. Zunächst 
mußten wir einen Gebirgszug erklettern, dann ging 
es auf diesem entlang, bis wir plötzlich auf einem 
Vorsprung standen, von wo aus wir eine großartige 
Aussicht hatten. Meilenweit sah man von hier in 
das Land hinein, welches mit Städten und Dörfern 
ganz übersät war. Dort war Bagam, Bangang, 
Badjam usw. usw., alles Städte mit mehreren 
tausend Einwohnern. Und obendrein, was für uns 
Missionare sehr wichtig ist, überall redet man eine 
Sprache, das Bali. Dielektische Verschiedenheiten 
sollen zwischen den einzelnen Stämmen vorhanden 
sein, aber doch wieder nicht so, daß man einander 
nicht verstehen könnte. Ich hätte nur wünschen mögen, 
daß die lieben Missionsfreunde von diesem Berge 
aus einen Blick hätten tun dürfen in dieses Völker- 
meer. Sicher wäre manchem das Herz noch weiter 
geworden als bisher, und er hätte mit mir gebetet: 
„Herr, sammle Deine Herden Dir aus der Bölker 
Zahl!“ Die Städte und Dörfer find hier in diesen 
Gegenden nicht so eng zusammengebaut wie in Bali. 
Bei jedem Haus ist ein kleiner eingezäunter Garten, 
so daß sich ein solches, ich möchte sagen, Farmendorf, 
mit seinen 2000 bis 4000 Einwohnern oft eine bis 
drei Stunden in Länge und Breite ausdehnt. 
Störend wird diese Bauart kaum auf die Missions- 
arbeit wirken. Für Schüler z. B. wäre es möglich, 
auch wenn sie nicht alle Tage nach Hause könnten, 
sondern beim Lehrer wohnen müßten, sich leicht, 
mindestens allwöchentlich, das Essen von zu Hause 
zu beschaffen. 
Miss. Brockmann in Otjosazu (LDeutsch-Süd- 
westafrika) erzählt in den „Berichten der Rheinischen 
Missions-Gesellschaft“ von einer Filialreise, die er 
gemacht habe, um mit seinen Pflegebefohlenen be- 
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kannt zu werden. (Zu Otjosazu gehören drei Fi- 
lialen.) Da kam er u. a. nach Okatjapia. „Kurz 
vor Sonnenuntergang traf ich dort ein. Sofort 
wurde ich von dem Evangelisten Wilfried und dem 
provisorisch mit Schulehalten vertrauten Elias aufs 
freundlichste begrüßt, und die Leute eilten von allen 
Seiten herbei, um dem Omuhonge die Hand zu 
reichen. Wir setzten uns in dem Vorhof des Evan- 
gelisten Wilfried um ein lustig flackerndes Feuer, 
das uns Licht und Wärme spendete. Bald war eine 
ganze Anzahl von Leuten versammelt, denn ich hatte 
eine Gesangsstunde angesetzt. Beim Gesang sind 
unsere Hereros nicht die letzten. Ein Lied ums 
andere schallte in die Nacht hinaus, und wenn aus 
den rauhen Kehlen auch manche unreine Töne her- 
vorkamen, so hat Gott im Himmel, glaube ich, doch 
seine Freude an unserem Singen gehabt. Denn 
noch nicht viele Lieder waren an diesem Ort dem 
Herrn zur Ehre gesungen worden, sondern ehedem 
gab's hier Krieg und Kriegsgeschrei, wie die nahen 
Gräber der Gefallenen zur Genüge bewiesen. Die 
Leute konnten des Singens gar nicht genug kriegen; 
aber meine sonst so gute Stimme versagte endlich, 
und ich mußte ihnen sagen, ich kann nicht mehr. Ich 
erzählte ihnen dann, dereinst im Himmel würden wir 
mit den Engeln zusammen noch viel herrlicher fingen, 
bat den Evangelisten, mir die Bibel zu reichen und 
las ihnen Offenbarung 22 vor. Darauf knieten wir 
nieder, und der Alteste Christian sprach aus über- 
fließendem Herzen ein ernstes Lob= und Dankgebet. 
Zum Schluß reichte ich allen die Hand und ging 
fröhlich von ihnen, denn ich hatte lange nicht einen 
so schönen Abend verlebt.“ 
— —— — 
Von der katholischen Mission auf den Marschall- 
Inseln berichtet P. Erdland in den „Monatsheften 
z. Ehren Unf. L. Frau v. hlst. Herzen Jesu“: 
Als vor vier Jahren die Schule auf Jaluit er- 
öffnet wurde, folgten drei oder vier Kinder ganz 
schüchtern dem Bruder Schulmeister und zitterten 
vor Schrecken, wenn ob eines begangenen Fehlers 
die Züge des Lehrmeisters sich leicht verfinsterten. 
Heute befinden sich 57 Kinder in der Erziehungs- 
anstalt und tummeln sich in freien Stunden sorglos 
auf einem breiten Spielplatze. Der Unterricht hat 
Früchte gezeitigt: die Zunge spricht die deutsche 
Sprache, das Herz preist den Herrn in frommen 
Gebeten und Gesängen. Mittlerweile ist auch ein 
Wörterbuch der Marschallsprache fertiggestellt, und 
seitdem mit dem Predigen in der Eingeborenensprache 
begonnen, nehmen auch Erwachsene am religiösen 
Unterricht teil. Während 2 Patres, 2 Brüder und 
seit Oktober vorigen Jahres auch 3 Schwestern auf 
Jaluit arbeiten, konnten zwei andere Inseln besetzt 
werden: Likieb und Nauru. Auf der Insel Nauru, 
die so weit von Jaluit entfernt sein mag wie Bremen 
von Wien, wirken seit Ende 1902 ein Missionar
	        
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