hatte schon am Tage vorher Boten nach diesem Dorf
geschickt, damit ich auch als königlicher Gast königlich
empfangen werde. Das geschah. Bei meinem
Kommen hatte sich eine große Menschenmenge auf
dem Marktplatze versammelt. Als ich mit meiner
Karawane sichtbar wurde, der das Balibanner voran-
wehte — Fo Nyonga hatte uns nämlich für feinen
Sprengel seine Fahne, einen schwarz und weißen
Pferdeschwanz auf ungefähr zehn Speeren festgebun-
den, mitgegeben — kauerten alle mit Ausnahme
eines Altesten, der sich an der Spitze befand, auf
den Boden nieder. Totenstille herrschte in der
Menge. Ich grüßte mit dem Hute. Der Alleste
gab das Zeichen zum Gegengruß. Und nun erscholl
ein Händeklatschen, daß mir wirklich das Blut zu
Kopfe stieg. „Was habe ich armer Wicht getan“,
wandte ich mich an meinen Begleiter, „daß man solche
Komödie macht?“ „Massa.“ sagte er, „du bist doch
der „big“ Freund von Fo Nyonga, warum soll dich
dieses Volk nicht königlich empfangen?“" Dieselbe
freundliche Aufnahme wartete meiner beim Häuptling
dieses Dorfes. Am nächsten Morgen in aller Frühe
ging's weiter über Bawadjo nach Bangang. Zunächst
mußten wir einen Gebirgszug erklettern, dann ging
es auf diesem entlang, bis wir plötzlich auf einem
Vorsprung standen, von wo aus wir eine großartige
Aussicht hatten. Meilenweit sah man von hier in
das Land hinein, welches mit Städten und Dörfern
ganz übersät war. Dort war Bagam, Bangang,
Badjam usw. usw., alles Städte mit mehreren
tausend Einwohnern. Und obendrein, was für uns
Missionare sehr wichtig ist, überall redet man eine
Sprache, das Bali. Dielektische Verschiedenheiten
sollen zwischen den einzelnen Stämmen vorhanden
sein, aber doch wieder nicht so, daß man einander
nicht verstehen könnte. Ich hätte nur wünschen mögen,
daß die lieben Missionsfreunde von diesem Berge
aus einen Blick hätten tun dürfen in dieses Völker-
meer. Sicher wäre manchem das Herz noch weiter
geworden als bisher, und er hätte mit mir gebetet:
„Herr, sammle Deine Herden Dir aus der Bölker
Zahl!“ Die Städte und Dörfer find hier in diesen
Gegenden nicht so eng zusammengebaut wie in Bali.
Bei jedem Haus ist ein kleiner eingezäunter Garten,
so daß sich ein solches, ich möchte sagen, Farmendorf,
mit seinen 2000 bis 4000 Einwohnern oft eine bis
drei Stunden in Länge und Breite ausdehnt.
Störend wird diese Bauart kaum auf die Missions-
arbeit wirken. Für Schüler z. B. wäre es möglich,
auch wenn sie nicht alle Tage nach Hause könnten,
sondern beim Lehrer wohnen müßten, sich leicht,
mindestens allwöchentlich, das Essen von zu Hause
zu beschaffen.
Miss. Brockmann in Otjosazu (LDeutsch-Süd-
westafrika) erzählt in den „Berichten der Rheinischen
Missions-Gesellschaft“ von einer Filialreise, die er
gemacht habe, um mit seinen Pflegebefohlenen be-
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kannt zu werden. (Zu Otjosazu gehören drei Fi-
lialen.) Da kam er u. a. nach Okatjapia. „Kurz
vor Sonnenuntergang traf ich dort ein. Sofort
wurde ich von dem Evangelisten Wilfried und dem
provisorisch mit Schulehalten vertrauten Elias aufs
freundlichste begrüßt, und die Leute eilten von allen
Seiten herbei, um dem Omuhonge die Hand zu
reichen. Wir setzten uns in dem Vorhof des Evan-
gelisten Wilfried um ein lustig flackerndes Feuer,
das uns Licht und Wärme spendete. Bald war eine
ganze Anzahl von Leuten versammelt, denn ich hatte
eine Gesangsstunde angesetzt. Beim Gesang sind
unsere Hereros nicht die letzten. Ein Lied ums
andere schallte in die Nacht hinaus, und wenn aus
den rauhen Kehlen auch manche unreine Töne her-
vorkamen, so hat Gott im Himmel, glaube ich, doch
seine Freude an unserem Singen gehabt. Denn
noch nicht viele Lieder waren an diesem Ort dem
Herrn zur Ehre gesungen worden, sondern ehedem
gab's hier Krieg und Kriegsgeschrei, wie die nahen
Gräber der Gefallenen zur Genüge bewiesen. Die
Leute konnten des Singens gar nicht genug kriegen;
aber meine sonst so gute Stimme versagte endlich,
und ich mußte ihnen sagen, ich kann nicht mehr. Ich
erzählte ihnen dann, dereinst im Himmel würden wir
mit den Engeln zusammen noch viel herrlicher fingen,
bat den Evangelisten, mir die Bibel zu reichen und
las ihnen Offenbarung 22 vor. Darauf knieten wir
nieder, und der Alteste Christian sprach aus über-
fließendem Herzen ein ernstes Lob= und Dankgebet.
Zum Schluß reichte ich allen die Hand und ging
fröhlich von ihnen, denn ich hatte lange nicht einen
so schönen Abend verlebt.“
— —— —
Von der katholischen Mission auf den Marschall-
Inseln berichtet P. Erdland in den „Monatsheften
z. Ehren Unf. L. Frau v. hlst. Herzen Jesu“:
Als vor vier Jahren die Schule auf Jaluit er-
öffnet wurde, folgten drei oder vier Kinder ganz
schüchtern dem Bruder Schulmeister und zitterten
vor Schrecken, wenn ob eines begangenen Fehlers
die Züge des Lehrmeisters sich leicht verfinsterten.
Heute befinden sich 57 Kinder in der Erziehungs-
anstalt und tummeln sich in freien Stunden sorglos
auf einem breiten Spielplatze. Der Unterricht hat
Früchte gezeitigt: die Zunge spricht die deutsche
Sprache, das Herz preist den Herrn in frommen
Gebeten und Gesängen. Mittlerweile ist auch ein
Wörterbuch der Marschallsprache fertiggestellt, und
seitdem mit dem Predigen in der Eingeborenensprache
begonnen, nehmen auch Erwachsene am religiösen
Unterricht teil. Während 2 Patres, 2 Brüder und
seit Oktober vorigen Jahres auch 3 Schwestern auf
Jaluit arbeiten, konnten zwei andere Inseln besetzt
werden: Likieb und Nauru. Auf der Insel Nauru,
die so weit von Jaluit entfernt sein mag wie Bremen
von Wien, wirken seit Ende 1902 ein Missionar