Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

sich das Wirken des Missionars darauf beschränkt, 
durch Güte, durch allerlei Liebesdienste das Wohl- 
wollen der Eingeborenen zu gewinnen, ist vorüber. 
Unsere Hauptsorge gilt der Jugend. Durch allerlei 
Kunstgriffe sucht man sie zur Schule zu bringen. Ich 
lebe mit meinen kleinen schwarzen Rangen jeden 
Morgen neu auf. Wird des Morgens das Tor ge- 
öffnet, so stürmen sie gleich einem erzürnten Bienen- 
schwarm in alle Räume des Hauses. Sie kommen 
in mein Zimmer, jeden Tag von neuem die wenigen 
unentbehrlichen „Wunderdinge“, die ich aus der alten 
Zivilisation noch besitze, anzustaunen. Einige von 
diesen Kmdern machen uns mit ihrem Eifer, die 
Wahrheiten unserer Religlon zu erlernen, große 
Freude. Durch die Jugend hoffen wir, all- 
mählich auch bei den Erwachsenen dem Christentum 
Eingang zu verschaffen. Die Kinder lernen bei 
uns die wichtigsten Lehren des Christentums aus- 
wendig; in die elterliche Hütte zurückgekehrt, haben 
sie nichts Eiligeres zu tun, als das Erlernte herzu- 
sagen. Macht später dann ein Missionar die Runde 
im Dorfe, von Hütte zu Hütte gehend, so hört er 
zu seiner großen Freude, daß Väter und Mütter 
und die älteren Geschwister von unserer Schuljugend 
etwas erlernt haben; oft bietet sich so Gelegenheit, 
den armen Negern ein wenig von der frohen Bot- 
schaft zu reden, die auch für sie vom Himmel ge- 
geben ward. Bis zur gänzlichen Bekehrung sind 
aber noch große Schwierigkeiten zu überwinden. 
Der „Stern von Afrika“ verbreitet sich über den 
Nutzen, den die Erschließung Kameruns durch eine 
große Eisenbahn für die ganze Entwicklung des 
Schutzgebietes und damit auch für das Missions- 
werk haben würde: 
Erst die Erschließung des vielversprechenden Hinter- 
landes, welches zweifellos gegründete Aussichten auf 
eine reiche Entwicklung hat, durch einen großen 
Schienenweg, der von der Küste aus in das ferne 
Hinterland bis zum Tschadsee führt, wird auch den- 
jenigen, die bisher skeptisch waren, den Wert der 
Kolonie offenbaren. Bisher konnte lediglich ein ver- 
hältnismäßig kleiner Teil des Küstengebietes von 
Kamerun als deutsches Handelsgebiet angesehen 
werden. Das große Hinterland mit seinen reichen 
Naturschätzen gehört immer noch zum Handelsgebiet 
der Haussa, gravitiert nach dem Niger, Benus und 
dem Tschadsee und bringt lediglich den Engländern 
und Franzosen Vorteil und Nutzen. Das alles wird 
mit einem Schlage anders werden, sobald erst die 
große Kamerun-Eisenbahn gebaut und damit ein 
bequemer Weg ins Innere der Kolonie und weiter 
in der projektierten Richtung nach dem Tschadsee vor- 
handen sein wird. Daß dann die ganze Kolonie 
einen gewaltigen Ausschwung nehmen wird, ist nach 
den Berichten der Forschungskommission, welche die 
projektierte Strecke auf ihre Ertragsfähigkeit unter- 
sucht hat, nicht mehr zu bezweifeln. Von den besten 
  
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Kennern des Landes ist daher der Bau einer Eisen- 
bahn, die von der Küste ins Innere der Kolonie 
führt, als dringende Notwendigkeit anerkannt worden- 
Es handelt sich bei der Erschließung dieses Teile- 
von Zentralafrika nicht nur um die Beförderung von 
Personen und die allgemeine Hebung des Verkehrs. 
sondern auch um die Versorgung Deutschlands mir 
den kostbarsten Produkten der Tropen, wie Elfenbein. 
Gummi, Baumwolle, Tee, Kaffee, Vanille, Farb= und 
Nutzhölzer, sowie den übrigen Erzeugnissen der heißen 
Zone. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten ist 
auch an dem Vorkommen von Gold im Benuögebier 
und in den Mandarabergen nicht mehr zu zweifeln. 
Daher muß ein direkter Schienenweg, der diese un- 
gemein reichen Gebiete durchqueren und damit ein 
großes Stück von Zentralafrika wirtschaftlich er- 
schließen würde, auch bald große direkte Früchte 
tragen. Die Zukunft wird dann zeigen, was 
Deutschland an seiner Kolonie Kamerun hat. Und 
der Mission ist durch möglichst baldige Erschließung 
des Innern und durch bessere Verkehrsmittel auch 
gedient, war doch bisher die Unwegsamkeit des 
Landes ein Haupthindernis des Missionswerkes. 
In den „Kirchlichen Mitteilungen aus und über 
Nordamerika, Australlen und Neu-Guinea“ schreibt 
Missionar Lehners aus Deinzerhöhe (Kaiser Wil- 
helmsland): 
Ich bin gegen Abend im Dorf und verbinde 
einer Frau wohl schon das dreißigste Mal ihre 
Wunden, die Gott sei Dank auch endlich heilen. Noch 
während ich damit beschäftigt bin, wird mit einer 
„Kuhschelle“ geläutet. Von allen Seiten des Dorfes 
kommen Leute, alte und junge, Knaben, Mädchen, 
Frauen. Sie gehen auf ein zu ebener Erde gebautes 
Haus zu. Es ist Abendandacht in dem sauber und 
ordentlich hergestellten Gottesdiensthaus, das die 
jungen Leute ganz freiwillig erbaut und vor etlichen 
Wochen vollendet haben. Frühere Schüler halten 
abwechselnd die Andachten, die mit Gesang eröffnet 
werden, eine biblische Geschichte zum Muttelpunkt 
haben und mit Gesang und Abendgebet enden. Der 
Eifer dieser jungen noch ungetauften Leute ist eine 
sehr erfreuliche Wahrnehmung, und der Segen, den 
das Abhalten der Andachten in sich birgt, ist unver- 
kennbar. Vor allem werden die Frauen und Mädchen 
mit den Liedern und dem Inhalt der biblischen 
Geschichte mehr vertraut und bringen demgemäß ein 
besseres Verständnis zu den sonntäglichen Gottes- 
diensten mit. Em wertvolles und von seiten der 
Schwarzen gern benutztes Hilfsmittel zur Erläuterung 
biblischer Geschichten sind textgetreue Bilder. Von 
den Schülern werden die Bilder sehr begehrt, um 
ihre Erzählungen im Dorf zu vertiefen. — Künftig- 
hin wird wohl der eine und andere Missionar bei 
den Abendandachten im Dorf zugegen sein und tätig 
mit eingreifen.
	        
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