Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Häuptling die Angelegenheit in die Hand nimmt und 
zum Austrag bringt. 
Was den Erwerb von Grundeigentum betrifft, 
so sind hier hinsichtlich des Privatbesitzes folgende 
Regeln vorherrschend: 
1. Der größte Teil des von den einzelnen Dorf- 
bewohnern als Privateigentum bezeichneten Landes 
kann als von den Vätern überkommenes Erbe be- 
zeichnet werden. Daher kommt es, daß nicht nur 
bebautes, sondern auch längst wieder verwildertes 
und nun mit Busch bewachsenes Farmland als 
Privateigentum betrachtet wird. In manchen Dörfern 
wird ftreng darauf gehalten, daß niemand dieses er- 
erbte Eigentum in Beschlag nimmt. Selbst wenn 
der Besitzer das Dorf verlößt und sich anderswo 
ansiedelt, bleibt ihm sein Eigentum, auf das er jeder- 
zeit Anspruch erheben kann. Ist aber während seiner 
Abwesenheit das ihm gehörige Land von einem an- 
deren bebaut worden, so muß ihm dasselbe bei einer 
etwaigen Rückkehr wieder überlossen werden. Auch 
die Kinder desselben behalten ein stetes Anrecht auf 
dieses Land. In einzelnen Dörfern hört auch hin- 
sichtlich dieses ererbten Landes mit dem Ende der 
Bewirtschaftung desselben, sobald sich kelne Feld- 
früchte mehr auf dem Lande befinden, das Eigen- 
tumsrecht auf. 
2. Ein weiterer Teil des als Privateigentum 
bezeichneten Landes wurde durch Urbarmachung und 
Bebauung von dem Allgemeinbesitz des Dorfes er- 
worben. Nach der Anschauung der hiesigen Ein- 
geborenen hat jeder Dorfbewohner das Recht, sich 
auf diese Weise Privateigentum zu erwerben, indem 
er eben ein Stück Dorfland reinigt und bebaut. 
Hervorgerufen ist diese überall bestehende Art der 
Erwerbung von Privatbesitz durch die unbedingt 
nötige Wechselwirtschaft der Neger, nach der nur 
etliche Jahre auf ein und demselben Lande gepflanzt 
wird. Hernach bleibt dieses Stück Land brachliegen 
und wird erst wieder bebaut, wenn ein reicherer 
Ertrag erwartet werden kann. Während dieser Zeit 
werden auf einem schon früher bebauten Lande oder 
in einer neu angelegten Pflanzung die Lebensmittel 
angebaut. Erst bei Heranziehung der Eingeborenen 
zu rationeller Bebauung und Bewirtschafung des 
Landes kann dieser ziemlich ausgedehnte und unter 
den jetzigen Verhältnissen nötige Privatbesitz ein- 
geschränkt werden. 
3. Endlich sei noch darauf hingewiesen, daß in 
ganz seltenen Fällen Privateigentum auch durch Kauf 
erworben wird. Häufiger noch geschieht dies durch 
Schenkungen. Auch das kommt vor, daß Privat- 
eigentum für etliche Jahre verpachtet wird. 
Von Erwerbungen (oder Neuerwerbungen) von 
Grundeigentum der Dorfgemeinschaften konn kaum 
die Rede sein. Der Besitz des Dorfes kann sich 
etwa nur dadurch vergrößern, daß eme oder mehrere 
Familien sich im Busche ansiedeln auf solchem Lande, 
das schon innerhalb der Grenzen des Nachbardorfes 
liegt. Wird von diesem keine Einsprache erhoben, 
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so kann es geschehen, daß solches neubesiedelte Land 
im Laufe der Zeit zum Mutterort gerechnet wird. 
Auf andere Weise wird von Dorfgemeinschaften wohl 
kaum Land erworben. Die Zeiten sind vorüber, da 
ein Dorf mit Gewalt sich Land erwerben kann, in- 
dem es durch seindselige Übergriffe und Überfälle 
die Bewohner elnes benachbarten Dorfes verdrängt 
und seinen Landbesitz sich aneignet. 
Auf die Frage betreffs Verlustes von Grundeigen- 
tum ist zum Teil schon durch die bisherigen Aus- 
führungen die Antwort gegeben. Verlust des Grund- 
eigentums tritt in einzelnen Dörfern da ein, wo mit 
der Bebauung des Landes aufgehört wird. Wie 
bereits angedeutet, wird in jüngster Zeit auch durch 
Verkauf von Land das Eigentumsrecht an andere 
abgetreten. Dies gilt sowohl von dem Grundeigen- 
tum der Dorfgemeinschaften als auch von Privat- 
eigentum. 
Als Nachtrag zum Ganzen möchie ich noch einer 
bis vor wenigen Jahren unter den Bakwiri herr- 
schenden Sitte Erwähnung tun. Verließ ein An- 
gehöriger des Bakwiristammes sein Dorf, um sich in 
einem anderen Bakwiridorfe niederzulassen, so hatte 
er dort elne Abgabe zu entrichten, gleichsam sich das 
Bürgerrecht und Anteil am Gemeingut zu kaufen. 
Der Kaufpreis bestand gewöhnlich in einem Schwein, 
einer Ziege oder einem Schaf. — 
Hierzu berichtet der langjährige Leiter der Station 
Bußa, Leuschner, noch folgendes: Nach eingehender 
Prüfung des Gutachtens des Missionars Lutz ge- 
statte ich mir noch folgendes hierzu zu bemerken: 
Das Dorsterrain ist Allgemeingut der im Dorf 
geborenen und ansässigen Bewohner. Jeder hat das 
Recht, irgendwo sich eine Farm anzulegen. 
Das Besitzrecht ist jedoch persönlich und erlischt 
mit dem Tode des Eigentümers, vererbt sich also 
nicht auf die Kinder oder Verwandten. Das Recht 
an dem Grund und Boden blelbt dem Besitzer auch 
dann noch, wenn er die Farmen verwildern läßt. 
Solange er lebt, hat niemand das Recht, ohne seinen 
Willen eine neue Farm auf dem ihm gehörigen 
Terrain zu machen. 
Verwandte können nach dem Tode des Besigzers 
nur die Farm erben, wenn sie in Kultur ist, andern- 
falls verfällt das Land dem Dorfe. 
Die Häusergrundstücke werden ebenfalls nicht ge- 
kauft, sondern frei vergeben. Stirbt der Besitzer und 
das Haus wird von den Verwandten nicht instand- 
gehalten oder weiterbenutzt, kann jeder andere sich 
auf diesem Platze anbauen. Das Besitzrecht ist dann 
mit dem Verstordenen erloschen. Eine Ausnahme 
bilden die Hausplätze der Häuptlinge. Stubt ein 
solcher, baut sich der Neuerwählte auf derselben 
Stelle sein Haus auf Nutzholzbäume, wie Eiche, 
Rotholz usw., sind Eigentum des ganzen Dorfes. 
Wird ein Baum verkauft, so wird der Erlös gleich- 
mäßig an die Dorfbewohner, Hauseigentümer, vertellt. 
Reinigt jemand junge Palmenschößlinge und hält 
den Platz von Unkraut usw. frei, so erwirbt er da- 
 
	        
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