Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

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eine neue Station gegründet hat. Missionar Folken 
berichtet darüber, daß er mit Bruder Luckin am 
17. Juni von Schira abmarschierte und über 
Nkoaranga am 20. Juni die Militärstation Gr. Aruscha 
erreichte. Er fährt dann fort: 
Als wir uns der Militärstation näherten, kam 
uns der Stationschef, Freiherr v. Reitzenstein, ent- 
gegen und lud uns freundlich zu sich ein. Nachdem 
er uns zu Mittag bewirtet hatte, ließ er seinen 
Ochsenwagen anspannen und begleitete uns persönlich 
auf unser ¾ Stunde von der Militärstation entfernt 
gelegenes Grundstück. Der Häuptling, namens Sapaia, 
war bei unserm Einzug nicht zu Hause, doch vom 
Stationschef gerufen, erschien er alsbald und ent- 
schuldigte seine Abwesenhelt, weil er nicht gewußt 
hätte, daß wir schon kommen würden. Seitdem 
kommt er jeden Tag zu uns, biswellen sogar mehrere 
Male am Tage, um uns zu begrüßen. Er versichert 
uns immer wieder, daß er alles tun wolle, was wir 
wünschen, und begründet seine Versicherung damit, 
daß er mich ein ums andere Mal „seinen Vater“ 
nennt. Solche kriecherische Freundlichkeit hötte man 
vor vier Jahren bei einem Aruschahäuptling ver- 
geblich gesucht; sie ist erst zu finden, seltdem die 
Militärstation den hiesigen Leuten die Macht der 
Europäer gezeigt hat. Nebenbei bemerkt, sind die 
Arbeitslöhne hier nicht so hoch wie im Dschagga- 
lande. Die hiesigen Ansiedler zahlen niedrigere 
Löhne, und so werden auch wir dem gewöhnlichen 
Arbeiter im Monat ½ Rupie weniger zahlen als 
die Brüder auf den alten Stationen. 
Daß aber das Entgegenkommen des Häuptlings 
uns für die eigentliche Missionsarbeit ein wenig zu- 
statten kommt, durften wir berelts in diesen Tagen 
erfahren. Am Donnerstag bat ich ihn, er möge doch 
die Kinder aus der Landschaft zum Unterricht 
schicken. Gleich am andern Morgen erschien er selbst 
mit einer großen Schar Kinder, 31 an der Zahl, 
die bei uns lesen lernen sollten. Am Sonnabend 
bat ich ihn, mit allen seinen Leuten zum Gottes- 
dienst zu kommen, und siehe da, gestern kam er 
schon in aller Frühe herüber zu uns, und als ich 
um 9 Uhr den ersten Gottesdienst begann, hatten 
sich schon etwa 400 Leute, Männer, Frauen und 
Kinder, auf unserm Grundstück versammelt. Während 
ich fast meine ganze Zelt darauf verwende, mich 
möglichst rasch mit der fremden Sprache vertraut 
zu machen, sorgte Bruder Luckin vom ersten Tage 
an dafür, daß wir sobald als möglich einen bessern 
Wohnraum erhielten, als die engen kalten Zelte uns 
bieten konnten. Schon am fünften Tage konnten 
wir die Zelte verlassen und uns in einem Haus von 
Baumrinde häuslich niederlassen. 
Ein Teil der Arbeiter ging wieder zurück nach 
Schira, um meine zurückgelassenen Sachen zu holen, 
andere arbeiten an einem Kanal, der in früheren 
Jahren von Aruschaleuten gegraben worden war, seit 
längerer Zeit aber unbenützt geblieben ist. Bruder 
Luckin hat auch schon die Umgebung in bezug auf 
  
Baumaterlalien untersucht: gute poröse Bausteine 
liegen an dem Hügel auf unserm Grundflück, gutes 
Bauholz erreichen wir auf ebenem Wege in einer 
Stunde und den Lehm müssen wir etwa 25 Minuten 
weit herholen. 
Bisher haben wir zum größten Teil noch mit 
Schira= und Waroleuten gearbeltet. Nächsten Monat 
gedenken wir die meisten Ausländer zu entlassen, um 
mit hiesigen Leuten die Arbeit fortzusetzen. Täglich 
bitten uns hiesige Männer, darunter nicht wenige 
tunge bezopfte Krieger, um Arbeit. So kommen 
wir täglich mit vielen Leuten aus der Landschaft in 
Berührung: die Kinder kommen zum Unterricht, die 
Frauen verkaufen Baumrinde für den Hausbau und 
Essen für die Kostschüler, die Männer wollen bei 
uns arbeiten. 
üÜber Missionsanfänge auf der Insel Alt in 
Deutsch-Neu-Guinea berichtet Missionar Klaffl im 
Septemberheft von „Gott will es“: 
Die schöne, ruhige Südostmonsunzeit hatte begonnen, 
und die Alf-Leute mußten sich jetzt ihren Lebens- 
unterhalt für die Zeit des Nordwest wieder ver- 
schaffen. In der Nordwestzelt, welche ungefähr sechs 
Monate dauert, ist es nämlich kaum möglich, durch 
die hohe Brandung zu kommen. Die Alts sind 
daher in dieser Zeit so ziemlich vom Festlande ab- 
geschnitten. Auf der Insel wächst aber nichts, als 
Yams und Süßkartoffeln, welche zum Lebensunter- 
halt bei weitem nicht ausreichen. Da nun in All 
fast alles ausgeflogen war, hielt es auch mich nicht 
mehr zu Hause. Ich machte mehrere Reisen ans 
Festland, um Land und Leute kennen zu lernen und 
soweit möglich, die Sprachen zu erforschen. 
Im August wurde es wieder lebendig aus dem 
kleinen Etland. Aus verschiedenen Richtungen kamen 
schwer beladene Segelkanus vom Festlande herüber. 
Die Alts heimsten ihren Vorrat für die Nordwest- 
zeit ein. Bei dieser Gelegenheit kamen auch viele 
Besucher von fremden Stämmen nach Ali und be- 
suchten die Station. Manche schlossen Freundschaft 
mit mir und baten mich dringend, sie in der nächsten 
Südostzeit zu besuchen, eine Einladung, die ich gern 
annahm. Ist es ja ungemein wichtig für den 
Missionar, daß er sich mit fremden Stämmen 
möglichst in Verbindung setzt und sich dort Freunde 
macht. Nur so wird es ihm möglich, die unsicheren 
Gegenden ohne allzu große Gefahr bereisen zu 
können. Die Leute sind im allgemeinen nicht bös- 
willig, wohl aber sehr mißtrauisch gegen die Aus- 
länder und suchen diese deshalb aus dem Wege zu 
räumen und unschädlich zu machen. Haben sie das 
Mißtrauen einmal überwunden, wissen sie, daß der 
Weiße es gut mit ihnen meint und sie von ihm 
nichts zu fürchten haben, so ist man weniger in 
Gefahr, von ihnen angegriffen zu werden, es sei 
denn, daß man gerade Kopfjägern in die Hände
	        
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