Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Die Gegend südlich des oberen Dscha ist dicht 
bevölkert. Die bedeutendsten Häuptlinge sind Bidia, 
Badom, Mbatschongo, Dscha und Tugumedio, sämt- 
lich dem großen Stamme der Niem angehörig. In 
Bungoa traf ich als Händler der Firma Randad & 
Stein den Sohn des angesehenen Bane-Häuptlings 
Balingekore aus Ngulemakong. 
Bezüglich Gestellung von Trägern und Arbeitern 
berechtigt das Gebiet am oberen Dscha zu guten Hoff- 
nungen. Gummi ist relchlich vorhanden; Elefanten 
sind selten. Olpalmen, welche östlich der Linie 
Elemwoo—Mngojul nicht mehr beobachtet wurden, 
kommen am oberen Dscha vor und werden zur Ol- 
bereitung benutzt. In der Hauptsache wird das Ol 
indessen hier wie in Rdsimu aus den Früchten der 
zahlreichen riesigen Atiapbäume in sehr reiner Qualltät 
hergestellt. Die Bereitung von Palmwein ist unbe- 
kannt. An alkoholischen Getränken finden die Njems 
und Ndsimus keinerlei Geschmack. Gebaut wird ein 
sehr kräftiger Tabak. Derselbe scheint mir viel Nikotin 
zu enthalten. Er schläfert zunächst ein, erzeugt, in 
größeren Mengen genossen, starkes Herzklopfen und 
wirkt in hohem Maße nervenreizend. Die Ein- 
geborenen filtrieren den Rauch durch knäulartig ge- 
ballte Bambusfasern, welche sie in große Antilopen- 
hörner stecken. Diese bilden das Pfeifenrohr. 
Über die Wanderungen der Njems und Ndsimus 
und ihre Herkunft ist mir noch folgendes erzählt 
worden: 
Aus dem Inneren Zentralafrikas sind die Nosimus 
bis zum Zusammenflusse des Ssanga= und Ngoko- 
Stromes vorgedrungen. Von hier ist ein Teil den 
Ssanga aufwärts westlich dieses Flusses nach Nord- 
westen gewandert, um am oberen Dscha neue Wohn- 
sitze zu suchen; ein anderer Tell ist den unteren 
Dscha (oder Ngoko) aufwärts gezogen und hat vom 
Lande im Dscha-Bogen Besitz genommen. 
Der erste stärkere Teil ist nördlich auf Maka-, 
westlich auf Bulu-Stämme gestoßen, hat sich mit diesen 
teilweise vermischt und nennt sich Niem, auch Janguma. 
Aus den Maka-Kriegen werden in vielen Njem-Dörfern 
Trophäen aufbewahrt, so Langschilde aus Holz mit 
Flechtwerk, wie sie die Pfell und Bogen führenden 
Völker des Graslandes trugen. „Die Makas“, so 
rühmten die alten Njem-Häuptlinge, „haben uns nicht 
widerstehen können, denn wlr brachten Gewehre und 
Pulver vom Kongo mit.“ Der andere Teil, der 
sich in Sprache und Sitte ziemlich rein erhalten hat, 
führt seinen alten Namen Ndsimu weiter. 
Njem sowohl wie Ndfimu bilden zahlreiche 
lleinere Landschaften, welche meist in Fehde unter- 
einander leben. Das unstete Leben in dem unweg- 
samen Walde und Sumpfgelände, der tägliche Kampf 
mit der Natur und mit den Nachbarstämmen haben auf 
den Charakter dieser Völker sicher großen Einfluß. Von 
ihren Nachbarn sind sie wegen ihrer Raubgier und 
Hinterlist sehr gefürchtet. Sie sind ausgezeichnete 
Jäger, Fischer und gute Waffenschmiede. Das Eisen 
gewinnen sie aus dem Raseneisenstein und fertigen 
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daraus kurze Dolchmesser und Speerspitzen. Den von 
den Faktoreien eingeführten Eisen-, Messing= und 
Kupferdraht verarbeiten sie geschickt zum Schutz der 
Gewehrschäfte. Draht bildet neben Gewehren und 
Pulver den Haupthandelsartikel. Für Luxusartikel 
fehlt noch das Verständnis. 
In einzelnen Njem-Dörfern fand ich ganz leidliche 
Holzschnitzarbeiten, so mit Schlangen und Eldechsen 
verzierte Türstöcke in Luma. 
Die Badom-Leute sind gewandte Kanufahrer, gute 
Schwimmer und brauchbare Zimmerleute. Der Bau 
von neun großen Kanus in einem Monat ist eine 
recht gute Arbeitsleistung zu nennen. 
Von der kriegerischen Gesinnung der Riems und 
Ndsimus zeugt die Bauark ihrer Dörfer. Die Ein- 
gänge sind durch starke Palisadierungen geschützt. 
Im Inneren des langgestreckten Dorfes liegen in 
Abständen von etwa 50 m große Blockhäuser, sogen. 
Banjos. Diese sind mit Schießscharten versehen und 
eignen sich gut zur abschnittsweisen Verteidigung. 
Die Bewaffnung besteht aus Vorderladern, welche 
sie tadellos behandeln. Jedes Gewehr wird beim 
Einkauf erst auseinandergenommen und auf seine 
Brauchbarkelt geprüst. Im Gefecht führen die besten 
Kämpfer mehrere geladene Gewehre mit sich. Hier- 
durch gleichen sie den Nachteil des langsamen Ladens 
beim Vorderlader einigermaßen aus. Außerdem führt 
jeder ein kurzes Dolchmesser im Gürtel, eine äußerst 
gefährliche Waffe im Nahkampfe. 
Moralisch stehen die Njem-Stämme auf niedriger 
Stufe. Sie sind Kannibalen vom reinsten Wasser, 
im krassesten Aberglauben befangen, diebisch und ver- 
logen. Die Wahrheit zu sagen, gilt als dumm. Die 
Verneinung in der Njem-Sprache ist ein langge- 
zogenes Ja. 
Ihre Gestalt ist untersetzt und kräsftig, ihre Ge- 
sichtszüge auffallend häßlich. Die Zähne feilen sie 
schmal und spitz. Die Scheidewand der Nasenlöcher 
wird bei dem männlichen Geschlecht durchbohrt und 
Kassadastengel als Schmuck (Njauga) hineingesteckt. 
Die Häuptlinge (Mokundsche) und älteren Leute 
tragen einen starken Knebelbart, an dessen Spitze sie 
noch eine Haarlocke als Zierde baumeln lassen. Als 
Zeichen der Würde tragen die Häuptlinge mehrere Hüte 
übereinander. Als Tinidi bel mir erschien, hatte er 
deren fünf auf. 
Nach allem habe ich den Eindruck gewonnen, daß 
die Motive des Aufstandes in der Hauptsache nichts 
weiter als gemeine Raubgier dieser auf niedrigster 
Kulturstufe stehenden Kannibalen waren. Der ge- 
fangene Häuptling Samansog hat dies selbst zu 
Protokoll gegeben. 
Der Handel hatte sich hier in Gebiete vorgewagt, 
welche von der Regierung noch kaum berührt sind. 
Das ganze Adsimu-Gebiet und tellweise auch 
Niem war mit Faktoreien durchsetzt. Hier lagerten 
Ende November 1908 bedeutende Mengen an Pro- 
dukten (Gummi und Elfenbein), deren Transport 
nach Molundu infolge Trägermangels und sehr
	        
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