Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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b. Testaments-Erbrecht. 
Dem Eingeborenen-Recht!) ist eine testamen- 
tarische Erbfolge unbekannt, doch gibt ein Spezial- 
gesetz, act No. 7 of 1895, den nach Native Law 
lebenden Eingeborenen eine beschränkte Testier- 
fähigkeit.) 
Männer wie Frauen können nach diesem Gesetz 
letztwillig verfügen, aber nur über unbewegliches 
Vermögen. Wir haben bereits erwähnt, daß Ein- 
geborene, die auf Stammesländereien leben, eigent- 
liches Eigentum an dem von ihnen bebauten Grund 
und Boden nicht erwerben. Selbst wenn das von 
dem einzelnen bebaute Landstück auf seinen gesetz- 
lichen Erben übergeht, so leitet dieser sein Recht 
zur Weiterbenutzung des Landes nicht von seinem 
Erblasser ab, sondern er hat als Angehöriger des 
Stammes ein selbständiges Anrecht auf Ackerland.)) 
Land, über das ein Eingeborener letztwillig frei 
verfügen will, kann also nicht Stammesland sein, 
sondern muß ihm unter besonderem Rechtstitel ver- 
liehen sein, der eine Verfügungsmacht einbegreift. 
Das Eingeborenen-Recht kennt solche Titel nicht, 
diese sind für Eingeborene vielmehr erst durch 
Spezialgesetze der Kolonie geschaffen.“) 
Der genannte Akt gilt, wie erwähnt, uur für 
Eingeborene, die nach Native Law leben, trotzdem 
bleibt aber eine letztwillige Verfügung, die von 
solchem Eingeborenen errichtet ist, gültig, nachdem 
er von der Wirkung des Eingeborenen-Rechts eximiert 
ist. (Sec. 12 cit.) 
Die bei der Errichtung einer letztwilligen Ver- 
fügung zu bevbachtenden Formen bestimmt das 
Gesetz selbst, bezüglich der Registrierung und gericht- 
lichen Bestätigung der Verfügung von Todes wegen 
verweist es aber auf die Bestimmungen des Kolonial- 
rechts. (Sec. 4, 12 cit.) 
Nach Sec. 6 des Akts kann auch eine Frau 
testieren, die Land unter besonderem Rechtstitel er- 
worben hat. Nach Eingeborenen-Recht konnte die 
Frau Eigentum zu freier Verfügung in der Regel 
überhaupt nicht erwerben, hier weicht aber die lex 
generalis der lex specialis. Obwohl act 7 of 
1895 der Frau entgegen ihrer sonstigen Stellung 
im Eingeborenen-Recht, das Recht verleiht, letzt- 
willig zu verfügen,) macht er sie doch nicht erb- 
  
1) Ein Ausgleich wurde dadurch bewirkt, daß der 
Kraalsvater Vieh unter die einzelnen Oäuser seiner 
Familie schon zu Lebgeiten verteilte. Vgl. The Na- 
tives of South Africa, S. 33. „Der Kraalsvater pflegt 
auch seinen jüngeren Söhnen Vieh zum Lobolo für ihre 
erste Frau zu geben, dasselbe geschieht seitens des 
ältesten Bruders für die jüngeren Brüder". Code, 
Sec. 139. 
2 Vgl. Code, Sec. 97. Das dort zitierte Law 12 
of 1864 ist durch act 7 of 1895 ersetzt. 
:) Vgl. The Natives of South Africa. S. 72. 
4) Vgl. Report, Sec. 98, 105. 
5) Allerdings nur mit Unterstützung ihres Vor- 
mundes. See. 6 cit. 
  
fähig. Eine auf Grund des Akts errichtete letzt- 
willige Verfügung, in welcher einer nicht eximierten 
Frau unbewegliches Vermögen vermacht ist, wird 
jedoch nicht ungültig, vielmehr hilft der Akt hier 
mit einer Fiktion. Die Verfügung gilt nämlich als 
zugunsten der Person gemacht, unter deren Vor- 
mundschaft die Frau zur Zeit des Erbfalles steht, 
jedoch mit der Maßgabe, daß der Vormund nicht 
Eigentum an der vermachten Sache erlangt, sondern 
diese nur zu Lebzeiten der Frau als Treuhänder zu 
verwalten hat. 1) Nach dem Tode der Frau gelangt 
das Land an den Erben des Hauses, welchem die 
Frau zur Zeit ihres Todes angehört, oder an die- 
jenige Person, welche als Nacherbe in der letzt- 
willigen Verfügung bestimmt ist. (Sec. 9 cit.) 
Stirbt ein Eingeborener, der vom Eingeborenen- 
Recht nicht eximiert war, ohne letztwillige Ver- 
fügung, so wird er auch bezüglich seines unbeweg- 
lichen Vermögens, das er unter besonderem Rechts- 
titel besitzt, nach dem Erbrecht des Code of Native 
Law beerbt. (Sec. 7 cit.) 
Zweiter Abschnitt. 
Ersatz von Eingeborenen-Recht durch 
Nolonialrecht. 
Die vorhergehenden Abschnitte dieser Studie haben 
gezeigt, daß die Gesetzgebung Natals bestrebt war, 
die Eingeborenen-Bevölkerung nach Möglichkeit unter 
ihren überlieferten Rechten und Gebräuchen fort- 
leben zu lassen, welche der Kulturstufe der Mehr- 
heit der Eingeborenen am besten entsprechen. Die 
Beibehaltung dieses Rechts für die Eingeborenen- 
Bevölkerung als Ganzes soll aber, wie bereits er- 
wähnt, nicht dazu führen, jeden Eingeborenen ohne 
Rücksicht auf eine etwaige höhere Entwicklung unter 
der Herrschaft des Eingeborenen-Rechts zu halten, 
die Gesetzgebung Natals sucht vielmehr einzelnen 
Eingeborenen den Übergang in eine höhere Kultur- 
stufe dadurch anzubahnen, daß sie den einzelnen 
unter Umständen der Herrschaft des Eingeborenen- 
Rechts ganz oder nur für gewisse Materien ent- 
zieht und ihn in entsprechendem Umfange dem Ko- 
lonialrecht unterstellt. Die Gesetze, welche diese 
Zwecke verfolgen, sind das Law No. 46 of 1887 
„To regulate the Marriage of Natives by 
Christian rites“ und das Law No. 28 of 1865 
„For relieving certain persons from the ope- 
ration of Native Law“. 
I. Law No. 46 of 1887. 
Dieses Gesetz knüpft den Übergang aus alten 
Verhältnissen in neue, den es zur Folge hat, an die 
Religion, indem es Eingeborenen, die nach Ein- 
geborenen-Recht leben, die Möglichkeit gewährt, eine 
1) Unter besonderen Verhältnissen kann das Land 
auch zu Lebgeiten der Frau veräußert werden. Scc. 9 cit.
	        
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