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b. Testaments-Erbrecht.
Dem Eingeborenen-Recht!) ist eine testamen-
tarische Erbfolge unbekannt, doch gibt ein Spezial-
gesetz, act No. 7 of 1895, den nach Native Law
lebenden Eingeborenen eine beschränkte Testier-
fähigkeit.)
Männer wie Frauen können nach diesem Gesetz
letztwillig verfügen, aber nur über unbewegliches
Vermögen. Wir haben bereits erwähnt, daß Ein-
geborene, die auf Stammesländereien leben, eigent-
liches Eigentum an dem von ihnen bebauten Grund
und Boden nicht erwerben. Selbst wenn das von
dem einzelnen bebaute Landstück auf seinen gesetz-
lichen Erben übergeht, so leitet dieser sein Recht
zur Weiterbenutzung des Landes nicht von seinem
Erblasser ab, sondern er hat als Angehöriger des
Stammes ein selbständiges Anrecht auf Ackerland.))
Land, über das ein Eingeborener letztwillig frei
verfügen will, kann also nicht Stammesland sein,
sondern muß ihm unter besonderem Rechtstitel ver-
liehen sein, der eine Verfügungsmacht einbegreift.
Das Eingeborenen-Recht kennt solche Titel nicht,
diese sind für Eingeborene vielmehr erst durch
Spezialgesetze der Kolonie geschaffen.“)
Der genannte Akt gilt, wie erwähnt, uur für
Eingeborene, die nach Native Law leben, trotzdem
bleibt aber eine letztwillige Verfügung, die von
solchem Eingeborenen errichtet ist, gültig, nachdem
er von der Wirkung des Eingeborenen-Rechts eximiert
ist. (Sec. 12 cit.)
Die bei der Errichtung einer letztwilligen Ver-
fügung zu bevbachtenden Formen bestimmt das
Gesetz selbst, bezüglich der Registrierung und gericht-
lichen Bestätigung der Verfügung von Todes wegen
verweist es aber auf die Bestimmungen des Kolonial-
rechts. (Sec. 4, 12 cit.)
Nach Sec. 6 des Akts kann auch eine Frau
testieren, die Land unter besonderem Rechtstitel er-
worben hat. Nach Eingeborenen-Recht konnte die
Frau Eigentum zu freier Verfügung in der Regel
überhaupt nicht erwerben, hier weicht aber die lex
generalis der lex specialis. Obwohl act 7 of
1895 der Frau entgegen ihrer sonstigen Stellung
im Eingeborenen-Recht, das Recht verleiht, letzt-
willig zu verfügen,) macht er sie doch nicht erb-
1) Ein Ausgleich wurde dadurch bewirkt, daß der
Kraalsvater Vieh unter die einzelnen Oäuser seiner
Familie schon zu Lebgeiten verteilte. Vgl. The Na-
tives of South Africa, S. 33. „Der Kraalsvater pflegt
auch seinen jüngeren Söhnen Vieh zum Lobolo für ihre
erste Frau zu geben, dasselbe geschieht seitens des
ältesten Bruders für die jüngeren Brüder". Code,
Sec. 139.
2 Vgl. Code, Sec. 97. Das dort zitierte Law 12
of 1864 ist durch act 7 of 1895 ersetzt.
:) Vgl. The Natives of South Africa. S. 72.
4) Vgl. Report, Sec. 98, 105.
5) Allerdings nur mit Unterstützung ihres Vor-
mundes. See. 6 cit.
fähig. Eine auf Grund des Akts errichtete letzt-
willige Verfügung, in welcher einer nicht eximierten
Frau unbewegliches Vermögen vermacht ist, wird
jedoch nicht ungültig, vielmehr hilft der Akt hier
mit einer Fiktion. Die Verfügung gilt nämlich als
zugunsten der Person gemacht, unter deren Vor-
mundschaft die Frau zur Zeit des Erbfalles steht,
jedoch mit der Maßgabe, daß der Vormund nicht
Eigentum an der vermachten Sache erlangt, sondern
diese nur zu Lebzeiten der Frau als Treuhänder zu
verwalten hat. 1) Nach dem Tode der Frau gelangt
das Land an den Erben des Hauses, welchem die
Frau zur Zeit ihres Todes angehört, oder an die-
jenige Person, welche als Nacherbe in der letzt-
willigen Verfügung bestimmt ist. (Sec. 9 cit.)
Stirbt ein Eingeborener, der vom Eingeborenen-
Recht nicht eximiert war, ohne letztwillige Ver-
fügung, so wird er auch bezüglich seines unbeweg-
lichen Vermögens, das er unter besonderem Rechts-
titel besitzt, nach dem Erbrecht des Code of Native
Law beerbt. (Sec. 7 cit.)
Zweiter Abschnitt.
Ersatz von Eingeborenen-Recht durch
Nolonialrecht.
Die vorhergehenden Abschnitte dieser Studie haben
gezeigt, daß die Gesetzgebung Natals bestrebt war,
die Eingeborenen-Bevölkerung nach Möglichkeit unter
ihren überlieferten Rechten und Gebräuchen fort-
leben zu lassen, welche der Kulturstufe der Mehr-
heit der Eingeborenen am besten entsprechen. Die
Beibehaltung dieses Rechts für die Eingeborenen-
Bevölkerung als Ganzes soll aber, wie bereits er-
wähnt, nicht dazu führen, jeden Eingeborenen ohne
Rücksicht auf eine etwaige höhere Entwicklung unter
der Herrschaft des Eingeborenen-Rechts zu halten,
die Gesetzgebung Natals sucht vielmehr einzelnen
Eingeborenen den Übergang in eine höhere Kultur-
stufe dadurch anzubahnen, daß sie den einzelnen
unter Umständen der Herrschaft des Eingeborenen-
Rechts ganz oder nur für gewisse Materien ent-
zieht und ihn in entsprechendem Umfange dem Ko-
lonialrecht unterstellt. Die Gesetze, welche diese
Zwecke verfolgen, sind das Law No. 46 of 1887
„To regulate the Marriage of Natives by
Christian rites“ und das Law No. 28 of 1865
„For relieving certain persons from the ope-
ration of Native Law“.
I. Law No. 46 of 1887.
Dieses Gesetz knüpft den Übergang aus alten
Verhältnissen in neue, den es zur Folge hat, an die
Religion, indem es Eingeborenen, die nach Ein-
geborenen-Recht leben, die Möglichkeit gewährt, eine
1) Unter besonderen Verhältnissen kann das Land
auch zu Lebgeiten der Frau veräußert werden. Scc. 9 cit.