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Nun legt der Leitende schließlich seine Ver-
suchslinien. In dem dafür nach der Erkundung
in Frage kommenden Streifen wird das Gelände
nach Bedarf, bald breiter, bald schmaler, frei-
gelegt, bei üppiger Bewachsung ein mühseliges
Geschäft, dann mit Meßband, Winkel- und Höhen-
messer die vieleckige Grundlinie gezogen, und von
ihr aus der Geländestreifen in Lage und Höhe
lachymetrisch aufgenommen. In diese Pläne ist
endlich die Linie einzutragen, zweckmäßig alsbald
an Ort und Stelle, damit, wenn sich erweist, daß
die Aufnahmen noch nicht ausreichen, sie ohne
viele Umstände ergänzt werden können. Ist in
dieser Weise die ganze Bersuchslinie entworfen,
so werden auf der so erhaltenen Grundlage die
Kosten für Bau und Betrieb überschläglich er-
mittelt. Das alles wird für sämtliche Versuchs-
linien durchgeführt. Die Vergleichsgröße zwischen
ihnen bilden die Verkehrskosten, die sich aus den
Vetriebskosten und den Anlagezinsen zusammen-
setzen. Zu ihrer richtigen Ermittlung find auch
die wirtschaftlichen Erhebungen inzwischen fort-
geseyt und vertieft worden. Die Linie der
lleinsten Verkehrskosten verdient den Vorzug und
wird für die weitere Bearbeitung gewählt.
Nun dürfen wir nicht hoffen, mit der gewählten
Linie der besten aller möglichen Lösungen so nahe
zu kommen wie in der Heimat. Unsere Erkun-
dungen und Aufnahmen erstrecken sich doch auch
bei sehr gründlicher Arbeit nur über einen kleinen
Teil des Geländes ; in der Heimat hat die Landes-
aufnahme uns das gesamte Gebiet auf die Karte
gebracht, so daß wir ein vollständiges Bild er-
en. Wollten wir mit der aus der Heimat
gewohnten Annäherung dem Ideal der über-
haupt besten Linie nachlaufen, so würden wir
mit Geld und Zeit zu kurz kommen. Im rechten
Moß liegt hier das Heil. Zudem lassen sich die
hrskosten bei weitem nicht mit solcher Zu-
verlössigkeit schäthen wie zu Hause. Schon bei
Baukosten spielt die Unfertigkeit der Ver-
bältnisse, spielt der Zufall, die höhere Gewalt
der Tropengüsse, spielte zunächst auch der Mangel
an Erfahrung eine böse Rolle. Bei den ersten
auten hat das veranschlagte Geld nie gereicht.
Die Verkehrsentwicklung für die Kolonialbahnen
nichig einzuschätzen, begegnet noch größeren
wierigkeiten. Hier bei uns ist das Alte, Be-
bende, Gegenwärtige, drüben das. Neue, Wer-
de, Zukünftige die Hauptauelle unserer Ver-
lrec ittlungen. Hier Wirklichkeiten, dort Mög-
ichkeiten. Das ist es, was uns in älterer Ver-
Hungenheit so furchtbar eingeschnürt hat. Der
Lelonialeisenbahne kann nur dem Genüge tun,
br auen zur Zukunft unserer Kolonien mit-
ugt, der an sie glaubt und daher für sie etwas
Wie lange aber ist es her, daß Bolk und
Reichstag dies Vertrauen, diesen Glauben, diesen
Wagemut gewonnen haben?. Es hat leise an-
gefangen im Jahre 1904, erlitt in den Jahren
der Aufstände in Ost= und Südwestafrika einen
Rückschlag und kam erneut erst 1908 zum Durch-
bruch. Immerhin: in den letzten acht Jahren
hat sich die Betriebslänge unserer Kolonialbahnen
verachtfacht, durchschnittlich in jedem dieser Jahre
um mehr als 400 km zugenommen. Wir werden
voraussichtlich im Laufe dieses Jahres das vierte
Tausend an Kilometern erreichen; der Anlage-
wert unserer Kolonialbahnen beträgt heute schon
mehr als eine Viertelmilliarde.
Geldbeschaffung.
Doch zurück zu unserem Vorentwurf. Er
bildet die Grundlage für die Beschaffung der
Baugelder. Wir sagten eingangs, der gegebene
Bauherr sei in den Kolonien der Staat. Für
jemanden, der nur die privatwirtschaftliche Rente
in Ansatz bringen kann, ist das Unternehmen im
allgemeinen ein Wechsel mit allzu langer Sicht.
Das wird der Vorentwurf in der Regel bestätigen.
Wir müssen im Auge behalten, daß sich die Bahn
in der Kolonie ihren Verkehr selbst erst schaffen muß
und daß dies nicht von heute auf morgen geht.
Die Usambarabahn ist als Privatunternehmen
entstanden, aber bald verstaatlicht worden, weil
der Eigentümerin der Atem ausging. Die Tan-
ganjikabahn ist heute noch Privatbahn, jedoch nur
der Form nach; der Staat hat mehr als 90 v.H.
der Geschäftsanteile der Eigentümerin. Auch
leiht er ihr das Baugeld für die Strecken von
Morogoro an. Die erste Teilstrecke Daressalam
—Morogoro ist seinerzeit aber als wirkliches
Privatunternehmen gebaut worden. Die Gründung
konnte indes nur gelingen, indem der Staat die
Verzinsung der Anlage gewährleistete und große
Landgerechtsame bewilligte. Abhnlich ist die
Manengubabahn ins Leben gerufen worden.
Auch die Otavibahn wäre ohne die großen Land-
und Bergwerksgerechtsame schwerlich von Privaten
gebaut worden. Sie ist übrigens vor drei Jahren
vom Staate angekauft worden, wie sich denn zur
Zeit alle größeren Linien mit Ausnahme der
Manengubabahn und mit der bei der Tangan-
jikabahn erwähnten Einschränkung im Eigentum
des Staates befinden. Wir dürfen uns deswegen
damit begnügen, die Geldbeschaffung für staat-
liche Kolonialbahnen zu besprechen.
Der Bau der Kolonialbahn, die Berausgabung
der dazu nötigen Gelder bedarf der Genehmigung
des Bundesrates und des Reichstages. Zur Be-
gründung der Geldforderung legt ihnen die Re-
gierung das Ergebnis der allgemeinen technischen
und wirtschaftlichen Borarbeiten in einer Denk-
schrift vor. In ihr sinden sich auch die volks-