Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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Nun legt der Leitende schließlich seine Ver- 
suchslinien. In dem dafür nach der Erkundung 
in Frage kommenden Streifen wird das Gelände 
nach Bedarf, bald breiter, bald schmaler, frei- 
gelegt, bei üppiger Bewachsung ein mühseliges 
Geschäft, dann mit Meßband, Winkel- und Höhen- 
messer die vieleckige Grundlinie gezogen, und von 
ihr aus der Geländestreifen in Lage und Höhe 
lachymetrisch aufgenommen. In diese Pläne ist 
endlich die Linie einzutragen, zweckmäßig alsbald 
an Ort und Stelle, damit, wenn sich erweist, daß 
die Aufnahmen noch nicht ausreichen, sie ohne 
viele Umstände ergänzt werden können. Ist in 
dieser Weise die ganze Bersuchslinie entworfen, 
so werden auf der so erhaltenen Grundlage die 
Kosten für Bau und Betrieb überschläglich er- 
mittelt. Das alles wird für sämtliche Versuchs- 
linien durchgeführt. Die Vergleichsgröße zwischen 
ihnen bilden die Verkehrskosten, die sich aus den 
Vetriebskosten und den Anlagezinsen zusammen- 
setzen. Zu ihrer richtigen Ermittlung find auch 
die wirtschaftlichen Erhebungen inzwischen fort- 
geseyt und vertieft worden. Die Linie der 
lleinsten Verkehrskosten verdient den Vorzug und 
wird für die weitere Bearbeitung gewählt. 
Nun dürfen wir nicht hoffen, mit der gewählten 
Linie der besten aller möglichen Lösungen so nahe 
zu kommen wie in der Heimat. Unsere Erkun- 
dungen und Aufnahmen erstrecken sich doch auch 
bei sehr gründlicher Arbeit nur über einen kleinen 
Teil des Geländes ; in der Heimat hat die Landes- 
aufnahme uns das gesamte Gebiet auf die Karte 
gebracht, so daß wir ein vollständiges Bild er- 
en. Wollten wir mit der aus der Heimat 
gewohnten Annäherung dem Ideal der über- 
haupt besten Linie nachlaufen, so würden wir 
mit Geld und Zeit zu kurz kommen. Im rechten 
Moß liegt hier das Heil. Zudem lassen sich die 
hrskosten bei weitem nicht mit solcher Zu- 
verlössigkeit schäthen wie zu Hause. Schon bei 
Baukosten spielt die Unfertigkeit der Ver- 
bältnisse, spielt der Zufall, die höhere Gewalt 
der Tropengüsse, spielte zunächst auch der Mangel 
an Erfahrung eine böse Rolle. Bei den ersten 
auten hat das veranschlagte Geld nie gereicht. 
Die Verkehrsentwicklung für die Kolonialbahnen 
nichig einzuschätzen, begegnet noch größeren 
wierigkeiten. Hier bei uns ist das Alte, Be- 
bende, Gegenwärtige, drüben das. Neue, Wer- 
de, Zukünftige die Hauptauelle unserer Ver- 
lrec ittlungen. Hier Wirklichkeiten, dort Mög- 
ichkeiten. Das ist es, was uns in älterer Ver- 
Hungenheit so furchtbar eingeschnürt hat. Der 
Lelonialeisenbahne kann nur dem Genüge tun, 
br auen zur Zukunft unserer Kolonien mit- 
ugt, der an sie glaubt und daher für sie etwas 
Wie lange aber ist es her, daß Bolk und 
  
Reichstag dies Vertrauen, diesen Glauben, diesen 
Wagemut gewonnen haben?. Es hat leise an- 
gefangen im Jahre 1904, erlitt in den Jahren 
der Aufstände in Ost= und Südwestafrika einen 
Rückschlag und kam erneut erst 1908 zum Durch- 
bruch. Immerhin: in den letzten acht Jahren 
hat sich die Betriebslänge unserer Kolonialbahnen 
verachtfacht, durchschnittlich in jedem dieser Jahre 
um mehr als 400 km zugenommen. Wir werden 
voraussichtlich im Laufe dieses Jahres das vierte 
Tausend an Kilometern erreichen; der Anlage- 
wert unserer Kolonialbahnen beträgt heute schon 
mehr als eine Viertelmilliarde. 
Geldbeschaffung. 
Doch zurück zu unserem Vorentwurf. Er 
bildet die Grundlage für die Beschaffung der 
Baugelder. Wir sagten eingangs, der gegebene 
Bauherr sei in den Kolonien der Staat. Für 
jemanden, der nur die privatwirtschaftliche Rente 
in Ansatz bringen kann, ist das Unternehmen im 
allgemeinen ein Wechsel mit allzu langer Sicht. 
Das wird der Vorentwurf in der Regel bestätigen. 
Wir müssen im Auge behalten, daß sich die Bahn 
in der Kolonie ihren Verkehr selbst erst schaffen muß 
und daß dies nicht von heute auf morgen geht. 
Die Usambarabahn ist als Privatunternehmen 
entstanden, aber bald verstaatlicht worden, weil 
der Eigentümerin der Atem ausging. Die Tan- 
ganjikabahn ist heute noch Privatbahn, jedoch nur 
der Form nach; der Staat hat mehr als 90 v.H. 
der Geschäftsanteile der Eigentümerin. Auch 
leiht er ihr das Baugeld für die Strecken von 
Morogoro an. Die erste Teilstrecke Daressalam 
—Morogoro ist seinerzeit aber als wirkliches 
Privatunternehmen gebaut worden. Die Gründung 
konnte indes nur gelingen, indem der Staat die 
Verzinsung der Anlage gewährleistete und große 
Landgerechtsame bewilligte. Abhnlich ist die 
Manengubabahn ins Leben gerufen worden. 
Auch die Otavibahn wäre ohne die großen Land- 
und Bergwerksgerechtsame schwerlich von Privaten 
gebaut worden. Sie ist übrigens vor drei Jahren 
vom Staate angekauft worden, wie sich denn zur 
Zeit alle größeren Linien mit Ausnahme der 
Manengubabahn und mit der bei der Tangan- 
jikabahn erwähnten Einschränkung im Eigentum 
des Staates befinden. Wir dürfen uns deswegen 
damit begnügen, die Geldbeschaffung für staat- 
liche Kolonialbahnen zu besprechen. 
Der Bau der Kolonialbahn, die Berausgabung 
der dazu nötigen Gelder bedarf der Genehmigung 
des Bundesrates und des Reichstages. Zur Be- 
gründung der Geldforderung legt ihnen die Re- 
gierung das Ergebnis der allgemeinen technischen 
und wirtschaftlichen Borarbeiten in einer Denk- 
schrift vor. In ihr sinden sich auch die volks-
	        
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