Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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der Verpflegungsmittel, Baustoffe, Gleisteile für 
die weitere Strecke benutzt, sobald wie angängig 
auch zur Vervollständigung und Verbesserung der 
Bettung. Auf deren Güte kommt viel an: sie 
soll den vom Gleise aufgenommenen Druck in 
gleichmäßiger Verteilung auf den unter ihr 
liegenden Bahnkörper übertragen und das Gleis 
gut entwässern. Sie besteht aus Steinschlag oder 
Kies. « 
Ist das Gleis in dieser Weise bis zu einer 
Station betriebssicher verlegt, so wird neben dem 
Bauverkehr auch ein beschränkter allgemeiner 
Verkehr zugelassen, damit die Bahn dem Lande 
unverzüglich zugute kommt; sie hat selbst den 
Vorteil davon, indem der Verkehr eher ent- 
wickelt wird, als wenn man mit seiner Bedie- 
nung warten wollte, bis die Bahn in allen 
Teilen fertig ist. Einer rasch durchgestoßenen 
Bahn wird ohnedies die Entwicklung ihres Ge- 
bietes fast immer zu langsam gehen. Sie 
wenigstens recht früh zu fördern, sollte die Bahn 
nicht versäumen. Das ist jedenfalls eine richtigere 
Folgerung als jene andere, die man hier und 
da hört: man müsse langsamer bauen, dürfe der 
Entwicklung des Landes nicht zu weit voreilen. 
Das mag einmal für ein Gebiet zutreffen, wo“ 
nur von den Unternehmungen der Weißen Ver- 
kehr zu erhoffen und nur ein bestimmter Jahres- 
zuzug von Geld und Leuten zu erwarten ist; 
hier würde ein diesem Zuzug entsprechender 
Jahresfortschritt der Bahn genügen. Für Gebiete 
der Eingeborenenkulturen aber liegt die Sache 
wohl anders. Hier wird der durch das Vor- 
dringen des Gleises ermöglichte Beginn der Ent- 
wicklung in einem fernen Binnenbezirk das Auf- 
blühen der davor liegenden Gebiete nicht beein- 
trächtigen, ebensowenig umgekehrt: die Unter- 
nehmer der Kulturen, die Eingeborenen, fehlen 
weder hier noch da. Ist es aber so, dann 
kommt der Verkehr der fernsten Teilstrecken dem 
der näheren um so eher zugute, je schneller die 
Bahn vorrückt: die Zeit der Rentenlosigkeit des 
Gesamtunternehmens wird abgekürzt. Wir haben 
im kolonialen Bahnbau noch so viel alte Ver- 
säumnisse nachzuholen, daß wir, von Ausnahmen 
abgesehen, als einzige Grenze für die Schnellig- 
keit des Vorgehens einstweilen nur die geldliche 
Leistungsfähigkeit der Kolonie anerkennen sollten. 
Für den beschränkt zugelassenen allgemeinen 
Verkehr müssen vorab die Fahrpreise und Fracht- 
sätze bestimmt werden, möglichst so, daß sie auch 
für den späteren endgültigen. Betrieb beibehalten 
werden können. Man darf allerdings nicht hoffen, 
in allen Stücken sofort das Richtige zu treffen. 
Namentlich für die Frachtsätze bleibt sorgsames 
Beobachten und Berücksichtigen des auftretenden 
Verkehrsbedürfnisses immer nötig. Drüben wie 
  
  
hier in der Heimat bemessen wir den Frachtsat 
für ein Gut nicht ausschließlich nach den. Kosten, 
die seine Beförderung verursacht, sondern auch 
nach dem Wert des Gutes und der volkswirt- 
schaftlichen Bedeutung seiner Verfrachtung. Wie 
tief man mit dem Frachtsatz für geringwertige 
Güter herabgehen lann, läßt sich allgemein nicht 
sagen. Eines steht fest: man kann nicht sagen, 
weil auf ein Tonnenkilometer heute durchschnitt- 
lich 10 Pfennig Betriebskosten fallen, könne die 
Bahn die Fracht für ein Tonnenkilometer nicht 
unter 10 Pfennig bemessen. Erstens sind die Kosten 
nach der Verkehrsart verschieden, für Stückgut 
5. B. in der Regel höher als für Wagenladungs- 
gut. Und dann überlegen wir: ein Teil der Be- 
triebskosten wächst mit dem Verkehr, ein anderer 
Teil aber ist von ihm unabhängig. Die eigent- 
lichen Zugkosten gehören z. B. in der Hauptsache 
zu der ersten Klasse, zu der der veränderlichen 
Betriebskosten, manche Kosten der Verwaltung und 
des Stationsdienstes z. B. zu der zweiten Klasse, 
zu der der unveränderlichen Betriebskosten. 
Die veränderlichen Betriebskosten wachsen auch 
nicht alle ebenso stark wie der Verkehr. Im 
großen Durchschnitt kann man vereinfachend 
für heimische Verhältnisse die Hälfte der Betriebs- 
kosten als unveränderlich, die andere Hälfte als 
im Maße des Verkehrs veränderlich annehmen, 
nämlich rechnen, daß die Betriebskosten nur etwa 
halb so stark wachsen wie die Betriebsleistung. 
Man ist versucht zu schließen, daß in den Ko- 
lonien mit ihrem unentwickelten Verkehr die 
Kosten noch langsamer der Leistung folgen, weil 
die Grundkosten, wie ich die schwach oder gar 
nicht veränderlichen Teile der Betriebsausgabe 
nennen möchte, noch eine verhältnismäßig größere 
Rolle spielen. Allerdings kann dort die Zunahme 
der Kosten auch sprunghaft und unregelmäßig 
sein, z. B. wenn eine Bahn, die bisher werk- 
täglich einen gut ausgelasteten Zug in jeder 
Richtung laufen ließ, für den neuen Verkehr noch 
einen Zug wöchentlich einlegen muß, ihn aber 
nur schlecht ausnutzen kann. In dem Rilesen- 
verkehr der Heimat gleichen sich solche Zufällig- 
keiten leicht aus, in den kleineren Verhältmissen 
drüben nicht so allgemein. Man muß dort vor- 
erst noch jeden Fall einzeln prüfen und kann 
noch keine allgemein gültigen Erfahrungsziffern 
angeben. Aber das gilt auch in der Kolonie: 
ein Zuwachs an Verkehr ist offenbar für die 
Bahn kein Nachteil, wenn er nur die ver- 
änderlichen Betriebskosten deckt, ist ein Vor- 
teil, wenn er etwas mehr einbringt. Selbst 
die veränderlichen Betriebskosten brauchen nicht 
unbedingt die untere Grenze zu sein: die Er- 
möglichung der Beförderung geringwertiger Güter 
kann z. B. sonstigen, besser zahlenden Verkehr im 
 
	        
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