10
Rolonialwirtschastliche Mitteilungen.
Aus dem Arbeiĩtsbereich des Rolonlal·Wirtschaft-
lichen Romiltees.
Zur Olrohstoffrersorgung Deutschlands aus
Bei den Wi 5 Verhandlungen des
Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees, an denen
u. a. Gouverneur Dr. Seitz teilnahm, wurde auf Grund
von Referaten der Herren Freudenberg-Bremen,
Professor Dr. Thoms und Professor Dr. Warburg-
Berlin der folgende 2 esglub gefaßt:
Im Hinblick au große volkswirtschaftliche
Bedeutung einer Snsosfrerseron Deutsch-
lands aus den eigenen Kolonien — der Ein-
fuhr im Werte von etwa 400 Miltonert Part steht nur
eine Produktion von 18 Millionen Mark gegenüber —
beschließt das Komitee, auf eine Vermehrung der Pro-
duktion und Verbesserung der Qualität der in den
Kolonien bereits vorhandenen Olrohstoffe, wie Palmöl,
Palmkerne, Kopra, Erdnüsse, Sesam usw. sowie auf die
Einführung. dort noch nicht angebauter Olrohstoffe, wie
Lein, Rap izinus usw. mit allen geeignet erschei-
nenden Ptrtrli hinzuarbeiten, insbesondere durch:
Propaganda für den Eisenbahnbau unter besonderer
Berücksichtigung der Erschließung vorhandener und aus-
sichtsreicher Olrohstoffgebiete; Anregung bei den Gou-
vernements: das staatliche landwirtschaftliche Versuchs-
wesen mehr als bisher auf die Förderung des Anbaues
ölliefernder Pflanzen auszudehnen; Beschaffung von
Saatgut und Verteilung an die Regierungsstellen zur
lostenfreien Akgabe an die eingeborene Bevölkerung:
Lieferung von Maschinen zur Aufbereitung der ge-
wonnenen Olsamen und Früchte, Vervollkommnung der
Apparaturen bei der Bereitung der Fette zwecks besserer
Ausbeute und Verbesserung der Produkte; Förderung
der Anlage von Plantagen unter europäischer Leitung,
insbesondere von Olpalmen= und Kokosnußplantagen
mit maschineller Erntebereitung; Förderung von Maß-
nahmen zur Verhinderung des Verderbens von Ol-
samen und -Früchten beim Transport; Studium der
Fortschritte der — auf dem Gebiete des Härtens
der Fette und O
Zur a ile des Programmes und zur Be-
schaffung der erforderlichen Mittel soll analog der
kolonialen Organisationen der Textil-, Chemischen,
Kautschuk= und Maschinenindustrie eine Organisation der
Dlrohstoffe verarbeitenden Industrie geschaffen werden.
Neger-Maschinistenschule in Daressalam.
Zur Uberwindung der Schwierigkeiten bei Ein-
führung der modernen Technik in den Ko-
lonien befaßt sich das Komitee mit dem Plane der
Einrichtung und Unterhaltung einer Maschinisten-
schule für Farbige in Deutsch-Ostafrika lnach
Art der Teger-Maschinistenschulem * Süden Nord-
amerilas) ##h folgendem Progra
ule soll unmibtelhne“ on die Betriebe in
Daressalam — Ginnerei und Saatwerk mit Diesel-
motor und Lokomobile — angeschlossen werden, um
intelligentere Eingeborene an Hand von betriebsfertigen
Maschinen zunächst mit den einfachsten Grundgesetzen
der Mechanik vertraut zu machen und durch praktische
Unterweisung allmählich zur selbständigen Behandlung
von Motoren und Kultur= und Erntebereitungsmaschinen
heranzubilden. Die Lehrzeit ist auf ein Jahr ver-
anschlagt. Die Leitung der Schule wird einem In-
genieur und einem Werkmeister unterstellt werden.
Das Reichs-Kolonialamt und das Gouvernement sowie
die heimische Industrie sollen um weitgehende Förderung
des Planes gebeten werden.
Erfolge der Sisalkultur in Deutsch-Ostafrika.
Bei den kürzlich stattgehabten Verhandlungen des
Vorstandes des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees be-
richtete Privatdozent Dr. Bruck-Gießen auf Grund
einer soeben ausgeführten Erkundungsreise über die
Sisalkultur in Deutsch-Ostafrika u. a. das Fol-
gen
Die Sisalkultur in Deutsch-Ostafrika hat nicht nur
in der gegenwärtigen Zeit glänzende Erfolge auf u-
weisen, sondern sie geht auch einer glücklichen, viel-
versprechenden Zukunft entgegen. Man kann ohne Über-
treibung sagen, daß diese Kultur die Zahl der Schul-
beispiele vermehrt, die als typische Eharakterkulturen
bestimmter Gegenden angeführt werden, wie etwa der
Kaffee in Brasilien, die Baumwolle in Nordamerika oder
der Kampfer Japans. Zahlenmäßig ist die Entwicklung
der letzten Zeit die folgende: Im Hahre 1911 wurden
11 212 Tonnen Sisalhanf im Werte von 4,53 Millionen
Mark aus Deutsch-Ostafrika ausgeführt. Nach Ansicht
von Fachleuten in der Kolonie rechnet man damit, daß
. diesem Jahre die Ausfuhr sich wenigstens auf
6 500 Tonnen stellen wird. Hinzu kommt, daß im
lenoner Jahre ungewöhnlich gute Preise, bis über
700 .¾ für die Tonne Primahanf, erzielt wurden. Für
das nächste Jahr ist noch eine weitere Steigerung der
Ausfuhr zu erwarten, so daß wir sehr bald mit einem
Export von über onnen werden rechnen
können. Die Sisalfaser wird daher bald in unserer
Kolonie mit einer Exportwertziffer von 10 Millionen.“
figurieren.
Die Agave wird in Deutsch-Ostafrika nicht nur auf
einer begrenzten Fläche angebaut, sondern vielmehr in
den verschiedensten Landschaften und unter den ver-
schiedensten Boden= und klimat ischen Bedingungen. Wir
finden die Agave sowohl auf Rotlehm, wie an den ver-
schiedensten Strecken der Meeresküste auf kalkhaltigen
Böden, und das sowohl im Norden wie im Süden,
bei Tanga, Pangani. Lindi und Mikindani. Auch die
bisher mit Sisalplantagen längs der Mittellanbhahn
gemachten Erfahrungen sind vielversprechend. Dort
wächst die Pflanze auf typischem Steppenboden. Krank-
heiten von irgendwelcher Bedeutung sind bisher in
Agaven-Feldern nicht bekannt geworden, und die Ge-
fahr einer Degeneration des Gewächses ist kaum zu
erwarten, so daß wir die Kultur wohl mit Erfolg.
einige Jahrzehnte werden fortsetzen können.
Das Handelsprodukt, die Faser, macht nur bis zu
4 v. H. der gesamten Blattmasse aus. Der Abfall wurde
bisher ohne jeden Nutzen vernichtet. Nachdem sich jetzt
herausgestellt hat, daß eine ganze Reihe für andere
Industriegweige wichtige Stoffe in diesem Abfall vor-
handen ist, plant man chuch eine Verwertung derselben
im großen. Hierdurch können sich die Aussichten der
Sisalkultur noch in ungeahnter Weise verbessern. Für
Neuanlagen ist günstiger Boden noch hinreichend vor-
handen. Allein die Arbeiterfrage kann einer weiteren
Ausdehnung einen Riegel vorschieben. Kenner der
rage, ob eine UÜberproduktion an Sisal und ähnlichen