Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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gers in den Pende mündenden Nebenflusse ent- 
nehmen konnten, während als Wasserentnahme- 
stelle für die Europäer eine Quelle gewählt wurde, 
die mitten aus einer fast senkrecht abfallenden 
Uferwand des Pende klar aus dem Tonboden 
quillt. 
Als Hospital diente ein mit einigen aus Holz 
gezimmerten Lagerstätten versehenes Grashaus. 
Hier wurden unter Asfistenz eines im Kranken- 
dienst ausgebildeten schwarzen Soldaten die täg- 
lichen Sprechstunden abgehalten. Die Zahl der 
Erkrankungen war dank der günstigen Ernährung 
und Trinkwasserverhältnisse sehr gering. Die vor- 
her häufigen Krankheiten der Verdauungswege 
schwanden vollkommen, die Fieberanfälle ver- 
mehrten sich nicht. * 
Nicht ein einziger Krankheitsfall machte die 
Aufnahme ins Hospital notwendig. 
Unter den europäischen Mitgliedern der Expe- 
dition herrschte ebenfalls der beste Gesundheits- 
zustand, wenn auch wegen kleinerer Unfälle oder 
vorübergehenden Unwohlbefindens die ärztliche 
Hilfe in Anspruch genommen wurde. Sie wurde 
auch auf die Teilnehmer der französischen Grenz- 
vermessung ausgedehnt, und die umwohnende 
Bevölkerung erschien nach und nach in der Poli- 
klinik, wo ihr nach Möglichkeit Verbandstoffe und 
Medizin kostenlos überlassen wurden. 
Die hygienischen Verhältnisse des neuerwor- 
benen Landes sind vorläufig noch mit Vorsicht zu 
beurteilen, sie scheinen aber nicht ungünstig zu 
sein. Sehr wichtig ist, daß die teilweise im Ab- 
stande von 30 km und mehr marschierenden Ab- 
teilungen der Expedition auf ihren Routen niemals 
die Glossina morsitans oder die Glossina palpalis 
zu Gesicht bekamen. Immerhin aber ist die 
Möglichkeit vorhanden, daß an manchen Stellen 
noch unerforschter Gebietsstrecken doch die eine 
oder die andere Art zeitweise lokalisiert ist. Zu 
dieser Annahme berechtigt mich die Beobachtung, 
daß jeht nach Abbrennung des Grases und dem 
plötzlichen Auftreten großer Wildmengen auch die 
Tsetse erschienen ist, und zwar in Gegenden, wo 
sie vorher nicht nachgewiesen werden konnte. Sehr 
häufig ist sie östlich von Gore auf französisch blei- 
bendem Gebiet, und zwar fand ich sie hier auch 
vor den Grasbränden jedesmal in großer Menge. 
Auch das Verbreitungsgebiet der Glossina 
palpalis und das der Schlafkrankheit bedarf 
noch der genaueren Untersuchungen. Fälle von 
Schlafkrankheit begegneten uns auf dem Marsche 
nicht, doch muß dabei berücksichtigt werden, daß 
wir nur wenige Menschen zu Gesicht bekamen, 
während die Hauptmasse sich durch die Flucht 
entzog. Die Glossina palpalis selbst scheint tat- 
sächlich in dem größten Teile des Landes zu 
  
fehlen. Bei keinem Flußübergange und keiner 
mit Galeriewald versehenen Wasserstelle unterließ 
ich es, auf die Anwesenheit von Glossinen zu 
achten, aber niemals gelang es mir, eine Fliege 
zu finden, ebensowenig wie allen anderen Herren 
der Expedition. Immerhin aber muß man davor 
warnen, an diese günstigen Beobachtungen allzu- 
große Hoffnungen zu knüpfen, denn man darf 
nicht vergessen, daß die von der Expedition ge- 
wählten Routen nur immer schmale Wege be- 
deuten, die den größeren Teil des Landes unbe- 
rührt ließen, und es doch wohl noch Stellen geben 
kann, an denen die Glossina palpalis endemisch 
auftritt. 
Genauer untersucht werden konnte die Um- 
gebung von Gore in einem Umkreise von etwa 
30 km. Dabei stellte sich heraus, daß in diesem 
doch verhältnismäßig großen Gebiete Glossina 
palpalis nur auf einer einzigen Stelle am Pende 
vorhanden ist, während sie in allen umliegenden 
Nebenfluß-Galeriewäldern nicht ein einziges Mal 
gefunden werden konnte. An der in unmittel- 
barer Nähe der Station Gore gelegenen Stelle 
des Uferwaldes war es mir ein Leichtes, in ganz 
kurzer Zeit beliebig viel Fliegen zu fangen, zehn 
Minuten weiter aber in irgendeiner beliebigen 
. Richtung war es mir nicht möglich, auch nur eine 
Fliege zu sehen. Dieses vollkommen lokalisierte 
Auftreten der Glossina palpalis gibt natürlich zu 
der Vermutung Veranlassung, daß sie in ähnlicher 
Weise auch noch an anderen Stellen des neu- 
erworbenen Gebietes gefunden werden wird. 
Die Schlafkrankheit selbst vermochte ich in 
einem Falle — es handelte sich um eine junge, 
in Gore ansässige Soldatenfrau — einwandsfrei 
festzustellen. Andere Fälle kamen nicht zur Be- 
obachtung, auch nicht bei meinen häufigen Be- 
suchen in den umliegenden Dörsern. In manchen 
Ortschaften des Pende ist die Krankheit nicht ein- 
mal dem Namen nach bekannt. Nach diesen 
Beobachtungen muß als sicher angenommen wer- 
den, daß die Krankheit augenblicklich noch sehr 
selten ist und immer nur auf ganz vereinzelte 
Fälle beschränkt bleibt. Die Bedingungen zu 
ihrer weiteren Ausbreitung find aber gegeben, 
einmal durch den Verkehr der Haussahändler, die 
immer wieder frische Infektionsquellen aus dem 
Süden einschleppen können, dann aber durch 
schlafkranke Kautschuksammler, die in den von 
Glossinen bewohnten Galeriewäldern stundenlang 
ihrer Tätigkeit nachgehen. Hier liegt auch der 
Weg zur Bekämpfung der Schlafkrankheit: Baldige 
Errichtung eines Schlaskrankenlagers, die Auf- 
sammlung der bis jetzt noch vereinzelten Fälle 
und ihre Behandlung, dann aber eine gemeinsom 
mit Frankreich geübte strenge Kontrolle der aus 
dem Süden zuführenden Handelsstraßen. Diese
	        
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