Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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Ich habe keine Glossinen gefunden, wo die Ufer 
so abschüssig und so mit kleinen Steinen besät sind, 
daß der Weg zum Wasser mit großer Schwierigkeit 
verknüpft ist, so daß Tiere und Menschen nicht zum 
Wasser kommen. 
Die Verteilung der Trypanosomiasis läßt erkennen, 
daß die Tsetsefliege nicht stillsteht. Ich glaube, daß 
die Glossina wandert, aber nur auf kurze Entfernungen. 
Die lange Zeit, die von der Ansteckung bis zum ersten 
Auftreten der Krankheit bergeht, scheint mir im Ver- 
gleich zu der ungeheuren Schnelligkeit, mit welcher sie 
sich, einmal an einen Ort verpflanzt, ausdehnt, be- 
zeichnend dafür, daß die Tietsesliegen nicht nur an 
Furten und Tränken bleiben; vielmehr hat es den 
Anschein, 
trächtliches Stück, ohne jemand zu stechen r wenn 
eine große Anzahl Fliegen verseucht sind, fängt die 
Krankheit an, sich zu verbreiten, und das nicht immer 
in der Nähe des ursprünglichen Ansteckungsherdes, 
sondern sie verteilt sich fast gleichmäßig stromauf- und 
stromabwärts. Daß die Palpalis in der Nähe 
Dörfer zahlreicher wäre als in einer gewissen Ent- 
fernung von diesen, habe ich nicht finden können. Das 
Wild ist im allgemeinen zahlreich an den Flüssen von 
Katanga vertreten und liefert ihr zweifellos dort Blut, 
wo sie keine Menschen findet. Ist die Schlafkrankheit 
einmal eingeschleppt, so ist der Hauptfaktor, welcher 
ihr Umsichgreifen bestimmt, die Menge der von der 
Palpalis gestochenen Personen. 
Auch die beiden folgenden Faktoren sind der Be- 
achtuns wert- 
nre Glossion palpalis ist weniger gefährlich in 
einer acberten Höhe, die sich der Grenze ihrer Daseins- 
möglichkeit näher 
2. Die Seung verbreitet sich dort schnell, wo 
die ad ölterung dicht, und langsam dort, wo sie dünn 
gesãt 
Ei t.— methodische Arbeit in den Ortschaften ist das 
eingige Mittel, das Übel in jedem Bezirk zu belämpfen 
ich wünsche ganz PS0ineden bhie Belgier vor dem Frr- 
tum zu bewahren, der darin besteht, daß sie Lazarette 
bauen und unterhalten, ohne sich der Ergebnisse dieses 
Systems vollkommen bewußt zu sein. Beamte, Kauf- 
leute und Missionare, alle sind einig über die Unbe- 
liebtheit der Lazarette, die von den Ein ngeberenen ge- 
fürchtet und verabscheut werden. Das Vorhandensein 
der Lazarette macht die Untersuchung der Eingeborenen 
schwierig. Viele unter ihnen, die leicht einwilligen 
würden, sich den Hals befühlen oder sich sogar punk- 
tieren zu lassen, verstecken sich, weil sie glauben, Gefahr 
zu laufen, monatelang eingesperrt zu werden. Diese 
Ansich seemn in Katanga nicht vereinzelt da. 
ce Erfahrung hat mich gelehrt, daß gin einiger- 
maßen“ mitfühlender Arzt, wenn er die fer durch- 
streift, viele Kranke haben und mit Henin iünte. 
so lange wie er will, behandeln kann. 
borenen fürchten aber die Lazarette und meiden so viel 
als möglich Orte, an denen sich solche befinden. Eine 
Statistik irgendwelcher Art über die in diesen Hospi- 
tälern behandelten Schwarzen habe ich nicht bekommen 
können; während meiner Besuche habe ich nur eine 
sehr kleine Anzahl Kranker gesehen. Bedauerlich ist 
es, daß die Arzte in ihre Lazarette verbannt worden 
sind, weil es an den einzelnen Orten immer nur einen 
Arzt statt ihrer zwei gibt; es ist daher nicht möglich 
gewesen, das Land zu durchstreifen und Karten über 
die Verbreitung der Glossina palpalis und der Schlaf= 
krankheit anzulegen. Die Karten des Landes bleiben 
in der Beziehung vollkommen auf dem Punkte, auf 
dem sie Neuve Ende 1907 gelassen hat. 
  
als flöge die erste verseuchte Fliege, ein be- 
  
Gegen Mitte April 1909, bei der Rückkehr des 
Oberst Wungermée als Gouverneur, fand eine plötz- 
liche Wendung hinsichtlich der Bekämpfung der Schlaf- 
krankheit statt. Die Regierung hatte aufgehört, die 
Augen den Tatsachen zu verschließen. Während des 
es 1910 sind wei sehr wichtige Anordnungen ge- 
troffen worden: Dr. Polidori verpflanzte die Dörfer 
von Mwenda und andere an der Lufira; M. Grouvet, 
der Bezirksvorsteher, und Dr. Grossens verlegten 
alle verseuchten Dörfer der geföhrlichen Gegend. 
Die vornehmste Aufgabe hätte sein müssen, in 
Belgien die Wahrheit zu veröffentlichen. Es ist gerade 
kein Vergnügen, Freunden und Nachbarn unangenehme 
Dinge zu sagen, doch ich beuutze diese Gelegenheit, 
das zu sagen, was gesagt werden muß: Die alte Re- 
gierung des Kongofreistaates bat, die Schlafkrankheit 
in ihren Bureaus zu Brüssel belanpft. 
jemand auch nur daran gedacht hätte, daß 
schriebene Maßnahmen einer wirklich ausgeführten 
Arbeit nicht gleichkommen. Diese selbe Täuschung 
scheint auch sonst zu herrschen. Eine offizielle Karte 
vom belgischen Kongo, welche die Orte bezeichnet, an 
denen Arzte untergebracht und Lazarette gebaut worden 
sind, gibt an, daß sich 16 Regierungsärzte im Lande 
befinden, von denen zwölf eigens dazu angestellt seien. 
die Schlafkrankheit helampsen In dem Augenblid. 
als ich im März 1 das Land verließ, sind in 
Wirklichleit nur im ganzen vorhanden ge- 
wesen. Von diesen konnten sich nur vier dem Kampfe 
ges gen die Epidemie hingeben. Fälschlich hat man 
Arzte, Lazarette oder Hospitäler in Sukania, Bun- 
keya, Dikulwe, Lakonzohra und Kasenga ange- 
geben. Während meiner Rückreise habe ich drei AKrzte 
getroffen, die nach Katanga unterwegs waren. Von 
den sechs Arzten, die sich, als ich abreiste, in Katanga 
aufhielten, sind fünf Italiener und nur einer ist Belgier 
gewesen. Einige dieser Italiener waren tüchtige Men- 
schen, aber es ist unmöglich, für ein fremdes Land 
mit decselben Wegeisterung zu arbeiten wie für sein 
eigenes Vaterland. 
u allererst müßten einmal die Grenzen der Pal- 
palis und der Schlafkrankheit festgestellt werden; be- 
vor dies nict erfolgt, ist jede weitere Arbeit fruchtlos. 
So kann 3. B. der Gürtel von Hoch-Luapula in sechs 
Jahren von einem einzigen Menschen oder umgekehrt 
in einem Jahr von sechs Menschen bestimmt werden. 
Die anderen Zonen haben mehr ntese Teile und werden 
wahrscheinlich mehr Arbeit in Anspruch nehmen. Zehn 
Menschen werden für jede dieser Zönen erforderlich sein. 
Wenn die Grenzen des verseuchten Landes einmal 
von Arzten sorgfältig bestimmt sind, fällt die Aufgabe 
der Bekämpfung mehr der Verwaltung als der ärzt- 
lichen Wissenschaft zu. y hege die größte Hoch- 
achtung für die belgischen Beamten, aber ihre Aufgabe 
ist äußerst schwierig. Sie nd nicht zahlreich zung 
und haben keine Erfahru Die gründlichste 
nahme, die ergriffen werden könnte, besteht darin, . 
Menschen aus dem Bereich der infizierten Fliege fort- 
zubringen. Das ist mit großem Erfolge in Uganda 
und auch im nördlichen Rhodesien geschehen. Im 
kleinen ist das auch in Katanga der Fall. Diese Maß- 
regel ist einfach und natürlich für die an ein Wander- 
leben gewöhnte Bevölkerung, zumal da, wo nicht ge- 
fährdete Orte in der Nähe sind. Aber weniger leicht 
ist es schon bei großen Menschenmassen, die von Gene- 
ration zu Generation reiche Ebenen ständig bewohnen 
beinahs unmöglich ist es bei den Eingeborenen, welche 
von Fisch und Ol abhängig sind. Zur befriedigenden 
Lösung dieser Frage sind energische und fähige Beamte 
viel nötiger als Arzte. Bisweilen genügt es, wenn 
man die Leute in der Nähe an einwandfreien Orten
	        
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