Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

W 594 20 
Verordnung, betr. Zwangs= und Strafbefugnisse der 
Verwaltungsbehörden in den Shutebieen Afrikas 
und der Südsee, vom 14. Juli 1905, 88 5b, 6, 8, 9La 
der Verordnung der Gemeinde Swakopmund vom 
28. Oktober 1909. 
Gründe. 
Am 10. November 1909 hatte der Gemeinderat 
von Swakopmund durch den Bürgermeister dem An- 
geklagten, einem Kaufmann aus Kapstadt, ein Schreiben 
zugehen lassen des Inhalts, daß er sich burch d en Ver- 
kauf einer Uhrkette an den „Küschlermei ster A. einer 
Zuwiderhandlung des § öb in Verbindun 
des Ortsgesetzes von Swakopmund vom 28. 
1909 schuldig gemacht und dadurch den doppelten 
Vetrag der Steuer, also 2000 ./, verwirkt habe, weil 
er, um diesen Verkauf vornehmen zu können, einen 
Hamdellsschein gemäß §5 öb a. a. O. zum Preise von 
“ hätte lösen müssen. Der Angeklagte hat 
6 Schreiben als einen Stralfbescheid,n angesehen 
und am 4 auf richterliche Entscheid 
gemäß § 5 r. P. O. angetragen. Das hrlcheihung 
Bezirksgericht 7 Swakepm#nnd hat durch Urte 
21. Januar 1910, auf dessen Gründe hinsichtlich des 
Sachverhalts Bezug genommen wird, den Bescheid der 
Stadtverwaltung aufgehoben, soweit dem Angeklagten 
die Zahlung der doppelten Steuer im Betrage von 
2000 “ auserlegt ist. Die Stadtverwaltung hat sich 
gemäß § 4 P. O. der Verfolgung angeschlossen 
und gegen öeas vorbezeichnete Urteil frist= u orm- 
gerecht Berufung eingelegt mit dem Antrage, das 
Urteil, insoweit es den Bescheid der Stadtverwaltung 
aufhebt, aufzuheben and den Angeklagten zur Zahlung 
von 2000 zu verurteilen. 
Es war zunächst zu prüfen, ob das Gericht 
zum Erlaß einer Entscheidung in dieser Sache über- 
haupt zuständig ist. Um diese Frage zu entscheiden, 
bedarf es einer Untersuchung der rechtlichen Natur 
"es 5 Schreibens des Eemeind#ate vom 29. November 
und der Bestimmungen der Gemeindeverord- 
10%0 vom 28. Oktober 1909, auf denen dieses Schreiben 
beruht. In den in dem Schreiben enthaltenen Er- 
klärungen, daß eine Zuwiderhandlung gegen eine 
Steuervorschrift stattgefunden habe und daß infolge- 
dessen ein erhöhter Steuerbetrag bei Vermeidung der 
zwangsweisen. Beitreibung zu zahlen sei, muß nach 
Ansicht des Gerichts die e#ht der Verwaltungs- 
behörde gefunden werden, einen Strafbescheid im 
Sinne des § 459 Str. P. O. zu erlassen. Ebenso muß 
88 der Gemeindeverordnung, auf den sich das Schreiben 
stützt, als eine Strafbestimmung angesehen werden. 
Der Strascharakter dieser Vorschrift liegt darin, daß 
einer einzelnen Person, deren Verhalten einen be- 
stimmten Tatbestand erfüllt, nämlich die ein Kauf- 
geschäft in Swakopmun ohne den Besitz des hierfür 
. vorgeschriebenen Handelsscheines ab- 
uein für bieses Verhalten ein bestimmtes Übel auf- 
erlegt wird. Um die Androhung einer Verwaltungs- 
zwangsmaßregel nach § 9 ff. der Kaiserlichen Verordnung 
vom 14. Juli 1905 handelt es sich hier nicht, denn 
einc solche Androhung darf nur im einzelnen konkreten 
Falle ergehen und muß eine angemessene Frist zur 
Vornahme der Handlung setzen, darf aber nicht an ein 
nur mögliches Handeln oder nkerlassen für alle Zu- 
t den Eintritt eines sibels für den Handelnden 
oder Unterlassenden knüpfen. Daß 5s der Gemeinde- 
verordnung vom Oktober 1900 nicht von einer 
„Strafe“, sondern nur von der Heranziehung einer 
erhöhten Steuerpflicht rede, kann den materiellen 
Strascharakter in dieser Vorschrift nicht ändern. Dieser 
Charakter kommt auch rein formal im § 9 a. a. O. in 
  
  
  
  
  
den Worten #wiberhaudlung. und „Strafbeträge“ 
deutlich zum Ausdru der' Verwaltungs- 
behörde nicht s inn. des in § 8 a. c. O 
angedrohten Übels als Stener dem Betroffenen den 
in dem § 459 ff. Str. P. O. reichsgesetzlich gegebenen 
Bechtsweg- (vol. Entscheidungen des Reichsgerichts 
Hand 36 Seite 91) zu verschließen. So ist z. B. auch 
der Gouvernementsverordnung vom 7. November 
1b50 , die einen ganz ähnlichen Inhalt hat wie die 
oben bezeichnete Gemeindeverordnung, in § 28 aus- 
drücklich auf diesen Rechtsweg verwiesen. Die Zu- 
lässigkeit dieses Rechtswegs kann auch nicht dadurch 
usgeschlossen werden, daß der Gemeinderat die in 
8 28 der K. V. O. vom 14. Juli 1905 vorgeschriebene 
Ermächtigung zum Erlaß von Strafbescheiden bisher 
nicht erhalten hat und der Strafbescheid daher als von 
unzustärdiger" Sielle terlasfen der Rechtskraft gar nicht 
fähig ist. tr. P. O. bestimmt ohne Rücksicht 
darauf, ob * S ibrsc eid gültig war oder nicht, 
daß bei rechtzeitiger Erhebung eines Widerspruches 
über den in dem Strafbescheid enthaltenen Sachverhalt 
das Hauptverfahren anhängig ist. Dieses Hauptver- 
fahren kann der Richter daher nicht dadurch zur Er- 
ledigung bringen, daß er den EStrafoescheid als nicht 
den Erfordernissen des § 459 Str. P. O. entsprechend 
aufhebt, er muß vielmehr 4 Ste entscheiden, ob der 
im Strafbescheid enthaltene Sachverhalt eine strosbare 
Handlung darstellt (ugl. Entscheid. d. R. G. 
S. 452). Dasselbe muß für den ein der örans dall 
kaum vorkommenden) Fall gelten, daß der Strafbescheid 
von einer zum Erlasse derartiger Bescheide gar nicht 
tuständigen Stelle erlassen wird. Die abweichende 
nsicht, daß ein solcher nichtiger Strafbescheid keine 
##ndiage für das Eingreifen des Gerichts gemäß 
§* 462 Str. P. O. bilden könne, hätte nur die Wirkung, 
daß die Verwalengsbehörde den doch bereits zum 
Ausdruck gebrachten Willen, eine strafrechtliche Ver- 
folgung herbeizuführen, erneut im Wege des § 464 
Str. P. O. zur Geltung bringen würde. Ein solcher 
Umweg kann nicht im Willen des Gesetzgebers liegen. 
Das Gericht war hiernach zuständig und mußte den 
zu seiner ognition gebrachten Tatbestand materiell 
prüfe 
  
28 
* 
  
  
erbei ist der erste Richter mit Recht zu dem 
Resultat gelangt, daß mangels eines gültigen Straf- 
gesetzes eine strafbare Handlung nicht vorliege. Aller- 
dings kann ihm da nicht beigetreten werden, daß die 
Bezeichnung als „Gemeindeverordnung“ die Gültigkeit 
von Bestimmungen, die nur durch Ortsgesetz erlassen 
werden dürfen, selbst dann in Frage stellt, wenn bei 
ihrem Erlasse die Bestimmung über den Erlaß von 
Ortsgesetzen (6 13, 56 S. B. V. vom 28. Januar 1909) 
beobachtet ist. Ist geschehen, jo kommt es auf 
die formale Bezeichnung nicht an. ie Bestimmung 
des § 8 der fraglichen Gemeindeverordnung ist aber 
deswegen ungültig, weil er, wie bereits oben ausge- 
führt, eine Strafbe timmung enthält und der Gemeinderat 
on Swakopmund zum i solcher Bestimmung gemäß 
* 15 Sch. G. G., 98 5, 6 R. K. V. vom 27. September 
1903 mangels Delegation irgendeiner Strafbefugnis 
an ihn nicht zuständig ist. Freilich ist die Gemeinde- 
verordnung von der Aufsichtsbehörde genehmigt. Ob 
polchen Genehmigen die in 36 er V. O. 
vom 27. Sepiember 1903 vorgesehene legation ge- 
funden werden kann, uit auch- anr zweifelhaft. 
da in §6 a. a. achst nur an eine ausdrückliche un 
allgemeine übertocgung des Rechtes gedacht ist, Straf- 
bestimmungen in gewissen Materien zu erlassen, wäh- 
rend hier Delegation des Rechtes vorliegen würde, 
eine einzelne konkrete Strafbestimmung zu erlassen. 
Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es jedoch in
	        
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